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28.06.19 / Fischer kritisiert Merkel / Ex-Vizekanzler sprach vom »Fluch über dem deutschen Kanzleramt«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-19 vom 28. Juni 2019

Fischer kritisiert Merkel
Ex-Vizekanzler sprach vom »Fluch über dem deutschen Kanzleramt«
Bodo Bost

Nach Ansicht Joschka Fischers hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den richtigen Zeitpunkt für ihren Rück­zug verpasst. Der grüne ehemalige Vizekanzler und Außenminister verglich Merkel in diesem Zusammenhang mit dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer, der nicht aufhören konnte und so den richtigen Zeitpunkt für den Abtritt verpasste. Fischer sprach in dieser Hinsicht sogar von einem „Fluch über dem deutschen Kanzleramt“. 

Anlass zu dieser Kritik gab ihm ein Aufenthalt in Österreich, wo der 71-Jährige in seiner Eigenschaft als Berater und Lobbyist unterwegs war. Dort stellte er sich Fragen von Schülern eines Gymnasiums und der Lokalzeitung in Vorarlberg. 

Bei der Gelegenheit äußerte er sich auch kritisch gegenüber grünen Forderungen nach Verzicht zugunsten des Klimaschutzes. Anders als weite Teile seiner Partei setzt der Realo-Grüne in der Klimapolitik erklärtermaßen statt auf Verzicht auf technischen Fortschritt und die Wirtschaft. Die Grünen könnten nicht das erreichen, was 2000 Jahre Christentum nicht erreicht hätten, nämlich aus Verzicht eine Geisteshaltung eines ganzen Volkes zu machen. Auf Mobilität könne nicht verzichtet und sie könne auch nicht ersetzt werden, die Grünen seien nicht naiv. Positiv äußerte sich Fischer über die von Greta Thunberg angeführten „Fridays for Future“-Jugendproteste. Die Jugend müsse sich Gedanken über ihre Zukunft machen, da es ja um sie gehe. Frühvergreiste 16-Jährige gäbe es bereits zur Genüge.

Zur Außenpolitik meinte der Ex-Außenminister, Europa drohe im Duell bei technologischen Innovationen zwischen den USA und China wirtschaftlich unterzugehen. Er nannte als Beispiel die aktuelle Situation um Huawei und die deutsche Autoindustrie. Wenn die EU nicht umsteuere, werde sie im Wettkampf mit China endgültig ins Hintertreffen geraten. China habe bereits vier vergleichbare Plattformen wie Silicon Valley, während es in Europa keine einzige gebe. Während China bereits Entscheidungen treffe, werde in Europa erst diskutiert, beklagte Fischer. Die EU habe sich immer von Krisen treiben lassen, Strategien für die Zukunft seien dabei zu kurz gekommen, erklärte er und interpretierte hingegen die hohe Wahlbeteiligung bei den jüngsten Europawahlen als ein Hoffnungszeichen. Sein Instinkt sage ihm, dass sich Europa „an der Schwelle eines Aufbruchs befindet“. Die Parteien seien nun herausgefordert, etwas aus dem Vertrauensvorschuss der Wähler zu machen.

Zu seiner eigenen Partei befragt, erklärte Fischer, dass Deutschlands Grüne wegen der SPD-Schwäche jetzt eine „gewaltige Verantwortung“ hätten. Den Grünen spiele „das Drama der deutschen Sozialdemokratie“ in die Karten. Fischer, der Architekt der ersten rot-grünen Bundesregierung, sieht Deutschland in einer „Übergangsphase“, ohne zu sagen, wohin die Reise seines Erachtens geht. 

Die SPD sieht Fischer noch nicht am Ende. Die SPD sei immer mehr als nur eine parlamentarische Partei gewesen, nämlich die Garantin für die deutsche Demokratie. Daraus erwachse ihr auch heute eine gewaltige Verantwortung, auch gegenüber den Grünen, sagte Fischer in Anspielung auf Umfragen, nach denen die Grünen doppelt so stark sind wie die SPD.