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21.06.19 / Brexeteers setzen auf WTO / Würde die Welthandelsorganisation einen harten Brexit abfedern?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-19 vom 21. Juni 2019

Brexeteers setzen auf WTO
Würde die Welthandelsorganisation einen harten Brexit abfedern?

Großbritanniens EU-Austritt soll laut aktuellem Stand bis Ende Ok-tober 2019 erfolgen. Erzielen die Briten und die EU bis dahin keine Einigung bei den Austrittsverhandlungen, dann steht im Herbst ein sogenannter harter Brexit bevor. Einige Brexit-Befürworter sehen einen EU-Austritt ohne einen Vertrag mit der EU sogar als einen Königsweg an, der es dem Vereinigten Königreich ermöglichen soll, ohne lange Übergangsfristen Freihandelsabkommen mit Nicht-EU-Staaten abzuschließen. Aus diesen Kreisen wird häufig das Argument angeführt, dass bei einem Scheitern von Austrittsverhandlungen automatisch die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gelten werden. Zur WTO gehören 164 Staaten, darunter auch alle derzeitigen EU-Mitgliedsländer.

Allerdings muss sich die Regierung in London auch im Fall der WTO auf längere Verhandlungen einstellen. Mit Blick auf einen harten Brexit erklärte der WTO-Generaldirektor Roberto Azevedo gegenüber dem Sender BBC: „Es wird nicht das Ende der Welt in dem Sinne bedeuten, dass der Handel stoppt und alles auseinanderfällt.“ Der Brasilianer ergänzte: „Aber es wird auch kein Spaziergang im Park“. 

Die WTO-Regeln stellen tatsächlich eine Art von Sicherheitsnetz für den britischen Außenhandel dar, wie dies die Fürsprecher eines „No-Deal-Brexit“ anführen. Allerdings erweitert sich über die WTO auch die Zahl der Akteure, die Einfluss auf Verhandlungen nehmen können.

Wie alle EU-Mitgliedsländer wurde Großbritannien bislang bei der Welthandelsorganisation von der EU vertreten. Treten die Briten aus der EU aus, dann gilt für sie nicht mehr der Rahmenvertrag, den die EU und die WTO abgeschlossen haben. Als Folge muss der Status von Großbritannien in Verhandlungen neu geregelt werden. Unter anderem müssen die Briten bei der WTO neue Verpflichtungslisten vorlegen, in denen Marktzugangsverpflichtungen beschrieben werden. Auch hierbei sitzt die EU wieder mit am Tisch. Den Verpflichtungslisten müssen aber auch sämtliche WTO-Mitgliedsländer zustimmen. 

Für London könnte vor allem die Frage der Zollkontingente noch viel Kompromissbereitschaft abverlangen. Dabei geht es um Einfuhrmengen, die entweder zollbegünstigt oder zollfrei eingeführt werden können. Großbritannien und die EU haben sich bereits auf eine Aufteilung der bisher gemeinsamen Einfuhrkontingente geeinigt. 

Allerdings scheinen einige WTO-Staaten die Neuregelung auch als Chance zu sehen, insbesondere ihre Agrarexporte nach Europa auszubauen. Bereits im letzten Herbst informierte der britische Handelsminister Liam Fox das Parlament darüber, dass einige Länder die geplante Aufteilung der Kontingente zwischen der EU und Großbritannien nicht mittragen wollen. 

Entgegenkommen wird dabei offenbar nicht nur von den Briten erwartet. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg vom November 2018 erwartet ein Dutzend Staaten mit hohen Agrarexporten, darunter wirtschaftliche Schwergewichte wie China und die USA, auch von der EU Entschädigungen für mögliche Handelsverluste.N.H.