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28.06.19 / Neue Grenzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-19 vom 28. Juni 2019

Neue Grenzen
Vera Lengsfeld

Die Bernauer Straße in Berlin ist weltberühmt. Dort befinden sich zwischen dem S-Bahnhof Nordbahnhof und dem U-Bahnhof Bernauer Straße die Gedenkstätte Berliner Mauer, Reste der Mauer, ein alter Wachturm im Osten, eine Beobachtungsplattform im Westen und freigelegte Fluchttunnel.

Die Bernauer Straße erlangte 1961 ihre traurige Berühmtheit, da die Häuser im Osten Berlins standen, der Bürgersteig zum Hauseingang aber zum Westen zählte. So seilten sich nach dem Mauerbau viele Ost-Berliner in den Westen ab, bis man die Fenster zumauerte und später die Häuser abriss.

Wir feiern den 30. Jahrestag des Mauerfalls und übersehen, dass auf dieser Straße noch heute eine Demarkationslinie verläuft. Die  Linie trennt heute Leser von Nicht-Lesern.

2001 wurde der Ost-Bezirk Mitte neu gegründet und mit den Bezirken Tiergarten und Wedding (beide Westen) vereint. Bei den Bezirksregionen im Bezirk Mitte gibt es die Profile Brunnenstraße Nord und Brunnenstraße Süd. Nord und Süd werden durch die Bernauer Straße getrennt. Endet die Region Brunnenstraße Süd am U-Bahnhof Rosen­thaler Platz, kurz vor dem Alexanderplatz, so endet die Region Brunnenstraße Nord am U-Bahnhof Gesundbrunnen.

Die unsichtbare Grenze spiegelt sich in den Profilen, die kürzlich vom Bezirksamt Mitte herausgegeben wurden.

Nord: „Über 85 Prozent der Kinder und  Jugendlichen unter 18 Jahren haben einen Migrationshintergrund, das ist der höchste Wert im Bezirk. Der Migrationshintergrund besteht jedoch nur im statistischen Sinne, die meisten Kinder und Jugendlichen haben keine eigene Migrationserfahrung.“ 

Süd: „Jeder vierte Einwohner/-in hat einen ausländischen Pass. Dieser Wert liegt unter dem bezirklichen Durchschnitt. Es handelt sich hierbei um keine homogene Gruppe, sie unterscheiden sich nach Dauer des Aufenthalts, Herkunftsland, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, Lebensläufen und vor allem ihrer sozialen Lage.“

Das heißt, Berlin-Mitte ist reich und gebildet, der angrenzende Wedding ist arm und bildungsfern. Das zeigt sich besonders an der Anzahl der Buchhandlungen. Für den Wedding (Brunnenstraße Nord) werden lediglich zwei und für Alt-Mitte (Brunnenstraße Süd) 32 Buchhandlungen angegeben.

Natürlich muss man seine Bücher nicht im eigenen Viertel kaufen und der größte Buchhändler, Amazon, hat 24 Stunden am Tag geöffnet. Aber nach den hier aufgeführten Fakten dürfte sich das Bild der auseinanderdriftenden sozialen Schichten in der  Hauptstadt Berlin bestätigen. Die Frage, wo gibt es Buchhandlungen und wo nicht, hilft, das Wohnumfeld einzuschätzen.