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12.07.19 / Ein zweites Kuba auf dem Festland / Die sozialistischen Sandinisten stürzten vor 40 Jahren den von den USA protegierten Diktator Anastasio Somoza Debayle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-19 vom 12. Juli 2019

Ein zweites Kuba auf dem Festland
Die sozialistischen Sandinisten stürzten vor 40 Jahren den von den USA protegierten Diktator Anastasio Somoza Debayle
Wolfgang Kaufmann

Vor 40 Jahren stürzten die Rebellen der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN) das Regime des seit 1933 über Nicaragua herrschenden Somoza-Clans. Dies war der zweite Sieg einer linksorientierten Befreiungsbewegung in Lateinamerika seit dem Triumph von Fidel Castros Guerilleros über den Diktator Fulgenico Batista. Allerdings führte er genau wie in Kuba nicht zur Schaffung demokratischer Verhältnisse.

 Von 1927 bis 1933 herrschte in dem kleinen zentralamerikanischen Land Nicaragua Bürgerkrieg. In diesem obsiegte am Ende der Familienclan der Somozas – nicht zuletzt deshalb, weil Anastasio Somoza García, der Oberbefehlshaber der Nationalgarde, den populären Anführer seiner sozialrevolutionären Gegner, Augusto César Sandino, ermorden ließ. Danach etablierten die Somozas ein zutiefst diktatorisches und korruptes System, das trotz seines undemokratischen Charakters großzügige Wirtschafts-, Finanz- und Militärhilfen aus den USA erhielt. 

Das war auch 1967 noch so, als das Präsidentenamt an Anastasio Somoza Debayle ging. Unter der Herrschaft dieses Fast-Milliardärs und Fünf-Sterne-Generals der Nationalgarde verstärkte sich 1974 der Widerstand gegen das Somoza-Regime massiv. Dabei trat die 1961 gegründete, sozialistische Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN, Sandinistische Nationale Befreiungsfront) bald an dessen Spitze.

Am 27. Dezember 1974 nahm ein FSLN-Kommando in der Villa des Somoza-Ministers José María Castillo Quant um die 20 Geiseln und erzwang auf diesem Wege die Freilassung von acht inhaftierten Gesinnungsgenossen. Daraufhin rief Somoza den Ausnahmezustand aus, der bis zum 19. September 1977 andauerte. Danach begannen die Sandinisten eine Offensive gegen die Nationalgarde, die jedoch scheiterte. Wenig später befahl Somozas ältester Sohn die Ermordung des regierungskritischen Zeitungsverlegers und Vorsitzenden der oppositionellen Unión Democrática de Liberación (UDEL, Demokratische Union für die Befreiung), Pedro Joaquín Chamorro Cardenal, der als potenzieller neuer Präsident Nicaraguas gehandelt wurde. Die Folge hiervon waren heftige Straßenkämpfe zwischen Demonstranten und der Guardia Nacional. Am 22. August 1978 besetzten zwei Dutzend Kämpfer der FSLN unter der Führung von Edén Pastora Gómez alias Comandante Zero den Nationalpalast in Managua. Dabei fielen ihnen nun sogar 1500 Geiseln in die Hände, darunter auch José Somoza Abrego und Luis Paillais Debayle, beides enge Verwandte von Präsident Somoza. Durch diese Aktion gelang es, weitere 60 FSLN-Mitglieder aus dem Gefängnis freizupressen und durchzusetzen, dass die politischen Forderungen der Sandinisten in allen Medien Nicaraguas publik gemacht wurden.

Für Somoza war dies die schwerste propagandistische Niederlage seiner gesamten Amtszeit. Sie bildete das Startsignal für einen allgemeinen Aufstand im Lande, der am 9. September 1978 losbrach und zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führte. Bei den heftigen Kämpfen zwischen der FSLN, anderen bewaffneten Zivilisten und der Nationalgarde kamen bis zu 30000 Nicaraguaner ums Leben; weitere 150000 flüchteten nach Costa Rica und Honduras. Zunächst behielten die Truppen Somozas die Oberhand – allerdings distanzierten sich die USA nun zunehmend von dem Diktator und stellten schließlich auch ihre Militärhilfe ein. In dieser Zeit kam es zu einer Einigung zwischen den konkurrierenden Flügeln der FSLN, woraufhin diese im Mai und Juni 1979 die Kontrolle über 20 größere Städte erlangen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war das Somoza-Regime international fast vollkommen isoliert und militärisch kaum noch handlungsfähig. 

Deshalb floh Somoza am 17. Juli 1979 nach Florida – unter Mitnahme seiner Mätresse Dinorah Sampson, der Staatskasse, der Särge von Vater und Bruder, diverser Geheimakten und zweier Papageien. Zuvor hatte er mit der US-Regierung ausgehandelt, dass sein Schwager Francisco Urcuyo als neuer Übergangspräsident fungieren und die Macht an die Sandinisten übergeben sollte. Allerdings bestand Urcuyo, zuvor Parlamentspräsident des Landes, plötzlich darauf, das Amt bis 1981 auszuüben. Daraus wurde jedoch nichts, weil die in Auflösung befindliche Nationalgarde vor den Sandinisten kapitulierte.

Am 19. Juli 1979 übernahm eine „Regierungsjunta des nationalen Wiederaufbaus“, bestehend aus den FSLN-Vertretern Daniel Ortega, Sergio Ramírez und Moisés Hassan Morales sowie den Unternehmern Alfonso Robelo Callejas und Violeta Barrios de Chamorro, die Herrschaft, wobei die beiden Letztgenannten bereits im August kaltgestellt wurden, sodass die Kontrolle über Nicaragua danach ausschließlich in den Händen der Sandinisten lag. 

Diese waren zumeist wohlbehütet aufgewachsene und noch sehr junge Söhne oder Töchter vermögender Vertreter des Bürgertums, die gegen die Generation ihrer Eltern opponierten, weil diese sich in ihren Augen zu sehr an den USA orientiert und im Luxus geschwelgt habe. Deshalb sprach die kubanische Revolutionsikone Fidel Castro, eigentlich ein Erzfeind von Somoza, ernüchtert von „Kindern, die Revolution machen wollen, aber einen Fehler nach dem anderen begehen“. Und tatsächlich kam es in Nicaragua bald zur vollkommenen Desorganisation der Wirtschaft, während die Inflationsrate sukzessive auf 36000 Prozent stieg. Das tägliche Leben unter den Sandinisten wurde durch Armut, Versorgungsengpässe sowie eine ausufernde Bürokratie und Zensur geprägt. Außerdem erklärte das neue Re­gime in Managua den Miskito-Indianern den Krieg und deportierte diese aus ihren Siedlungen an der Karibik-Küste ins Landesinnere. Letztendlich herrschte in Nicaragua also genauso wenig Demokratie wie unter dem Somoza-Clan, weshalb die ersten wirklich freien Wahlen nach dem Sieg der Sandinisten auch erst im Jahre 1990 stattfanden. Das hinderte die damals schon sehr zahlreichen linken Romantiker im Westen sowie die Regierungen des Ostblocks nicht daran, sich mit der Ortega-Junta solidarisch zu zeigen. Und dann waren da noch derart berühmte Sympathisanten wie der PLO-Chef Jassir Arafat, Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi und die Mullahs in Teheran.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Bevölkerung Nicaraguas die Sandinisten am 25. Februar 1990 abwählte. Allerdings gelang Daniel Ortega 16 Jahre später erneut der Sprung ins Präsidentenamt. In dem hält er sich bis heute, indem er die zunehmenden Proteste der Bevölkerung gegen seine Politik in diktatorischer Manier mit Waffengewalt unterdrücken lässt.