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05.07.19 / Hitzefrei / Sommererinnerung einer Schülerin aus Heiligenbeil – Von Fahrradkolonnen, Schwimmen und anderen Abenteuern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-19 vom 05. Juli 2019

Hitzefrei
Sommererinnerung einer Schülerin aus Heiligenbeil – Von Fahrradkolonnen, Schwimmen und anderen Abenteuern
Gisela Hannig

Wenn um 9.30 Uhr das Thermometer über 25 Grad Celsius im Schatten anzeigte, gab es in der Schule von Heiligenbeil hitzefrei. Es soll vorgekommen sein, dass böse Buben schon einmal am Thermometer gerieben haben, denn durch Reibung kann man Wärme erzeugen. Das hatten sie bereits in der Physikstunde gelernt. 

Nun war der Direktor der Schule dem allgemeinen Wunsch entgegengekommen, ordnete aber einen Ausflug nach Rosenberg an, damit alle von der Badeanstalt aus im Frischen Haff schwimmen gehen konnten. Badesachen hatten wir vorsichtshalber schon eingepackt, doch hatte 1936 nicht jeder ein Fahrrad. Mir gehörte noch so ein halbgroßes aus Kindertagen. So organisierten wir eine Kolonne. Jeder fuhr mit dem Rad zehn Bäume entlang, stellte das Rad ab und lief dann weiter. Der nächste Schüler schnappte sich das Stahlross und fuhr wieder zehn Bäume die Chaussee entlang. So kamen wir alle schnell und günstig am ersehnten Ziel an. 

Nun konnte man seine längst erworbenen Schwimmkünste zeigen und wie weit man schon rausschwimmen konnte, bis man keinen Grund mehr unter den Füßen spürte. Diese Stelle kennzeichnete ein Pfahl, weiter sollte man nicht ins Haff hinausschwimmen. Sollte man – aber manchmal wagten wir es doch. Zuvor hatten wir, ganz aus Versehen versteht sich, unsere Französischlehrerin Lina bespritzt, die als älteres Fräulein tatsächlich auch im Badeanzug in das noch kühle Nass gestiegen war; seltener Anblick. 

Wir aber übten rückwärts schwimmen und „toter Mann“, kraulen und tauchen. Später, nach der Schule, wagten wir uns in den nahen Hafen, der ein kleines Sprungbrett hatte, sodass man mit Anlauf weit hinaus springen konnte. Natürlich übten wir den Kopf- und Hechtsprung bis die Ohren voller Wasser waren. 

Unser Appetit nach der Heimfahrt war beachtlich und die Klopse schnell vom Teller weggeputzt. In den Ferien wurde mit den älteren Anverwandten bis Pillau gesegelt. Von Kahlholz aus war es üblich, mit dem immer am Ufer vertäuten Scheike zum Schwimmen hinaus zu fahren. Das war so ein Stockerkahn, der nur mit einem langen Stock zu bewegen war. Die Fischer benutzten ihn um zu den größeren Segel- und Motorbooten zu gelangen. Oft nahmen wir uns das Scheike, um im tieferen Wasser des flachen Haffs besser schwimmen zu können. Meistens am Abend, der untergehenden Sonne entgegen. 

Nur einmal bin ich alleine am Nachmittag weiter ins Haff hinausgestakt, legte mich im Boot hin, um noch schön von der Sonne gebräunt zu werden. Ich weiß nicht mehr, ob ich eingeschlafen bin. Als ich aufschreckte, war ich von der aufkommenden Brise weit hinaus getrieben worden. Vom Ufer sah ich nur noch einen schmalen Streifen. Mit dem langen Stock erreichte ich den Boden nicht mehr. Also schnell ins Wasser gesprungen und an der Kette das Boot schwimmend nachgezogen. Kein anderes Boot war weit und breit zu sehen. Nach vielen Metern meinte ich, das erste Schar erreicht zu haben. Das waren zwei vorgelagerte Sandbänke im Haff, die wir vom Segeln und Motorbootfahren genau kannten. Also bin ich wieder ins Boot geklettert und tatsächlich erreichte ich mit dem Stab den Boden. Aber nicht lange, dann wurde es wieder tiefer. Also wieder schwimmen und das Boot an der Kette nachziehen. Bald kam das zweite Schar und von da an war es möglich, das Scheike wieder wie einen Stockerkahn weiter zu bewegen. Ganz kleinlaut habe ich den Kahn dann 

am Ufer festgemacht, nachdem mir doch Fragen gestellt wurden, meinen Badeausflug betreffend. 

Ob ich wohl wirklich um mein Leben geschwommen bin? Gut, dass man damals von den täglichen Badeausflügen in Übung war. Dankbar kann man heute noch sein für das freie Leben in den Jugendjahren. 

Und was gibt es Schöneres, als bei Hitze in das kühle Nass zu tauchen und ein bisschen Freiheit zu genießen?