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14.06.19 / Pauschalisierendes Werk über »Rechtspopulismus«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-19 vom 14. Juni 2019

Pauschalisierendes Werk über »Rechtspopulismus«
Dagmar Jestrzemski

Erziehung prägt Gesinnung. Wie der weltweite Rechtsruck entstehen konnte – und wie wir ihn aufhalten können“ lautet der Titel einer überaus engagierten Streitschrift des Kinderarztes Herbert Renz-Polster. Auch in seinem dritten Buch beschäftigt sich der Autor (Jahrgang 1960) mit Kindererziehung, diesmal im Kontext der im Titel erwähnten aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklung. Seine Kernthese lautet: Erziehungshaltungen und politische Haltungen seien sich porentief ähnlich. Nicht allein wirtschaftliche und soziale Krisen hätten zum Erstarken der „Rechtspopulisten“ in aller Welt geführt, sondern „ein bestimmter autoritärer Erziehungsstil“. Reichlich „Sprit“ für seine These holte sich der Autor aus den Sozialwissenschaften, vor allem durch Onlinerecherche. Auch hat er sich hinsichtlich der gängigen Erziehungsmethoden in Mittel- und Westdeutschland sowie im europäischen Ausland und weltweit umgeschaut, wobei ein spannendes Buchkapitel entstanden ist. 

Im Zielfeld seiner Argumentation stehen der Rechtspopulismus „und alles, was sich auf der rechten Seite des politischen Spektrums sammelt“. Denn der Kern des „Rechtspopulismus“ sei der Autoritarismus, erklärt er ohne weitere Begründung. Für ihn persönlich aber steht bei der Definition dessen, was einen Populisten kennzeichnet, zweifellos, sozusagen als Gretchenfrage, die Einstellung einer Person zur Immigration im Fokus. So wie es nur einen richtigen, nämlich den liebevollen und vertrauensfördernden Umgang mit Kindern gibt (so weit folgt man ihm gern), so gibt es aus seinem Blickwinkel nur eine einzig richtige, nämlich die bejahende Haltung zur Immigration.

„AfD, Trump und Co.“ sowie vermutlich allen, die Immigration ablehnen, schreibt der Autor eine „neue fanatische Kälte“ zu, eine verrohte Sprache, Beschwörung von Stärke und Männlichkeit, Bewunderung von Figuren wie Donald Trump. Ja, diese gesamte Klientel sei außerstande zu lachen, was ein Gewährsmann ihm versichert habe. Überhaupt ließe sich für das Buchthema anhand des extremen Verhaltens von Trump viel gewinnen. 

Dass auch der Umfang der Zuwanderung oder ein anderer nachvollziehbarer Vorbehalt bei der persönlichen Einstellung zum Thema Immigration eine Rolle spielen könnte, wird hier nicht in Betracht gezogen. Entweder – oder, Grautöne finden sich selten in diesem teilweise enorm pauschalisierenden Werk, das sich ungeachtet des im Hintergrund erhobenen moralischen Zeigefingers einen dezidiert wissenschaftlichen Anstrich gibt. Tatsächlich zählt es zu einer hybriden Kategorie, von der sich auf dem Buchmarkt ein breites Spektrum findet.  

Sein Credo lautet: „Wir schaffen das! Ein Kulturraum, der das Christentum allmählich zivilisiert hat, wird auch für den Islam ein modernes Gewand finden.“ Ein gewisses Restrisiko müsse in Kauf genommen werden. Das ist allerdings bemerkenswert, zumal ein, wenn auch knappes Kapitel des Buches (mit entsprechend verkürzter Darstellung) die Überschrift trägt: „Nahost und Afrika: der siebte Kreis der Hölle“. Wenn aber nicht nur die Erziehung, sondern zusätzlich auch ein hartes gesellschaftspolitisches Klima wie in Nahost und Afrika die Gesinnung von Menschen nachhaltig prägt, wie er selbst postuliert, dann konterkariert Renz-Polster mit seinem Zweckoptimismus bezüglich der Integrationschancen von sehr vielen Zuwanderern mit geringem Bildungsgrad aus diesem Kulturkreis seine eigene These „Erziehung prägt Gesinnung“. Dieser Widerspruch muss ihm eigentlich bewusst gewesen sein. 

Zweckoptimismus legt er auch mit seiner Annahme an den Tag, dass die derzeitigen „rechtspopulistischen“ Strömungen sich zukünftig auflösen würden, da autoritäre Erziehungsmethoden zum Aussterben verurteilt seien.

Herbert Renz-Polster: „Erziehung prägt Gesinnung. Wie der weltweite Rechtsruck entstehen konnte – und wie wir ihn aufhalten können“, Kösel-Verlag, München 2019, gebunden, 314 Seiten, 20 Euro