29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.06.19 / »Ich bereue nichts« / Der Königsberger Journalist Igor Rudnikow saß jahrelang in Haft – Nun hat er ein Buch veröffentlicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-19 vom 21. Juni 2019

»Ich bereue nichts«
Der Königsberger Journalist Igor Rudnikow saß jahrelang in Haft – Nun hat er ein Buch veröffentlicht
Evgeny Dvoretski

Die PAZ berichtete bereits über den Königsberger Journalisten und ehemaligen Stadtratsabgeordneten Igor Rudnikow, der am 17. Juni nach 592 Tagen Untersuchungshaft freigelassen wurde. 

Im Dezember 2017 wurde Igor Rudnikow von der Andrej-Sacharow-Jury für „handelnden Journalismus“ mit dem Preis „Für Mut“ ausgezeichnet. Am 6. Februar 2018 erkannte die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ ihn als politischen Gefangenen an. 

Vor Kurzem schrieb der Journalist hinter Gittern sitzend ein Buch, das seine Freunde unter dem Titel „Republik Königsberg“ in dem Königsberger Verlag „Wir leben“ in einer Auflage von 1000 Exemplaren herausgegeben haben. 

Während der langen Zeit hinter Gittern befand Rudnikow sich in zwei Untersuchungsgefängnissen, einem in Königsberg und einem in Moskau, in dem bekannten historischen Gefängnis „Lefortowo“, in dem man zur Zarenzeit politische Verbrecher einsperrte. Dort schrieb er auch sein Buch. Der Geheimdienst FSB hatte ihn  nach St. Petersburg überführt, wo die Gerichtsverhandlung stattfinden sollte. 

In Königsberg fanden weiterhin Treffen und Aktionen zur Unterstützung des Journalisten statt, der  beschuldigt wurde, vom General des Ermittlungskomitees 50000 US-Dollar dafür verlangt zu haben, dass er  nichts über ihn  schreibe. Der General stellte Rudnikow eine Falle: Er schob dem Journalisten Dollarnoten unter, dazu noch gefälschte. Für den Besitz gefälschter Banknoten drohte ihm eine zusätzliche Haftstrafe.

Rudnikows Buch enthält zwei Novellen. Die erste heißt: „Der Schatten des Gouverneurs auf dem Berg des Königs“ und die zweite „Republik Königsberg“. Beide Novellen sind im Geiste der Phantasmagorie verfasst, einer Literaturgattung, in der sich das Reale mit dem Fantastischen verbindet, das sich aus bizarren Bildern, Visionen, Fantasien, Chaos, Verwirrung und Groteske zusammensetzt. In den Erzählungen trifft die Vergangenheit auf die Gegenwart, Tschekisten des FSB verüben einen Putsch und rufen die Republik Königsberg aus, der Chef des Königsberger FSB unterhält sich mit dem Schatten des Dichters E.T.A. Hoffmann und dessen Kater Murr, und ein junger, ehrgeiziger Gouverneur streitet mit seinem eigenen Schatten, der ihn schließlich verlässt.

Der Raum, der als Republik Königsberg bezeichnet wird, erinnert an eine gotische Horrorgeschichte und die düsteren Fantasien Hoffmanns, den russischen Satiriker Michail Saltykow-Schtschedrin, aber eher noch – an unsere gemeinsame Realität, das 21. Jahrhundert. Wie in einem Schmelztiegel vermischen sich Zeiten und Menschen, russische Geschichte und deutsche, Schwarz und Weiß, helle Tage und die Nachtwelt der Gespenster.

Wozu diese Gattung? Die bloße Tatsache der absurden Anschuldigungen hat das Genre vorgegeben. Der Autor dieser Zeilen hat das Buch in einem Atemzug in zwei Stunden durchgelesen. Vor Kurzem erreichte ihn ein Brief Rudnikows aus dem Untersuchungsgefängnis an seine Hamburger Privatadresse, mit russischen Briefmarken und der Adresse des Untersuchungsgefängnisses Nr. 1 in Kolpino bei St. Petersburg versehen. Dieser Brief zeugt von der Willenskraft des Menschen, der Überzeugung, dass am Ende die Gerechtigkeit siegt. Einige Zeilen aus dem Brief:

„Ich tue alles dafür, dass meine Gesundheit erhalten bleibt – in der Freiheit werde ich sie brauchen … In der Zelle beschäftige ich mich ständig mit sportlichen Übungen, mache Liegestützen … Ich bereue nichts. Im Leben gibt es harte Prüfungen. Mir tut meine Mutter Leid (Sie ist 80 Jahre alt und lebt in Lettland, E.D.). Nur vor ihr fühle ich mich schuldig. Nach einem Jahr Haft erlaubten sie mir, mit ihr zu telefonieren. Jetzt unterhalten wir uns zweimal pro Monat. Alles andere geht vorüber.“

Soweit einige persönliche Zeilen aus dem Brief. Auf der Seite der Zeitung „Novye Koljossa“, deren Chefredakteur Rudnikow war, wurde aus dem Brief Folgendes veröffentlicht: 

„Ich lebe in Erwartung der Freude. Im Gefängnis hat man Zeit, über Verschiedenes nachzudenken. Und ich kann sagen, dass  trotz allem, was mit der Inhaftierung in der russischen Untersuchungshaftanstalt verbunden ist – Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Schmutz, Demütigung und andere Einschränkungen –, ich mich immer noch als glück-licher Mensch fühle. Alles Elend und die Schwierigkeiten verblassen vor dem Gedanken an die ersten Minuten, Stunden und Tage der Freiheit. Die Vorfreude auf diesen Moment kann man unendlich genießen. Sie erhellt und erwärmt die dunkle und kalte Zelle. Man kann ständig daran denken, sich wunderbare Bilder ausmalen, Menschen treffen und umarmen, Verwandte und Freunde. Denjenigen danken, die einen in der Not unterstützt haben. Einfach durch die Stadt gehen. Natürlich weiß keiner, wann das sein wird. Aber daran, dass es so kommt, zweifle ich nicht. In meinem Herzen scheint immer die Sonne.“