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21.06.19 / Wie Deutsche unter der Chávez-Diktatur leiden / Beziehungen zwischen Deutschland und Venezuela begannen vor 500 Jahren – Rückkehrbewegung wegen sozialistischer Regierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-19 vom 21. Juni 2019

Wie Deutsche unter der Chávez-Diktatur leiden
Beziehungen zwischen Deutschland und Venezuela begannen vor 500 Jahren – Rückkehrbewegung wegen sozialistischer Regierung
Bodo Bost

Deutschland und Venezuela blicken auf eine lange Geschichte guter Beziehungen zurück. Sie begann mit dem Kolonisationsprojekt der Welser vor 500 Jahren, vor mehr als 

200 Jahren fand sie unter Alexander von Humboldt ihren Höhepunkt. Heute ist Venezuela eine sozialistische Militärdiktatur, von den einst fast 10000 Deutschen sind nur wenige geblieben. Die Zeichen stehen auf Niedergang

Der deutsche Botschafter Daniel Kriener wurde im März von der Maduro-Regierung aus Venezuela ausgewiesen. Sie warf ihm Parteinahme für die Opposition rund um den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó vor. Kriener hatte gemeinsam mit anderen Diplomaten Maduros Gegenspieler Guaidó nach einer Reise durch Amerika am Flughafen von Caracas erwartet, um zu verhindern, dass Guaidó nach seiner Rückkehr festgenommen wird. Auch ohne Botschafter arbeitet die Botschaft weiter, auch weil es noch immer Deutsche gibt, die im Lande ausharren. 

Mit der deutschen Siedlung Colonia Tovar gibt es ein Stück Schwarzwald mitten in Venezuela. Die Siedlung liegt eineinhalb Stunden südlich der Hauptstadt Caracas. 392 Badener, die 1842 vom Kaiserstuhl hierher ausgewandert waren, hatten sie einst gegründet, um der venezolanischen Landwirtschaft nach dem verheerenden Befreiungskrieg auf die Beine zu helfen. Der spätere Präsident Felipe de Tovar hatte ihnen Land geschenkt, auf dem sie Obst und Gemüse anbauen konnten. 

Fünf Generationen später setzt eine sozialistische Regierung alles daran, das zunichtezumachen. 2017 hatte die Nationalgarde nach Oppositionsprotesten auch hier eine regelrechte Menschenjagd durchgeführt und 16 junge Leute festgenommen. Von den 20000 Einwohnern der Colonia Tovar tragen noch viele heute deutsche Familiennamen. Der Ort hatte einst das höchste Pro-Kopf-Einkommen in ganz Venezuela. Der Militäraufmarsch hat den Tourismus einbrechen lassen. Die Besucherzahlen sind in den letzten Jahren um 80 Prozent zurückgegangen. Selbst das Café Muhstall oder das Hotel Frankfurt, die besten Adressen vor Ort, stehen oft leer. 

Venezuela gehörte in den 1950er Jahren zu den attraktivsten Einwandererländern weltweit, viele deutsche Heimatvertriebene fanden dort ein neues Domizil. Im Zuge des Erdölbooms der 1970er Jahre kam durch die sich in Venezuela ansiedelnden deutschen Konzerne, allen voran Mannesmann, eine größere Anzahl Deutsche zeitbefristet nach Venezuela. Viele deutsche Männer haben sich im Lande niedergelassen und einheimische Frauen geheiratet, bis zu 10000 sollen es gewesen sein, nur wenige sind geblieben. 

Die große Masse der deutschen Einwanderer in Venezuela waren keine Bauern, sondern städtische Gewerbetreibende und Geschäftsleute. Diese gründeten bereits 1894 in Venezuela eine „Deutsche Schule“ (Colegio Alemán) auf Initiative einer Gruppe Venezolaner deutscher Herkunft unter Leitung von Graf von Kleist-Tychow. Die Schule erhielt 1940 den Namen „Colegio Humboldt“. Wegen des Zweiten Weltkriegs wurde die Schule 1942 geschlossen und das ganze Vermögen enteignet. Nach Kriegsende wurde eine neue Schule 1957 nach einem Entwurf des Architekten F. W. Beckhoff gebaut. Auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Venezuela wurde die deutsche Auslandsschule Caracas ab dem Schuljahr 1998/1999 in eine Begegnungsschule umgewandelt. Trotz der sich drastisch verschlechternden wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse ist die Schule bis heute geöffnet, obwohl die meisten aus Deutschland stammenden Lehrer und Geschäftsleute heimgekehrt sind. Da das Bussystem nach zahllosen Überfällen zusammengebrochen ist, werden die Schüler alle von ihren Eltern gefahren. Da die Lebensmittel immer knapper werden, kommt es auch auf den Straßen zu immer mehr Überfällen. Und wenn es kein Wasser gibt, fällt der Unterricht aus, weil niemand auf die Toilette gehen kann. Im Durchschnitt erreichen jeden Tag nur 20 bis 50 Prozent der zirka 800 Schüler und Lehrer die Schule. 

Die „Deutsche Evangelische Predigtgemeinde zu Caracas“, die heutige St. Michaelsgemeinde, wurde am 4. Januar 1883 gegründet. Die Gemeinde besitzt heute noch die Altarbibel, die sie von Kaiserin Auguste Victoria gestiftet bekam und in die diese das Lo-sungswort hineinschrieb: „Wir wollen dem Herrn dienen, denn er ist unser Gott.“ (Josua 34,18) Diesem Losungswort ist die Gemeinde trotz widrigen Zeiten treu geblieben. 

Unter der Präsidentschaft von Hugo Chávez verschlechterten sich ab 1993 die wirtschaftlichen Bedingungen, vor allem wegen der sozialen und persönlichen Unsicherheit setzte auch eine starke Rückkehrbewegung der deutschen Einwanderer ein. Dennoch hält die St. Michaelsgemeinde mit ihrem Pastor Lars Pferdehirt ihr starkes Engagement innerhalb und außerhalb der Gemeinde aufrecht. Dazu zählen nicht nur die regelmäßigen Gottesdienste, sondern auch die Mitarbeit im deutschen Altersheim, in der Ökumene, in der Humboldtschule. Die 1959 von Monseñor Josef Maria Boos gegründete katholische Gemeinde deutscher Sprache in Venezuela hat dagegen faktisch aufgehört zu existieren. Diakon Franz Josef Weppelmann war der letzte Deutsche, der hier bis 2012 Dienst tat. 

Neben der Schule und den Kirchengemeinden gibt es in Venezuela auch Zweigstellen der deutschen politischen Stiftungen. Die stärkste Präsenz hat erwartungsgemäß die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei, die das Projekt von Nicolas Maduro unterstützt, wie noch die Reise des  Bundestagsabgeordneten Hunko von dr Linkspartei im März nach Venezuela gezeigt hat. In der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Caracas fand zu dieser Zeit ein Vortrag von Raul Zelik statt unter dem Titel: „Wie die Linken vom Experiment Venezuela lernen können.“