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12.07.19 / Wie ein Passagierdampfer mit Flügeln / Das Flugboot Dornier Do X war das bis dahin größte Flugzeug der Welt – Der Jungfernflug vor 90 Jahren war nicht geplant

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-19 vom 12. Juli 2019

Wie ein Passagierdampfer mit Flügeln
Das Flugboot Dornier Do X war das bis dahin größte Flugzeug der Welt – Der Jungfernflug vor 90 Jahren war nicht geplant
Friedrich List

Die Dornier Do X ging als größtes Flugzeug ihrer Zeit in die Luftfahrtgeschichte ein. Sie hob am 12. Juli 1929 vom Bodensee zu ihrem ersten Flug ab. Zur damaligen Zeit waren nur die Luftschiffe des Zeppelin-Typs größer. Mit 40,9 Metern Rumpflänge und einer Spannweite von 48 Metern war sie damals einzigartig in der Luftfahrt. Sie sollte auf drei übereinanderliegenden Decks zahlende Passagiere mit bisher in Flugzeugen nicht gekanntem Luxus befördern. 

Claude Dornier begann im Herbst 1925 mit den ersten Entwürfen. Seine ersten Studien für die spätere Do X datierten von 1924. Seinem Unternehmen, der Dornier Metallbauten GmbH, ging es Mitte der 1920er Jahre schlecht. Dornier hatte zwar mit seinen „Wal“-Flugbooten einen Welterfolg gelandet, aber die Produktionsauslastung des Werks war gering. In dieser angespannten Situation stand ein Darlehen des Reichsverkehrsministeriums über mehrere hunderttausend Reichsmark zur Rückzahlung an. 

Da bot ihm die Reichsmarine, namentlich der Chef der Seetrans­portabteilung, Kapitän zur See Walter Lohmann, an, den Bau eines Groß-Flugbootes zu finanzieren. Allerdings floss das Geld nicht direkt aus dem Reichswehretat an Dornier. Stattdessen stellte das Reichsverkehrsministerium auf Vorschlag von Reichswehr- und Finanzministerium zunächst 3,5 Millionen Reichsmark bereit. Zwei Millionen Mark waren für den Bau eines neuen Flugzeugwerks bestimmt, 1,5 Millionen dann für den Bau des eigentlichen Flugzeugs. Die Reichsmarine förderte das Projekt, weil sie an einem Langstreckenflugzeug zum Einsatz als Aufklärer, Torpedoträger oder Minenleger interessiert war. 

Um seine Do X zu bauen, musste Dornier ans andere Ufer des Bodensees in die Schweiz umziehen. Denn zum damaligen Zeitpunkt verbot das Versailler Diktat Deutschland noch den Bau von Flugzeugen in dieser Größe. Also entstand in Altenrhein am Schweizer Bodenseeufer ein neues Werksgelände. 

Im April 1927 gab Erhard Milch, damals Luft-Hansa-Direktor, eine Rentabilitätsprüfung für die Do X in Auftrag. Die Studie ging dabei von sechs Flugbooten aus, die zwischen Lissabon und New York verkehren und dabei Zwischenstopps auf den Azoren und auf Neufundland einlegen sollten. Die Prüfung fiel positiv aus. Die Studie rechnete mit Anschaffungskosten von 3,2 Millionen Reichsmark pro Flugboot samt Motoren und bezifferte den Gesamtkapitalbedarf zum Aufbau des Linienbetriebs mit 30 Millionen Mark. Die wirtschaftliche Realität einige Jahre später sah dann jedoch völlig anders aus. 

1927 hing die Finanzierung des Projekts am seidenen Faden, als das „Berliner Tageblatt“ aufdeckte, dass die Reichsmarine den Bau der Do X aus schwarzen Konten förderte. Das Reichsverkehrsministerium jedoch sprang in die Bresche. 

Ende 1928 begann in Alten­rhein der Bau der Do X-1. Im Sommer 1929 war das Flugboot fertig. Am 9. Juli 1929 wurde es erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Erstflug drei Tage später war hingegen nicht geplant gewesen. Die Besatzung hatte das Boot eigentlich nur zu einer Rollübung auf den See hinaus gebracht. Aber beim Gleiten unter Vollgas hob die Do X vollständig ab. Pilot Richard Wagner hatte wohl ein wenig zu stark am Steuerhorn gezogen. 

Den Antrieb bildeten zunächst zwölf Siemens-Jupiter-Motoren von je 525 PS in sechs Tandemgondeln auf der Tragfläche. Aber sie waren für das beim Start 50 Tonnen schwere Flugschiff nicht leistungsfähig genug. Anfang 1930 wurden sie gegen zwölf US-amerikanische Curtiss-Motoren von je 640 PS ausgetauscht. 

Finanziell machte das Flugschiff Probleme. Sein Bau war wesentlich teurer als geplant. Bis zum Erstflug hatte die Do X bereits 900000 Reichsmark mehr gekostet als vorgesehen. Weil auch der zu erwartende Kaufpreis für die Serienflugboote höher ausfallen würde, entschied das Reichsverkehrsministerium, keine weiteren Exemplare zu bestellen. 

Claude Dornier stellte die Leistungsfähigkeit der Do X mit einem Flug am 21. Oktober 1929 unter Beweis. Mit zehn Besatzungsmitgliedern und 159 Passagieren an Bord absolvierte das Flugboot einen 53 Minuten langen Rundflug über dem Bodensee. 

Trotzdem wollten sich keine Aufträge für weitere Flugboote einstellen. Also schickte Dornier die Do X im November 1930 auf eine Werbetour, die am Ende zwei Jahre dauern sollte. Nach Zwi­schen­stationen in Europa, Westafrika und Südamerika erreichte sie am 27. August 1931 New York. Der Flug erregte große Aufmerksamkeit.

Aber in New York saßen Flugschiff und Besatzung über ein Jahr fest. Die Motoren mussten für Wartung und Reparaturen ausgebaut werden, am Flugzeug selbst waren Reparaturen nötig. Durch die Weltwirtschaftskrise ging Dornier das Geld aus, und auch die anderen Förderer waren plötzlich klamm. Hoffnungen, die Dornier in Vercharterung und Verkäufe weiterer Flugboote gesetzt hatte, zerschlugen sich. Zur Jahreswende 1931/32 war Dornier mit Lohnzahlungen im Rückstand, sodass Besatzungsmitglieder mit Abmusterung drohten. Bis Mai 1932 lag das überholte Flugboot mit einer Rumpfbesatzung auf dem Glenn Curtiss Airport, dann standen endlich genug Mittel für die Rückkehr nach Deutschland bereit. Am 19. Mai 1932 startete die Do X zum Rückflug über den Nordatlantik, und am 2. November 1932 war die Do X zurück in Altenrhein. 

Anfang Mai 1933 sollte die Do X die Donau abwärts Richtung Türkei fliegen, machte aber bei der Landung auf dem Stausee des Passauer Kachletkraftwerks Bruch. Das Leitwerk knickte ab und versank. Trotz Reparatur markierte der Unfall das Aus für die Passagierflüge. Die Do X wurde der Luft-Hansa-Schule in Travemünde zugeteilt und 1934 außer Dienst gestellt. Im folgenden Jahr wurde sie demontiert und nach Berlin überführt, um dort in der Deutschen Luftfahrt-Sammlung ausgestellt zu werden. Im November 1943 wurde sie bei einem Luftangriff schwer beschädigt. Erhalten geblieben sind ein Holzpropeller und das 1933 abgebrochene Leitwerk. 

Dornier baute 1931 noch zwei weitere Do X für die italienische Fluggesellschaft SANA. Beide waren kaum wirtschaftlich zu betreiben. Die X2 wurde 1935 verschrottet, die X3 zwei Jahre später.