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12.07.19 / Rinder gegen Autos / Das Freihandelsabkommen der EU mit Südamerika stößt auf Kritik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-19 vom 12. Juli 2019

Rinder gegen Autos
Das Freihandelsabkommen der EU mit Südamerika stößt auf Kritik
Dagmar Jestrzemski

Als Ende Juni der G20-Gipfel im japanischen Osaka stattfand, einigten sich in Brüssel Vertreter der EU und ihres südamerikanischen Pendants Mercosur (Mercado Común del Sur, gemeinsamer Markt des Südens) über strittige Eckpunkte des bilateralen Freihandelsabkommens. Die Verhandlungen endeten damit zwei Jahrzehnte nach ihrem Beginn. Noch in Osaka wurde der Durchbruch verkündet. Zuletzt hatten neben Angela Merkel sechs weitere EU-Regierungschefs darauf gedrängt, das Zeitfenster für einen Abschluss zu nutzen. 

Dementsprechend äußerten sich Vertreter aus Politik und Wirtschaft dieser Länder hocherfreut über den laut dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker „größten Deal in der Geschichte der EU“. Damit stellten sie sich gegen diejenigen EU-Länder, deren Forderungen zum Schutz der europäischen Landwirte nicht erfüllt wurden, darunter die Regierungen von Irland, Polen, Belgien und Frankreich. Geflügelfleisch, Zucker, Ethanol und Rindfleisch aus den Mercosur-Ländern soll in noch größeren Mengen nach Europa geliefert werden als von ihnen befürchtet. In der EU droht somit ein weiterer Spaltpilz aufzuwachsen. 

Das Abkommen tritt erst in Kraft, wenn es von den 28 nationalen Parlamenten und vom EU-Parlament gebilligt worden ist. Der Ausgang erscheint derzeit ungewiss. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bereits seine Ablehnung des ausgehandelten Vertrags erklärt. Sein Land verlangt zusätzliche Garantien, so für den Schutz des Amazonas-Regenwalds und die französischen Rinderzüchter.

Durch den Handelsvertrag entstünde ein gemeinsamer Markt mit rund 780 Millionen Einwohnern. Begünstigt würden vorrangig europäische Industriekonzerne und lateinamerikanische Agrarproduzenten. So sollen in den Mercosur-Staaten binnen zehn bis 15 Jahren Zölle in Höhe von bis zu 35 Prozent auf Autos, Maschinen, Medizin und Chemikalien aus der EU abgeschafft werden. Zudem öffnen die Mercosur-Länder ihre öffentlichen Ausschreibungen für europäische Wettbewerber. Dies hätten in Brüssel multinationale europäische Unternehmen durchgesetzt, berichtet die argentinische Tageszeitung „Clarin“. 

Für Lebensmittel aus der EU sollen in der Mercosur-Region geschützte Herkunftsbezeichnungen gelten, Zölle für Wein und Milchprodukte entfallen. Im Gegenzug erreichten die Südamerikaner eine wesentlich stärkere Öffnung des europäischen Marktes für ihre landwirtschaftlichen Produkte innerhalb von fünf Jahren. Die Unterzeichner verpflichten sich, das Pariser Abkommen zum Klimaschutz einzuhalten 

Europäische Bauernverbände warnen vor den Auswirkungen durch einen starken Import von Fleisch in die EU. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied befürchtet das Aus für den hiesigen Zuckerrübenbau. Widerstand formiert sich wie erwartet auch auf Seiten der Umweltverbände und Verbraucherschützer. So würden Produkte nach Europa gelangen, die nicht den EU-Standards entsprechen. Gerade seien in Brasilien 33 neue Pflanzenschutzmittel teilweise ungeprüft zugelassen worden. Auch 20 Gewerkschaften aus Lateinamerika protestieren gegen das Abkommen. Aus ihrer Sicht bedeutet die Errichtung der Freihandelszone das Todesurteil für die heimische Industrie.