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14.06.19 / Übungen in Schwarz-Rot-Gold / Friedrich Ludwig Jahn, der »Turnvater« als Rebell und Patriot

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-19 vom 14. Juni 2019

Übungen in Schwarz-Rot-Gold
Friedrich Ludwig Jahn, der »Turnvater« als Rebell und Patriot
Klaus J. Groth

Auch „Turnvater Jahn“, vorzugsweise mit rauschendem Bart dargestellt, war einmal ein aufsässiger Jüngling. Dieser Charakterzug prägte Fried­rich Ludwig Jahn sein Leben lang. Seine Turnübungen sollten fit machen zur Befreiung von Napoleon, er stritt gegen die deutsche Kleinstaaterei und Fürstenwillkür. Deshalb wurde er vor 200 Jahren, am 14. Juli 1819, in Berlin verhaftet.

Es brodelte in Deutschland im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts. Nach der napoleonischen Besetzung bildete sich Nationalbewusstsein, studentische Burschenschaften gründeten sich. Beim Wartburgfest 1817 verbrannten Burschenschafter unliebsame Schriften. Dazu gehörten auch Werke des Schriftstellers August von Kotzebue. Im März 1918 erstach der Theologiestudent, Turner und Burschenschafter Karl Ludwig Sand Kotzebue. Aus Furcht vor einer Revolution beschloss der Deutsche Bund nach dem Mord ein Verbot der Burschenschaften. 

Preußen und andere Länder verhängten ein Turnverbot. Turner wurden verhaftet, Jahn Turnübungen auf der Hasenheide untersagt. Wegen hochverräterischen Verhaltens wurde er in der Nacht zum 14. Juli 1819 am Krankenbett seines Kindes verhaftet. Während er in Spandau in Haft saß, starben zwei seiner Kinder. Fünf Jahre der Gefangenschaft in Küstrin, Berlin und Kolberg schlossen sich an. Während dieser Zeit starb seine Frau, Jahn durfte nicht zu ihrer Beerdigung. Was wurde ihm vorgeworfen?

Friedrich Ludwig Jahn war ein rebellischer Geist. Er wurde als Sohn eines evangelischen Pfarrers am 11. August 1778 in Lanz an der Prignitz geboren. Die Schule verließ er ohne Abschluss. 

Da das Abitur nicht Voraussetzung für ein Studium war, schrieb Jahn sich in Halle als Theologiestudent ein. Er stritt für die Reinheit der deutschen Sprache, wetterte gegen die Durchmischung des Deutschen mit französischen Ausdrücken. Zudem verfasste er eine Schrift unter dem Titel „Über die Beförderung des Patriotismus im Preußischen Reich“. In Geldnot überließ er sie einem Kommilitonen für zehn Taler. Unter dessen Namen erschien die Schrift. Das könnte somit kaum der Grund gewesen sein, aus dem Jahn von der Universität verwiesen wurde. Er versuchte an mehreren anderen Universitäten Fuß zu fassen. 1800 wurde bei einem Prozess in Leipzig ein Verbot für sämtliche deutsche Universitäten verhängt. Unter falschem Namen schrieb er sich an der Universität Greifswald ein, die damals schwedisch war. Dort lernte er Ernst Moritz Arndt kennen. Gemeinsam entwickelten sie die Idee eines „Vereinigten Deutschlands“. Nach 13 Semestern verließ Jahn Greifswald – wieder ohne Abschluss. 

Seine Zukunft sah nicht vielversprechend aus. Jahn schlug sich als Hauslehrer durch. Er organisierte Wanderungen für Schüler sowie Spiel- und Badenachmittage. Dabei ging es gelegentlich ruppig zu: „Zerrissene Kleider und blutige Köpfe waren dabei alltägliche Erscheinungen“, schrieb ein Freund. Jahn wollte die Jugendlichen abhärten, sie ertüchtigen, gegen Napoleon zu kämpfen. Nach dessen Sieg 1806 bei Jena und Auerstedt verband Jahn in einer Rede erstmals öffentlich Freiheit für das Vaterland und Leibeserziehung zur Charakterbildung. Der Pädagoge Johann Guts Muths, der „Gymnastik für die Jugend“ als Voraussetzung zur Erziehung zu „würdigen Vaterlandsverteidigern“ sah, bestärkte ihn. 

Jahn verfasste seine Schrift „Deutsches Volksthum“, die 1810 in Lübeck erschien. Darin schrieb er den Angehörigen einer Nation bestimmte Eigenschaften zu. Neben Ausfällen gegen alles Fremde standen Forderungen nach gleichen Bürgerrechten für alle, Aufstiegschancen für Kinder aus ärmeren Schichten, nach nationaler Bildung, nationaler Einheit. Aber dann wurde Jahn wieder zum Hitzkopf: „Hass alles Fremden ist des Deutschen Pflicht.“ 

Als Hilfslehrer in Berlin ließ er in der Hasenheide 1811 den ersten öffentlichen Turnplatz bauen. Leichtathletik und Geräteturnen standen auf dem Programm. Jahn entwickelte Übungen an Barren und Reck. Die Turner wurden straff organisiert. Nach zwei Jahren bürgerte sich die Bezeichnung „Turnvater Jahn“ ein. 

Als Napoleons auf dem Rück­zug war, meldeten sich während der Befreiungskriege viele Turner als Freiwillige zum Lützowschen Freikorps, auch Fried­rich Ludwig Jahn. In der Völkerschlacht bei Leipzig wurde Napoleon 1813 geschlagen. Die nationale Turnerbewegung erlebte eine neue Blüte. Daraus ging 1815 die erste Burschenschaft hervor. Jahns Buch „Die Deutsche Turnkunst“ wurde ein Bestseller. Er war prominent, er half, das Wartburgfest 1817 vorzubereiten.

Mit dem Mord des Burschenschafters Sand an Kotzebue und den nachfolgenden Beschlüssen von Karlsbad wurden die Nationalen zu Staatsfeinden. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. verbot das öffentliche Turnen, der Turnplatz Hasenheide wurde geschlossen, Jahn wegen staatsfeindlicher Äußerungen verhaftet. Über seinen Fall entschied der Dichter und Richter E.T.A. Hoffmann. Er hielt Jahn für einen politischen Phantasten, hinter dessen starken Worten nichts steckte, eine Schuld erkannte Hoffmann nicht. Er hätte Jahn freilassen wollen, aber fällte doch „auf Anweisung“ das Urteil: Fünf Jahre Haft. Nach seiner Entlassung stritt Jahn weiter für einen deutschen Nationalstaat. Wegen staatsfeindlicher Äußerungen, „frechen Äußerungen gegen Staat und Verfassung“, wurde er abermals inhaftiert. Er konnte eine Berufung durchsetzen, durfte sich aber künftig nicht in Berlin oder anderen Universitätsstädten aufhalten. 

Erst nachdem Friedrich Wilhelm IV. den preußischen Thron 1840 bestiegen hatte, wurde Jahn rehabilitiert. Er erhielt das aberkannte Eiserne Kreuz zurück, die Turnsperre wurde aufgehoben und Turnen zum Schulfach.

1848 in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt, hielt Jahn 1849 eine Parlamentsrede: „Mein Schild führt drei Farben: Schwarz-rot und gold, und darin steht Ehre, Freiheit, Vaterland …“

Drei Jahre später, am 15. Ok­tober 1852, starb „Turnvater Jahn“ in Freyburg an der Unstrut. Zu den Olympischen Spielen 1936 wurde er umgebettet in sein ehemaliges Wohnhaus in Berlin.