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28.06.19 / »Auspressen, bis die Kerne quietschen« / Aus dem Kriegsschuldartikel 231 des Versailler Diktates ergaben sich enorme Wiedergutmachungsforderungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-19 vom 28. Juni 2019

»Auspressen, bis die Kerne quietschen«
Aus dem Kriegsschuldartikel 231 des Versailler Diktates ergaben sich enorme Wiedergutmachungsforderungen

Aufgrund des Kriegsschuldartikels 231 galten nun „Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich …, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben“. 

Zuerst Belgien und dann Frankreich waren Hauptkriegsschauplätze gewesen, und die dortigen Kriegszerstörungen waren in der Tat und auch von deutscher Seite unbestritten groß. Das Problem war, dass Großbritannien kein Kriegsschauplatz gewesen war und sich die Kriegszerstörungen auf versenkte und gekaperte Schiffe beschränkten. Da hatte der südafrikanische Delegationsleiter, General Jan Christian Smuts, eine rettende Idee. Auf seinen Vorschlag hin wurden auch sämtliche Pensionen und Renten für Invaliden und Kriegshinterbliebene mit zu den Schäden gezählt. Damit hatten nun auch Mächte fernab vom Schuss wie Großbritannien hohe Ansprüche gegenüber Deutschland und die Voraussetzung war geschaffen, „die deutsche Zitrone auszupressen, bis ihre Kerne quietschen“, um es mit dem britischen Wirtschaftsmanager, Parlamentsabgeordneten und Minister Eric Geddes zu sagen. 

Es ergab sich eine derart hohe Gesamtforderung gegenüber Deutschland, dass die alliierten und assoziierten Mächte bereits gleich nach dem Kriegsschuldartikel 231 im Artikel 232 feststellten, „daß die Hilfsmittel Deutschlands unter Berücksichtigung ihrer dauernden, sich aus den übrigen Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags ergebenden Verminderung nicht ausreichen, um die volle Wiedergutmachung aller dieser Verluste und Schäden sicherzustellen“.

Zur Erstellung der Gesamtrechnung sollte ein sogenannter Wiedergutmachungsausschuss gebildet werden. Diesem interalliierten Ausschuss sollte je ein Mitglied samt Stellvertreter aus den fünf Hauptsiegermächten sowie Belgien und dem späteren Jugoslawien angehören. Ein Mitglied der Kriegsverlierer war nicht vorgesehen. Der Ausschuss kam 1921 auf eine Reparationssumme von 132 Milliarden Goldmark. 

Eine Goldmark entsprach 0,358423 Gramm Feingold. 132 Milliarden Goldmark entsprachen also über 47 Milliarden Gramm Gold beziehungsweise 47 Millionen Kilogramm Gold beziehungsweise 47000 Tonnen Gold. Ein Gramm Gold kostete am 21. Februar 38,09 Euro. 132 Milliarden Goldmark entsprechen demzufolge über 1,8 Billionen Euro.

Außer über die Gesamtsumme hatte der Wiedergutmachungsausschuss auch noch zu entscheiden, in welchen Raten Deutschland die Summe bis 1941 bezahlen sollte.

Bis Versailles war es üblich gewesen, im Krieg zwischen dem Eigentum des feindlichen Staates und dem Privateigentum von dessen Bürgern zu unterscheiden. Letzteres galt zumindest in der Theorie noch als sakrosankt. Hiermit brach Versailles. Obwohl sich die deutsche Handelsflotte und die deutschen Auslandsguthaben größtenteils nicht in Staats-, sondern in Privatbesitz befanden, ließen sich die Siegermächte von Deutschland das Eigentum an neun Zehntel der deutschen Handelsflotte und am gesamten deutschen Auslandsvermögen übertragen. 

Abgesehen vom Regelbruch traf der Verlust fast der gesamten Handelsflotte und des gesamten Auslandsvermögens Deutschland als importabhängige Exportnation besonders schwer.

Ein weiterer Wettbewerbsnachteil gegenüber den Siegermächten war, dass Deutschland ihnen fünf Jahre lang die Meistbegünstigung einräumen musste, und das wohlgemerkt ohne Gegenseitigkeit. 

Hinzu kamen die Verpflichtung Deutschlands zu diversen Material- und Tierlieferungen, welche die Ernährungslage der Deutschen zusätzlich erschwerten. So mussten elf Prozent des Rinder- und ein namhafter Teil des Kleinviehbestandes abgetreten werden.

Zum Abschluss noch eine Petitesse, der Artikel 274, der sogenannte Champagnerparagraf. Dort hieß es: „Deutschland verpflichtet sich … die Ein- und Ausfuhr sowie für das Inland die Herstellung, den Umlauf, den Verkauf und das Feilbieten aller Erzeugnisse oder Waren zu unterdrücken und zu verhindern, die auf dem betreffenden Gegenstand selbst oder seiner unmittelbaren Aufmachung oder seiner äußeren Verpackung irgendwelche Marken, Namen, Aufschriften oder Zeichen tragen, welche unmittelbar oder mittelbar falsche Angaben über Ursprung, Gattung, Art oder charakteristische Eigenschaften dieser Erzeugnisse oder Waren darstellen.“ Erst seitdem gibt es bei uns aus hei­mischer Produktion keinen Cognac mehr, sondern nur noch Weinbrand oder Branntwein sowie keinen Champagner mehr, sondern nur noch Schaumwein oder Sekt.M.R.