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05.07.19 / »Das Boot« unter dänischer Flagge / Der Untergang des russischen Nuklear-U-Bootes »Kursk« als Spielfilm – Wolfgang Petersens Film stand Pate

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-19 vom 05. Juli 2019

»Das Boot« unter dänischer Flagge
Der Untergang des russischen Nuklear-U-Bootes »Kursk« als Spielfilm – Wolfgang Petersens Film stand Pate
Harald Tews

Auch ein dänischer Regisseur kann das Rad nicht neu erfinden. Das Rad, das Thomas Vinterberg in Bewegung gesetzt hat, ist ein Spielfilm über das im Jahr 2000 untergegan-

gene russische Nuklear-U-Boot „Kursk“. Sein gleichnamiger Spielfilm, der vom 11. Juli an in den deutschen Kinos zu sehen sein wird, erinnert in großen Teilen an Wolfgang Petersens „Das Boot“ von 1981. Die filmischen Möglichkeiten, das klaustrophobische Gefühl der in einer engen Metallröhre unter Wasser ums Überleben kämpfenden Mannschaft umzusetzen, scheinen offenbar begrenzt zu sein.

So manches erinnert daher unweigerlich an Petersens ultimativen U-Boot-Film. Etwa wenn sich unter Wasser der massive Bug einem Wal gleich aus dem Dunkel heraus geräuschlos in den Vordergrund schiebt; wenn die Mannschaft an Land noch ausgiebig feiert, bevor sie in See sticht; wenn man sich nach einem Alarm aufgeregt durch die engen Gänge des Bootes zwängt; wenn man verzweifelt die Lecks stopft, durch die Wasser dringt; wenn man nach Luft jappst, weil der Sauerstoff immer knapper wird.

Und doch hat Vinterberg neue Speichen ans alte Rad angebracht. Das ist umso bemerkenswerter, als er sich mit der Schwierigkeit konfrontiert sah, einen Katastrophenfilm zu drehen, dessen Ende be­kannt ist. Denn nach zwei verheerenden Explosionen im Bugbereich der „Kursk“, die vermutlich durch einen defekten Torpedo ausgelöst wurden, starben im August 2000 in der Barentsee alle 118 Besatzungsmitglieder. 23 von ihnen hatten im Bereich der hinteren Notausstiegsluke das Un­glück noch drei Tage lang überlebt, ehe auch sie erstickten.

Als Gründungsmitglied des Manifests „Dogma 95“ wollte Vinterberg einst zusammen mit seinem Landsmann Lars von Trier in den 90ern den Film als puren Naturalismus neu erfinden. Seinen gefeierten Film „Das Fest“ von 1998 über eine Feier, auf der ein Familiengeheimnis aufge­deckt wird, hat er mit wackeliger Handkamera aufgenommen und nur Originaltöne und -musik verwendet, so ähnlich wie das heute jeder Smartphone-Nutzer mit eigenen Videomitschnitten macht.

Für „Kursk“ hat Vinterberg dieses radikale Rad dann doch etwas auf die konventionelle Schiene zurückgedreht. Zu hoch wäre das Risiko eines Scheiterns gewesen bei einem Film, in dem internationale Stars mitwirken: Der Schwede Max von Sydow gibt einen greisen Betonkopf der russischen Marine, der Brite Colin Firth einen forsch zu Hilfe eilenden britischen Commodore, der Österreicher Peter Simonischek einen warmherzigen russischen Admiral, der Deutsche Matthias Schweighöfer als Besatzungsmitglied das erste Opfer bei der Torpedoexplosion.

Interessant wäre es gewesen, wer die Rolle von Präsident Wladimir Putin gespielt hätte, der anfangs im Drehbuch vorgesehen war. Um den Fokus nicht auf das Politische, sondern auf die Rettung der überlebenden Seeleute zu lenken, wurde auf diesen Charakter verzichtet. 

Ein weiser Entschluss. Denn so entstand ein Drama, bei dem die Frauen in den Mittelpunkt rücken und Anklage gegen die russische Staatsmacht erheben, die sie im Unklaren über das Schicksal ihrer Ehemänner ließ. Weil die Russen militärische Geheimnisse nicht preisgeben wollten, verbreiteten sie zunächst Desinformationen (Kollision mit einem US-U-Boot) und schlugen ausländische Hilfsangebote aus. Eigene Rettungsversuche scheiterten infolge maroder Tauchkapseln. Dadurch verging wertvolle Zeit. Als norwegische Taucher eine Woche später zum Wrack durften, konnten sie nur noch die Leichen bergen.

Seine „Dogma“-Vergangenheit mit dem Abfilmen der Realität kommt Vinterberg dabei zugute. So hält er sich strikt an die vermutlich wahren Ereignisse an Bord, und er vergisst das Menschliche nicht. Wenn die Frauen um die Männer bangen, allen voran die französische Schauspielerin Léa Seydoux als schwangere Frau des Kapitänleutnants der „Kursk“, so hat das Qualitäten einer antiken Tragödie. Das ist einfach berührend, aber fern jedes Hollywood-Schmalzes.