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05.07.19 / Ewiger Zankapfel an der Saar / Erze und Kohle machten die Region zum umkämpften Gebiet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-19 vom 05. Juli 2019

Ewiger Zankapfel an der Saar
Erze und Kohle machten die Region zum umkämpften Gebiet
Klaus J. Groth

Visionäre träumten schon in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg von einem vereinten Europa. Doch dem Baubeginn des europäischen Hauses standen die ungelöste Saarlandfrage und die noch ausstehende Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland im Wege. Erst am 6. Juli vor 60 Jahren war die Rückkehr des Saarlands nach Deutschland abgeschlossen. Die Franzosen muss­ten sich zurückziehen.

Die reichen Bodenschätze der Saarregion, Steinkohle und Erze, dazu die großen Wälder als Holzlieferant, lockten im Lauf der Geschichte immer wieder Interessenten an. Oft trug das umkämpfte Grenzgebiet französische Namen: Province de la Sarre, Département de la Sarre, Territoire du Bassin de la Sarre. 1680 gelang es dem machtbesessenen französischen König Ludwig XIV. mit einem Trick, sich das Saargebiet einzuverleiben. Der Sonnenkönig setzte eine Reunionskammer ein, die alte Lehenszugehörigkeiten prüfen und seinen Anspruch auf Gebiete des Heiligen Römischen Reichs juristisch untermauern sollte. So kamen neben dem Saarland auch Teile des Elsass, Luxemburgs und der Pfalz an Frankreich.

Während der Französischen Revolution drangen deren Garden bis an die Saar vor. Einigen Orten, die mit dem Geschehen in Frankreich sympathisierten, kamen die Besatzer nicht ungelegen. Sie sandten Reunionsadressen nach Paris und baten um Anschluss an die junge Republik. Nach dem Ende der Direktorialzeit und der Krönung Napoleon Bonapartes zum Kaiser mussten Männer von der Saar mit französischen Truppen bis nach Moskau und Kairo marschieren.

Als Napoleon endgültig besiegt war, sortierte sich Europa neu. Der größte Teil des Saarlands kam 1815 zum Königreich Preußen, der kleinere zum Königreich Bayern. 100 Jahre lang blieben die Grenzen unverändert.

Der Sieger nimmt sich alles, so sahen die Deutschen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg den Versailler Vertrag, den Frankreichs Ministerpräsident Georges Clemenceau, Englands Premier David Lloyd George und US-Präsident Thomas Woodrow Wilson im Schloss des Sonnenkönigs bei Paris aushandelten. Die Vertreter des Deutschen Reichs blieben draußen vor der Tür, während sich dessen Schicksal entschied. Die geforderten Reparationen waren eine schwere Bürde für die Weimarer Republik und führten zum Erstarken des Nationalsozialismus. Der „Erbfeind“ Frankreich beanspruchte die Oberhoheit über das Saarland mit seiner weit entwickelten, modernen Industrie, deren Hütten Eisen und Stahl produzierten.

Im Versailler Vertag wurde das Land gemäß der Artikel 45 bis 50 unter die Verwaltung des Völkerbunds gestellt, die von Frankreich geforderte Annexion scheiterte am Veto der USA. Präsident Woodrow Wilson beharrte auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, das auch für die Bewohner des Saargebiets gelten sollte. Sie kamen für 15 Jahre unter französische Verwaltung. Die Franzosen erhielten das alleinige Recht zum Abbau der Steinkohle. Nach Ablauf dieser Zeit sollten die Bürger in einem Volksentscheid bestimmen, ob sie zu Frankreich oder zu Deutschland gehören wollten. Zähneknirschend beluden die Bergleute unter der Aufsicht französischer Kommissare Eisenbahnwaggons mit ihren Bodenschätzen. Die Züge rollten zu Tausenden in Richtung Frankreich. Die Saarländer fühlten sich durch den Versailler „Schandvertrag“ als weiße Sklaven der Kolonialmacht. Der Franc wurde als allein gültige Währung eingeführt. Franzosen übernahmen in den Gruben und Hütten die wichtigen Posten. Als das Deutsche Reich auch Teile des oberschlesischen Kohlebeckens an Polen abtreten musste, hatte Frankreich sein Ziel erreicht. Nicht mehr Deutschland, sondern Frankreich war der größte Eisenproduzent Europas.

In der Bevölkerung des Saarlands gärte es. Deutsch und französisch sprechende Bewohner standen sich feindlich gegenüber. Die Mehrheit der Bevölkerung wollte zurück ins „angestammte Vaterland“, in dem 1933 die Nationalsozialisten die Macht ergriffen hatten. Beim Saarreferendum 1935 stimmten über 90 Prozent der Bevölkerung für einen Anschluss an Deutschland. Hitler verbuchte das Ergebnis als ersten großen Erfolg seiner Politik.

Bei der Potsdamer Konferenz auf Schloss Cecilienhof vom 17. Juli bis 2. August 1945 wiederholten die Franzosen ihre Forderungen in Bezug auf das Saarland. Wieder scheiterten sie am Einspruch der anderen Verbündeten. Frankreich musste sich mit einer Wirtschaftsunion und einer angestrebten Autonomie des Saarlands zufriedengeben, betrieb aber weiter die Trennung von Deutschland, indem es die Saarregion aus dem Besatzungsgebiet herauslöste. Durch diesen Schachzug blieb sie auch nach der Gründung der Trizone unter Pariser Kontrolle. 1947 ließ der französische Hochkommissar Landtagswahlen abhalten. In der Verfassung wurde die Abspaltung von Deutschland festgeschrieben. Das Saarland war nun autonomes Gebiet mit dem Franc als Währung. Deutschfreundliche Stimmen wurden unterdrückt. So sah kein friedliches Miteinander aus.

Ein Gruß aus Paris, der Auftritt der Sängerin Edith Piaf in Saarbrücken, erregte Freude, nicht aber eine Idee, deren Urheber man im Élysée-Palast vermutete. Das Saarland sollte der erste „Europäische Staat“ werden, ein „kleines Europa“, mit endgültiger Abtrennung von Deutschland. In einem Referendum sollten die Saarländer 1955 über das Saarstatut entscheiden. Im Vorfeld gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen den Befürwortern und denen, die das Konstrukt ablehnten. Wahlparolen wie „Europa ja, aber kein Kolonialstaat“ und „Saarstatut, der Schlüssel zum Frieden“ prallten aufeinander. Das Wahlergebnis fiel eindeutig aus. Zwei Drittel der Bevölkerung stimmten für eine Rückkehr nach Deutschland.

Politisch wurde das Saarland schon am 1. Januar 1957 Bundesland, die Eingliederung war aber erst am 6. Juli 1959 mit der Einführung der D-Mark abgeschlossen. Das erste Treffen zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle auf dessen Landsitz Colombey les Deux Églises war der Beginn einer Aussöhnung zwischen beiden Ländern und machte den Weg frei für die Schaffung des Vereinten Europas.