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28.06.19 / Das Elend der Diplom-Demokraten / »Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal«: Immer weniger Politiker haben eine eigene Vorstellung vom Leben des gemeinen Volkes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-19 vom 28. Juni 2019

Das Elend der Diplom-Demokraten
»Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal«: Immer weniger Politiker haben eine eigene Vorstellung vom Leben des gemeinen Volkes
Volker Wittmann

Im Bundestag sind Akademiker beinahe unter sich. Nicht bloß, dass sich das Hohe Haus damit vom Volk entfernt. Auch sind viele der Titel nicht einmal annähernd so glanzvoll, wie sie in der Öffentlichkeit erscheinen sollen. 

Abgeordnete des Bundestags sollen gemäß Grundgesetz das ganze Volk vertreten. Stattdessen schweben sie ganz oben drüber. Rund 80 bis 90 Prozent aller Mitglieder des Hohen Hauses haben einen Hochschulabschluss. Hoch, höher, noch höher: Der Anteil der Großkopferten steigt von einer Legislaturperiode zur nächsten. Das Handbuch des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung nennt Deutschland deshalb eine „Akademiker-Republik“. Doch nur 14 von 100 Bürgern sind so gebildet. Von den übrigen 86 „werden ,die da oben‘ als fremd und weit entfernt von den eigenen Problemen wahrgenommen“. So sieht es Armin Schäfer, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Osnabrück, mit Blick nach unten.

Im Missverhältnis zwischen „Diplom-Demokraten“ und Durchschnitts-Denkern sieht der belgische Historiker David Van Reybrouck die Quelle des Populismus. Eine kopflastige und praxisferne Politkaste habe selbst die Politikverdrossenheit hervorgebracht. Mit Reybrouck darf man getrost von einem demokratischen Skandal sprechen. Gebührend harsch handelt der in Berlin lebende Verfasser die Bildungspatrizier ab. Lobgesänge von „Qualitäts-Journalisten“ auf den Götterwohnsitz Asgard zu Berlin vergrößern das Ärgernis. 

Die Universitäten, wo Akademiker gedeihen, sind als Brutstätten politischer Korrektheit verrufen. Dort geben Ideologen den Ton an, die alle Menschen zu ihrem mutmaßlichen Glück zwingen wollen. Sendungsbewusstsein hat schon mehr Unheil über die Welt gebracht als alle unpolitischen Alltagsverbrecher zusammen. Zudem wird man an Hochschulen damit verwöhnt, vergleichbar gebildetes Volk anderer Länder vor sich zu haben. Folglich kommen Abgeordnete mit diesem Vorlauf gewöhnlichen Landsleuten gern globalisiert, gegendert, grün, und multikulturell daher. 

Derweil muss sich Otto Normalverbraucher auch mit dem Problempotenzial auseinandersetzen, das eine unkontrollierte, gesetzwidrige Zuwanderung ins Land spült. Abenteuerliche Asyl- und Ausländerpolitik lockt Terroristen, Fanatiker und gewöhnliche Kriminelle geradezu an. Die 86 Prozent ohne akademische Trimmung können dem Multikulti-Traum folglich wenig abgewinnen.

Ferner ist bis in die Niederungen von Pisa vorgedrungen, wie vielen „Diplom-Demokraten“ es an praktischer Erfahrung gebricht. So hat sich Hubertus Heil von der SPD nie außerhalb der Politik betätigt. Ungeachtet dessen leitet er ausgerechnet das Ministerium für Arbeit. Parteigenosse und Außenminister Heiko Maas ist Jurist, hat aber seinen Beruf niemals ausgeübt. Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU bezwang zwei Studiengänge und saß 16 seiner 43 Jahre im Bundestag. Mithin hatte er gar keine Zeit, einem gewöhnlichen Brotverdienst nachzugehen. 

„Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ sind die Stationen des Politikers von heute. Von den 67 Abgeordneten der Grünen haben ganze sieben einen Beruf erlernt. 

Eine der wenigen Ausnahmen bildet Flugzeugführer Thomas Ehrhorn von der AfD. Die „Berliner Zeitung“ zählt ihn zu den „Exoten“ unter den 709 Bankdrückern im Reichstag. Exoten sind seltene Gewächse, die meist auf der roten Liste bedrohter Arten stehen. Auch Detlef Müller, SPD, gehört dazu. Er hat als Lokführer seinen Traumberuf gefunden. „Man ist Herr über eine gewaltige Maschine mit 4000 PS“, schwärmt er und mahnt zugleich, „das ist eine große Verantwortung“.

Zu seinen Parlamentskollegen meint Müller: „Allerdings gibt es viele Abgeordnete, die ausschließlich in der Politik Karriere gemacht haben. Das finde ich problematisch, denn als Abgeordneter geht es doch um die Erfahrung, die man aus dem Alltag mitbringt. Ich glaube, dass mein früherer Beruf mich erdet. Ich lasse mich von dem Berliner Rummel nicht verrückt machen. Ich weiß immer: Es gibt auch noch eine andere Welt.“  

In der einen Welt blendet meist, was golden glänzt. Im Lebenslauf seines Parteigenossen, des Abgeordneten Frank Schwabe, prangt: „Studium der Volkswirtschaftslehre in Osnabrück und der Landespflege, Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie in Essen.“ Hört sich gewichtig an. Schwabes Schönheitsfehler: Er hat davon nichts zu Ende gebracht. Vorlesungen zu lauschen ist das eine. Sich der Prüfung von Kenntnis und Verständnis umfangreicher Stoffe zu stellen, ist etwas anderes.

Parteigenossin Petra Hinz tat weder das eine noch das andere. Sie saß elf Jahre im Bundestag, gab vor, Anwältin zu sein, hatte jedoch keines der beiden juristischen Staatsexamen abgelegt, noch besaß sie die Hochschulreife, alles frei erfunden. Zurzeit sieht sich die sozialdemokratische Familienministerin Franzis­ka Giffey Vorwürfen ausgesetzt, sie habe beim Erwerb des Doktorgrads der Freien Universität Berlin geschummelt. Ein beträchtlicher Teil der Bildungsblase scheint Schaumschlägerei zu sein.

Dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg von der CSU wurde sein akademischer Grad deshalb aberkannt. Das konnte er aber bei der Fülle anderer Titel sicherlich verschmerzen. Er hatte große Teile seiner Dissertation abgeschrieben, ohne die Quelle zu nennen. Ebenso erging es der einstigen Bildungsministerin Annette Schavan von der CDU. Beide mussten von ihren Ämtern zurücktreten. 

Wenn ihnen keine bessere Ausrede für Unzulänglichkeit einfällt, reden Volksvertreter von „Sach­zwängen“. Dazu lassen „Diplom-Demokraten“ gern ihre Titel heraushängen. Damit sollen ihre Angaben an Gewicht gewinnen. Wenn es ein Doktor sagt, muss doch was dran sein. Kennzeichnend für solche Luftnummern ist emsiger Gebrauch von Fremdwörtern. Talkshow-tauglich durchgestylt empfinden viele Politiker riechende Kinder des Volkes offenbar als Zumutung. Jedenfalls bekunden manche ihr Bemühen, sich vom „Pack“ abzugrenzen. Glatte Oberflächen ohne           Ecken und Kanten erleichtern es, in alle verfügbaren Rollen zu schlüpfen: gestern Justizminister, heute Außenminister, morgen wieder etwas anderes. 

Ein Mandat im Parlament ist reichlich vergütet: 9541,74 Euro im Monat plus Aufwands-Pauschale in Höhe von 4318,38 steuerfrei. Außerdem erhält jeder Abgeordnete eine „Bahncard 100“ für die Erste Klasse. Damit kann er alle Züge in ganz Deutschland benutzen, auch zu privaten Fahrten. Kostenpunkt monatlich weitere 591 Euro. Flüge bekommt er ebenso ersetzt, allerdings nur bei Nachweis dienstlicher Zwecke.

Doch wann ist ein Mitglied des Bundestags nicht im Dienst? Claudia Roth von den Grünen flog kürzlich dienstlich in die Südsee. Ihr Besuch der Inselparadiese Fidschi und Kiribati diente angeblich der Rettung des Klimas. Freilich verursachte ihr Flug über 41000 Kilometer zu den Traumstränden unter Kokospalmen jede Menge Kohlendioxid, an dem die Großwetterlage so sehr leidet, wenn es nach den Grünen geht. Nach ihrem Abschied von den Berliner Pfründen erhalten Abgeordnete ihre Bezüge zunächst weiterhin als Übergangsgeld, für jedes Jahr im Bundestag einen Monat länger. Obendrauf kommt ein Zuschuss zur Rente in Höhe von 239 Euro monatlich. Nach einer Legislaturperiode von vier Jahren summiert sich das auf 950 Euro im Monat. Für die Kranken- und Pflegeversicherung gibt es nochmal einen Zuschlag. 

Mithin gerät der gegenwärtige Bundestag zum teuersten aller Zeiten. „Bild“ hat zusammengezählt, was das XXL-Parlament mit 709 Sitzen den Steuerzahler kostet: 1,04 Milliarden Euro. Eine Milliarde sind tausend Millionen. Der Präsident des „Blähnums“, Wolfgang Schäuble, machte darum den Vorschlag, wenigstens  68 Versorgungsposten einzusparen. Sein Vorstoß scheiterte. 

Doch richtig verdienstvoll geht es erst bei den Nebeneinkünften zu. Laut der Netzseite „abgeordnetenwatch“ kassierte der frühere Forschungsminister Heinz Riesenhuber von der CDU binnen dreier Jahre mindestens                   350000 Euro von der Schweizer Beteiligungsgesellschaft Healthcare Investments, „wahrscheinlich sogar deutlich mehr“. Doch das war noch ein Klacks gegen das Zubrot von Philipp Graf von und zu Lerchenfeld von der CSU. Mindestens 2198500 Euro, so beziffert „abgeordnetenwatch“ allein dessen meldepflichtige Nebeneinnahmen in der vergangenen Legislaturperiode.

Jeder vierte Abgeordnete verdient hinzu. Meldepflichtig sind freilich nur Einkünfte von mehr als 1000 Euro monatlich. Bei Otto Normalverbraucher wäre das schon Steuerhinterziehung. Das Finanzamt billigt ihm nicht einmal die Hälfte zu, nämlich höchstens 450 Euro.