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05.07.19 / Vorboten der Rückkehr eines Wahrzeichens / Der rekonstruierte Silberaltar des Breslauer Doms wird zunächst museal gezeigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-19 vom 05. Juli 2019

Vorboten der Rückkehr eines Wahrzeichens
Der rekonstruierte Silberaltar des Breslauer Doms wird zunächst museal gezeigt
Chris W. Wagner

Jacek Witecki ist ein geduldiger Mensch, wie man sich einen Konservator vorstellt, denn ein solcher braucht oft viel Zeit, ein historisches Kunstwerk zu rekonstruieren. 

„Die Chefs haben es nicht gerne, wenn ich zu viele Überstunden mache, aber mir macht es nichts aus, ich möchte der Welt über den silbernen Altar erzählen“, versicherte der Restaurator und Kurator Witecki – selbst wenn das Interview deutlich später als geplant stattfand. Bei dem silbernen Altar handelt es sich um ein einstiges Wahrzeichen Breslaus, das bis zum Zweiten Weltkrieg wie ein Magnet Gläubige und Touristen in den Breslauer Dom zog. Der vom Fürstbischof Andreas Jerin 1591 in Auftrag gegebene Altar wurde durch den Goldschmied Paul Nitsch und den Maler Bartholomäus Fichtenberger geschaffen – zwei Breslauer Künstler des 16. Jahrhunderts. „Paul Nitsch gehörte zur Goldschmied-Elite der damaligen Zeit. Von dem hohen Rang beider Künstler zeugt ihr Werk selbst“, so Witecki, der seine Handy-Taschenlampe zückt, um auf die Signaturen der Künstler hinzuweisen, die dem Betrachter so nicht aufgefallen wären.

„Allein der Auftrag für das Meisterwerk war eine Sensation, denn sein Stifter, Bischof Andreas Jerin, stellte eine gigantische Summe für den Altar zu Verfügung: 10000 Taler. Dafür konnte man mehrere Hundert Hektar Land kaufen. Am faszinierendsten ist das edle Material, aus dem der Altar geschaffen wurde – deshalb war er auch so teuer“, berichtet Witecki.

„Vier Jahrhunderte zierte dieses Meisterwerk den Breslauer Dom. Die heutigen Breslauer kennen ihn aber nicht, weil er 70 Jahre lang nicht mehr einen integralen Bestandteil der Innenausstattung des Domes bildet. Es gibt aber Hoffnung, dass er eines Tages wieder auf seinen alten Platz in die Kathedrale von St. Johannes dem Täufer zurückkehrt“, hofft der Kurator der Ausstellung, in welcher der silberne Altar im Breslauer Nationalmuseum zu sehen ist. Diese läuft noch bis zum 25. August. Die Vorzeichen für eine Rückkehr in den Dom stehen für den Altar gar nicht so schlecht, denn sowohl Domprobst Pawel Cembrowicz als auch Erzbischof Jozef Kupny stehen dem Projekt offen gegenüber.

Dass der silberne Altar während der Breslauer Festungszeit in den letzten Kriegstagen demontiert wurde, war letztendlich dessen Glück, denn so konnten 80 Prozent des Werkes den Dombrand 1945 überstehen. Selbst die durch Fichtenberger verzierten Holzflügel überstanden die schweren Tage. Doch der Altarschrank und viele Silberverzierungen fielen den Flammen zum Opfer.

Jacek Witecki hat bereits 2017 an einer Ausstellung zum Domschatz gearbeitet. Damals durfte er zum ersten Mal den Domschatz besichtigen. Beim Durchstöbern von Schränken und Schubladen fielen ihm Teile auf, die er dem silbernen Altar zuordnen konnte. Schnell stellte sich heraus, dass Witecki Recht hatte und so kam die – wie er sagt – verrückte Idee auf, den Altar zu rekonstruieren. „Wir verfügten nicht über die tatsächlichen Maßangaben des Altars und mussten diese anhand von Fotos und den erhaltenen Teilen erst errechnen“, so Witecki. Aber auch das Material, also das Eichenholz für den Altarschrank und der Samt für den Hauptaltar mussten noch beschafft werden. Nach langem Suchen wurde der richtige Seiden-samt in Frankreich gefunden. Für die vielen fehlenden Silberteile wurden 28 Kilogramm Silber verwendet. Schließlich soll das rekonstruierte Werk auch noch viele Jahre das Auge des Betrachters erfreuen.

Das Breslauer Nationalmuseum, das aus der Tradition des Königlichen Museums für Kunst und Altertümer und dem Schlesischen Museum der Bildenden Künste nach 1945 hervorging, zeigt in der Ausstellung „Zwei Altäre“ neben dem silbernen Altar noch weitere Kunst aus dem Breslauer Dom. „Wir wollten die gute Zusammenarbeit mit dem Domprobst nutzen und die ganze Silberausstattung des Presbyteriums, also des wichtigsten Ortes der Breslauer Kathedrale, zeigen“, so Witecki. Präsentiert werden Arbeiten, die in Augsburg, der damaligen Hochburg der Goldschmiedekunst in Europa, angefertigt wurden. Darunter befindet sich ein Silberta-bernakel von Joseph Wolfgang Fesenmay, Altarfiguren und auch Kerzenständer. „Der Augsburger Barockaltar bildet eine wunderbare Ergänzung zum Silbernen Hochaltar. Dass Werke in Augsburg bestellt wurden, verdeutlich uns die damalige Bedeutung des Breslauer Bistums“.