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28.06.19 / Kontinuität gegen allgemeine Ignoranz / Das Bachfestival in Schweidnitz ist auch ein Event gegen den polnischen Großstadtkult

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-19 vom 28. Juni 2019

Kontinuität gegen allgemeine Ignoranz
Das Bachfestival in Schweidnitz ist auch ein Event gegen den polnischen Großstadtkult
Chris W. Wagner

Als Menschen mit Niveau müssen wir auch Dinge mit Niveau tun“, so ein Leitwort des Bachfestivals in Schweidnitz [Swidnica], das vom 1. bis zum 11. August in der dortigen Friedenskirche stattfindet. Dieses Festival erinnert an große Schweidnitzer wie den Komponisten der Renaissance Thomas Stolzer oder Johann Gottlieb Janitsch, einen Komponisten der Aufklärung, der die sogenannten „Freitagsakademien“ ins Leben rief. Bei diesen kam erstmals überhaupt im aufblühenden Europa das Bürgertum in den Genuss von Musik, die sonst nur dem Hof zugänglich gewesen ist. Auch der Bach-Schüler und Kantor an der Schweidnitzer Friedenskirche, Johann Christian Wecker, gehört zum „unschätzbaren kulturellen Reichtum dieser Region“, so Anna Rudnicka, Leiterin des Schweidnitzer Kulturzentrums, dem Organisator der Veranstaltung.

In diesem Jahr wird das Festival bereits zum 20. Mal veranstaltet. Leiter des Festivals ist Tomasz Adamus. Der aus dem niederschlesischen Kurort Bad Charlottenbrunn [Jedlina-Zdroj] stammende Künstler ist in der Region bekannt dafür, dass er – anders als man es in Polen gewohnt ist – seine Musikveranstaltungen gerne in die Provinz verlegt. Gerade in der kulturellen Belebung kleinerer, aber durchaus geschichts-trächtiger Orte sieht Adamus eine soziale Aufgabe. Er will verhindern, dass durch das Abhängen solcher Regionen eine fanatische Provinz aus einer „triefenden Machtlosigkeit“ entsteht. So hat er in seinem Heimatort Bad Charlottenbrunn eine Art Kunstfestival mit philosophischen Elementen organisiert. „Es ist etwas zwischen einem Festival und einem gesellschaftlichen Energiegenerator, aber auf jeden Fall eine unabwendbare Notwendigkeit des Erhalts einer kulturellen Kontinuität“, so Adamus.

Er merkt an, dass der Philosoph Christian Garve im Auftrag des preußischen Königs Cicero in Bad Charlottenbrunn ins Deutsche übersetzte. Der Breslauer Christian Garve (1742-1798) zählte in der Spätaufklärung neben Immanuel Kant und Moses Mendelssohn zu den bekanntesten Philosophen Deutschlands. Adamus erinnert gerne daran, dass es in Bad Charlottenbrunn bereits 1880 eine moderne Bahnverbindung nach Berlin, Breslau und Wien gab. „Was mir aber am wichtigsten scheint, ist die hier herrschende reiche soziale Infrastruktur, die sich in zahlreichen Kulturverbänden äußerte“, so der Künstler und Leiter des Bachfestivals in Schweidnitz. 

Auch dieses Festival ist für Adamus ein Mittel gegen eine allgemeine Ignoranz. „Es ist eine fundamentale Sache, damit wir auf Ereignisse in unserem Umfeld aufmerksam werden: auf die Kunst als Quelle des Schönen oder Emotionen als Kommunikationsform“, so Adamus, der die Schönheit der schlesischen Landschaft und den kulturellen Reichtum als Potenzial nutzen möchte. Für ihn ist das Bachfestival die beste Werbung für Schweidnitz und Niederschlesien polenweit und international. „Feinfühlende, kunsthungrige Menschen leben in Berlin und New York genauso wie in Schweidnitz, dem böhmischen Braunau [Broumov], Görbersdorf [Sokolowsko], Hohenposeritz [Pozarzysko], Schömberg [Chelmsko Slaskie] oder Patschkau [Paczkow].“ Mit einer solchen Aufzählung vermeintlicher Käffer fordert er das polnische Zentralismus-Denken heraus. „Eine der meistapostrophierten Bezeichnungen unserer Zeit ist die sogenannte gleichberechtigte Entwicklung. Dieses Postulat bezieht sich auch auf die Kunst, die überall, und nicht nur in großen Städten blühen sollte“, wirbt Adamus für sein Festival in Schweidnitz.

Dem Festivalprogramm vorgeschaltet ist am 25. Juli in Saarau [Zarow] bei Schweidnitz auf der Bahnhofsbühne einen Konzert mit Musik von Teichmüller, Berg und Mendelssohn-Hensel. Einen Tag später wird in der ehemaligen evangelischen Kirche in Klein Kniegnitz [Ksiaznice Male] eine romantisches Konzert mit Musik von Mozart und Brahms geboten. Am 27. Juli wird zum „Frühstück auf dem Rasen“ mit Musik von Schostakowitsch und Brahms in Görbersdorf geladen.

Das Bachfestival selbst am 1. August beginnt um 17 Uhr mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „In Richtung einer sozialen Infrastruktur“ im Schweidnitzer Centrum. Musikalisch geht es in dem Unesco-Weltkulturerbe, der Friedenskirche „zur Heiligen Dreifaltigkeit“, um 19 Uhr weiter. Den Auftakt macht das Ensemble Oltremontano um den belgischen Posaunisten Wim Becu. Zum Abschluss des Festivals ist in der Friedenskirche um 19 Uhr ein Konzert des L’arpeggiata um die österreichische Lauten- und Harfenistin Christina Pluhar geplant.

Musikfreunde, die nicht bis August warten möchten, kommen beim Christian-Schlag-Orgelfestival ebenfalls in der Gegend um Schweidnitz auf ihre Kosten. Bis zum 12. Juli sorgen Orgelkonzerte und musikalische Spaziergänge auf den Spuren der Schweidnitzer Orgelbauer Schlag und Söhne in Schweidnitz, Freiburg in Schlesien [Swiebodzice] und Waldenburg [Walbrzych] für musikalischen Genuss. 2019 jährt sich Gründungsjubiläum der berühmten Firma Schlag und Söhne zum 150. Male. Die Konzerte finden in Kirchen statt, in denen Instrumente dieser Firma die Zeiten überdauerten. Das Programm in polnischer und englischer Sprache ist auf der Internetseite www.facebook.com/FestiwalSchlaga zu finden.