27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.06.19 / Eine Währungsordnung der Sieger für die Welt / In Bretton Woods schufen vor 75 Jahren Delegierte aus 44 Staaten das nach dem US-Ort benannte System

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-19 vom 21. Juni 2019

Eine Währungsordnung der Sieger für die Welt
In Bretton Woods schufen vor 75 Jahren Delegierte aus 44 Staaten das nach dem US-Ort benannte System
Wolfgang Kaufmann

Vor 75 Jahren wurde auf der Konferenz von Bretton Woods eine grundlegende Neuregelung der internationalen Finanzwirtschaftsbeziehungen vorgenommen. Dabei folgten die Teilnehmer im Wesentlichen den Vorstellungen der Regierung der Vereinigten Staaten. Allerdings wies das so entstandene System der festen Wechselkurse mit dem US-Dollar als Leitwährung gravierende Mängel auf. Und es sorgte auch nicht – wie später oft kolportiert – für den Wirtschaftsaufschwung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

1944 waren die USA aufgrund ihrer Waffenverkäufe und Rüstungskredite zum weltweit größten Gläubiger geworden, während Großbritannien, der langjährige währungspolitische Hauptkonkurrent der Vereinigten Staaten, kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Diese vollkommen unterschiedlichen Positionen hinderten die beiden Alliierten indes nicht daran, sich gemeinsam um die Schaffung einer neuen globalen Wirtschafts- und Währungsordnung zu bemühen. Den Höhepunkt der diesbezüglichen Aktivitäten stellte die United Nations Monetary and Financial 

Conference dar, die vom 1. bis zum 22. Juli 1944 im illustren Mount Washington Hotel in Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire abgehalten wurde und an der 730 Delegierte aus 44 Ländern teilnahmen.

Im Vorfeld hatten britische und US-amerikanische Experten Vorschläge für konkrete Regelungen gemacht, welche die sehr stark abweichenden Interessen der beiden westlichen Führungsmächte der Anti-Hitler-Koalition widerspiegelten. John Maynard Keynes, der Chefunterhändler Londons, forderte angesichts des starken Handelsdefizits des Empire flexible Wechselkurse und die Schaffung einer internationalen Verrechnungseinheit namens Bancor. Denn nur so war es nach Ansicht des renommierten Ökonomen möglich, den einzelnen Volkswirtschaften hinreichenden geldpolitischen Spielraum zu geben, beispielsweise für Abwertungen. Dagegen präferierte Harry Dexter White, die rechte Hand des US-Finanzministers Henry Morgen­thau – und wie sich später herausstellen sollte, auch ein Agent Mos­kaus – weitestgehend feste Wechselkurse, wobei der US-Dollar als weltweite Leitwährung fungieren sollte. Im Gegenzug versprachen die Verei­nig­ten Staaten, dass der Dollar jederzeit zu einem dauerhaft unveränderlichen Kurs von 35 US-Dollar pro Feinunze in Gold umgetauscht werden könnte. Und tatsächlich setzte sich der nach sowjetischem Vorbild planwirtschaftlich denkende White am Ende durch, was Keynes dazu veranlasste, die Konferenz als „Affenhaus“ zu bezeichnen.

Der Erfolg der USA resultierte vor allem aus der totalen Abhängigkeit des ja immer noch Krieg führenden Empire von weiteren Krediten Washingtons. Darüber hinaus wurden die kleineren Teilnehmerstaaten auf die US-amerikanische Linie eingeschworen, indem man ihnen großzügige Wirtschaftshilfen versprach, die sie dann allerdings nur zum Teil oder gar nicht erhielten. Am Ende der Zusammenkunft von Bretton Woods hatten die USA den Kampf mit den Briten um die künftige Hegemonie über die Weltwirtschaft in jeder Hinsicht gewonnen und das Pfund Sterling als Währung komplett deklassiert. Deshalb dominierten sie auch die beiden Institutionen, die nun das Funktionieren des sogenannten Bretton-Woods-Systems gewährleisten sollten. Das war zum einen die International Bank for Reconstruction and Development (IBRD, Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) und zum anderen der International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds, IWF).

Obwohl die von den USA oktroyierte und kontrollierte neue Wirtschafts- und Finanzordnung gravierende Mängel aufwies, wurde in der Vergangenheit immer wieder behauptet, sie habe nach dem Zweiten Weltkrieg für Wachstum und Wohlstand gesorgt. Tatsächlich jedoch förderte sie vor allem die Inflation und untergrub das Vertrauen in den US-Dollar. Der Aufschwung ab 1945 resultierte hingegen aus der weit verbreiteten Ablösung des planwirtschaftlichen Interventionismus durch eine soziale Marktwirtschaft, die vielfältige unternehmerische Kräfte freisetzte. 

Das schwerste Manko des Bretton-Woods-Systems bestand in der Unmöglichkeit, die zu 98 Prozent festgeschriebenen Wechselkurse aufrecht zu erhalten, wenn die am freien internationalen Zahlungsverkehr beteiligten Länder dazu übergingen, eine eigenständige Geldpolitik zu betreiben, und ihre wirtschaftliche Entwicklung parallel dazu unterschiedlich verlief. Des Weiteren brachten die USA bald immer größere Mengen an Dollars in Umlauf, weil sie kostspielige militärische Abenteuer zu finanzieren hatten und in wachsendem Maße über ihre Verhältnisse lebten. Gleichzeitig benötigte der expandierende Welthandel aber auch ständig mehr Dollars. Dadurch wurde die in Bretton Woods zugesicherte unbeschränkte Einlösung in Gold schließlich vollkommen unmöglich. Das sah der französische Staatspräsident Charles de Gaulle bereits 1965 voraus, weshalb er die Dollar-Reserven der Grande Nation in Gold umtauschen ließ, was ein politisches Beben auslöste.

Das Ende der nominalen Goldbindung der Währung der Verei­nig­ten Staaten kam jedoch erst am 15. August 1971, als US-Präsident Richard Nixon eine entsprechende Verlautbarung abgab – da lag der Wert der US-amerikanischen Gold­reserven in Fort Knox gerade mal noch bei zwölf Milliarden Dollar, während die Bretton-Woods-Staaten ihrerseits Dollars im Wert von mehr als 50 Milliarden horteten. Trotzdem erfolgte der Zusammenbruch des Systems der praktisch stabilen Wechselkurse nicht sofort, sondern erst einige Zeit später, weil die westlichen Zentralbanken zunächst versuchten, es durch allerlei aufwändige Interventionen künstlich am Leben zu erhalten. Schließlich aber beschlossen im März 1973 mehrere europäische Staaten, ihre Währungen nicht mehr am Dollar zu fixieren und freie Wechselkurse einzuführen. Damit war der Durchbruch erzielt, woraufhin die Vereinbarungen von Bretton Woods bald offiziell außer Kraft gesetzt wurden.

Ungeachtet dieses vollumfänglichen Scheiterns werden heute angesichts der globalen Herausforderungen verschiedentlich Rufe nach einem „neuen Bretton 

Woods“ laut. Dann allerdings müsste entsprechend der Logik von 1944 der chinesische Yuan an die Stelle des US-Dollars treten, weil Peking nunmehr der größte internationale Gläubiger geworden ist, während die USA auf einem gigantischen Schuldenberg sitzen, sich also jetzt quasi in der Rolle befinden, die Großbritannien seinerzeit innehatte.