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21.06.19 / Des Kaisers Keramik / Cadiner Majolika

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-19 vom 21. Juni 2019

Des Kaisers Keramik
Cadiner Majolika
Jörn Barfod

Im Jahre 1898 erwarb Wilhelm II. das Gut Cadinen, im Kreis Elbing am Frischen Haff gelegen. Dort bestand schon eine Tonröhren- und Backsteinproduktion aus dem lokal anstehenden Ton. Wohl 1902 begann man mit der Herstellung von Kunstkeramik, nach einer kurzen Testphase wurden 1904 die Königlichen Majolikawerkstätten gegründet. Der Kaiser bestimmte vielfach selbst das Produktionsprogramm. 

Entsprechend damaliger Mode entstanden Geschirre und Figuren nach historistischem Geschmack, besonders Nachbildungen nach der Antike und der italienischen Renaissance mit ihrer Keramik, der Majolika, die dem ganzen Unternehmen ihren Namen gab. Es gab aber auch Arbeiten nach Entwürfen im Jugendstil. Als zweite bedeutende Abteilung entstand die Baukeramik, die zumeist in den Formen der Neurenaissance Wandgestaltungen lieferte und Fliesenbilder. Wilhelm II. versuchte, mit diesen Dekorationskeramiken, die vielfach in öffentlichen Gebäuden zum Einsatz kamen, zur Geschmacksbildung des Volkes beizutragen. 

Nach 1918 setzte man die Herstellung von Gefäßen, Geschirren und Kleinplastiken fort. Als Besonderheit kamen Kachelöfen nach alten Vorbildern hinzu, Baukeramik nach modernen Entwürfen wurde später ebenfalls wieder geliefert. Ab Ende der 1920er Jahre wurde im Gefäßdekor die Farbkombination kobaltblau–rot–gold besonders charakteristisch für Cadiner Geschirre. Formen und Dekore der Cadiner Produktion orientierten sich in den 1920er und 30er Jahren weitgehend am Jugendstil und der expressiven Ornamentik. Als erfolgreiche Sparte entstand um 1930 eine rege Tierfigurenherstellung. 

Wilhelm hatte auch aus dem Exil noch ein besonderes Auge auf die Cadiner Keramik und ließ sich weiterhin die neuen Entwürfe zur Genehmigung vorlegen. Hatte man nach 1918 vorübergehend das ursprüngliche Cadiner Manufakturzeichen, den Schriftzug CADINEN unter der Kaiserkrone, ersetzt, so kam es im Laufe der 1920er Jahre wieder in Gebrauch und galt bei manchen Käufern nicht zuletzt als ein Bekenntnis zum vormaligen Kaiserhaus. Neben der Kunstkeramik lief auch die Tonziegelproduktion weiter. 1936 entstand eine vollautomatische Klinkerfabrik. Die Keramikherstellung des Cadiner Stils endete mit dem Kriegsende 1945. 

Später wurde polnischerseits die Baustoffherstellung wiederaufgenommen, vorübergehend auch eine einfache Keramikproduktion, vor allem für den Wiederaufbau von Danzig. Eine kurzzeitige Kunstkeramikherstellung konnte in Bedeutung und Qualität nicht an den Vorkriegsstand anschließen. Heute sind die Fabrikationsgebäude verlassen und in starkem Verfall begriffen. Die Cadiner Keramik hingegen ist ein besonders in Deutschland und Polen beliebtes Sammelgebiet für Spezialisten geworden. Die zu erzielenden Antiquitätenpreise locken auch schon lange zur Herstellung von Fälschungen.


Dr. Jörn Barfod ist Kustos am Ostpreußischen Landesmuseum.