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12.07.19 / Sieg Macrons über Merkel / Frankreichs Präsident war bei der Neubesetzung der EU-Spitzenposten erfolgreich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-19 vom 12. Juli 2019

Sieg Macrons über Merkel
Frankreichs Präsident war bei der Neubesetzung der EU-Spitzenposten erfolgreich
Norman Hanert

Die Nominierung einer deutschen Kandidatin für den Chefposten der EU-Kommission wurde hierzulande von einigen Leitmedien als „Geniestreich“ und „Husarenstück“ der Bundeskanzlerin gefeiert. Als eigentlichen Gewinner des Pokers um die EU-Spitzenpositionen kann sich jedoch Frankreichs Präsident fühlen.

Mit gutem Grund feiert die französische Presse Emmanuel Macron für seinen Erfolg bei den Verhandlungen. Verzichten musste der französische Staatspräsident zwar auf das Vorhaben, den Brexit-Chefverhandler Michel Barnier zum Nachfolger von Jean-Claude Juncker zu machen. Auf der Haben-Seite stehen dafür allerdings gleich mehrere Punkte.

Erfolgreich verhindert hat Macron, dass der von ihm abgelehnte Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), an die Spitze der EU-Kommission rückt. Damit verbunden war Macrons Torpedierung des Spitzenkandidatenmodells. Fast alle großen Fraktionen im Europaparlament und auch die Bundesregierung hatten sich dafür ausgesprochen, dass der Wahlsieger der Europawahl an die Spitze der EU-Kommission rücken soll. 

Mit seiner Blockade des Spitzenkandidatenmodells hat Macron die Macht des Europäischen Rats gestärkt. Im Rat der Mitgliedsstaaten kann Frankreich sein Gewicht wesentlich effektiver einsetzen als im EU-Parlament. Nach dem Brexit wird die Bedeutung der Grande Nation unter den dann 27 EU-Staaten sogar noch weiter wachsen. Frankreich wird dann das einzige Mitgliedsland der EU sein, das ständig im UN-Sicherheitsrat sitzt und dort über ein Vetorecht verfügt. Nach dem britischen Ausstieg wird Frankreich zudem auch das EU-Land mit den stärksten Streitkräften sein. Vor diesem Hintergrund muss die Nominierung der deutschen Bundesverteidigungsministerin als diplomatischer Coup des Élysée-Palasts gesehen werden.

Wie kaum ein anderer Politiker steht Ursula von der Leyen für die Idee einer gemeinsamen „Armee der Europäer“. Sehr deutlich hat sich die Deutsche auch für gemeinsame Rüstungsprojekte und europäische Militäreinsätze ausgesprochen. Mit diesen Ideen befindet sich von der Leyen in Übereinstimmung mit Macron. Mit einiger Berechtigung bewertet die niederländische Zeitung „De Volkskrant“ die Nominierung von der Leyens als EU-Kommissionspräsidentin als „eine bittere Pille, ein ,Geschenkchen‘ von Macron“ für Merkel.

Teil des ausgehandelten Personalpakets ist auch die Nominierung von Christine Lagarde für den Spitzenposten bei der Europäischen Zentralbank. Das Antreten der bisherigen Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) verhindert nicht nur, dass Bundesbankchef Jens Weidmann an die Spitze der EZB rückt. Mit der Nominierung von Lagarde ist Macron sogar ein besonderer Coup gelungen. Die Wirtschaftsjuristin hat noch nie bei einer Notenbank gearbeitet, sie verfügt nicht einmal über ein volkswirtschaftliches Studium. Mit ihrer Berufung ist nicht nur eine bloße Fortsetzung der ultralockeren Geldpolitik des bisherigen EZB-Chefs Mario Draghi wahrscheinlich. Als Nicht-Ökonomin und ehemalige Politikerin könnte Lagarde auch weniger Bedenken haben, wenn es um Fragen wie die einer Staatsfinanzierung über die EZB geht.

Tatsächlich sehen Beobachter in der Nominierung der ehemaligen französischen Finanzministerin ein Zeichen der Politisierung der Europäischen Zentralbank. Die „Neue Zürcher Zeitung“ kommentierte: „Wenn nun eine Ex-Finanzministerin ohne geldpolitische Expertise an die Spitze der formell unabhängigen Währungsbehörde stößt, erhält diese Politisierung des Euro gleichsam ein Gesicht.“ Auch Steen Jakobsen, der Chefvolkswirt der dänischen Saxobank, bezeichnet Lagarde als eine „politische Kandidatin“. Aus Sicht des Volkswirts Jakobsen wird Lagardes Wahl zur EZB-Chefin „den Club Med stützen, vor allem Italien“.

Schon jetzt kann die Regierung in Rom einen Erfolg verbuchen. Zeitnah zum jüngsten EU-Gipfel entschied die EU-Kommission, auf ein Defizitverfahren gegen Italien zu verzichten. Der aus Frankreich stammende Währungskommissar Pierre Moscovic führte als Begründung an, die Regierung in Rom habe zusätzliche Sparmaßnahmen zugesagt. Moscovic bestritt, dass es bei der Entscheidung einen Zusammenhang mit der Einigung des EU-Rats über die Neubesetzung der Spitzenposten gegeben hat.

Gut leben kann Macron vermutlich auch mit dem wallonischen Liberalen Charles Michel, der als Nachfolger für Donald Tusk als künftiger EU-Ratspräsidenten vorgesehen ist. Nach dem flämischen Christdemokraten Herman Van Rompuy soll damit zum zweiten Mal ein Belgier auf diesem Posten zum Zuge kommen. Das Amt des ständigen EU-Ratspräsidenten ist erst vor zehn Jahren geschaffen worden. Der 43-jährige Michel kommt aus dem französischsprachigen Teil Belgiens. Seine Partei „Mouvement Réformateur“, (MR, Reformbewegung) gehört ebenso wie Macrons Partei „La République en Marche!“ (Die Republik in Bewegung!) in der 9. Wahlperiode des Europäischen Parlaments zur liberalen und zentrischen Fraktion  „Renew Europe“ (Europa erneuern). Auf der europäischen Ebene hat sich Michel bislang als geschickter Netzwerker gezeigt.