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12.07.19 / »Heute ist es nur noch grün« / Preußens kleinste Stadt Kupferberg im Riesengebirge ist tot – doch einmal im Jahr lebt sie zum Miedzianka-Fest wieder auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-19 vom 12. Juli 2019

»Heute ist es nur noch grün«
Preußens kleinste Stadt Kupferberg im Riesengebirge ist tot – doch einmal im Jahr lebt sie zum Miedzianka-Fest wieder auf
Chris W. Wagner

Obwohl es erst zum dritten Mal stattfindet, genießt das Kulturfestival „Miedzianka-Fest“ (miedz heißt Kupfer auf Polnisch, Fest in deutscher Sprache) in Kupferberg im Riesengebirge [Miedzianka] bereits Kultstatus und zieht neben Touristen renommierte Literaten und Künstler aus ganz Europa an. Auf Besucher warten vom 23. bis 25. August Literaturabende und Konzerte im Freien sowie Dokumentarfilm- und Theateraufführungen. 

Es gibt Text-Ausflüge in die Welt des Journalismus. Als Besonderheit versprechen die Organisatoren ein Reportage-Experiment, an dem die Kupferberger und Touristen mitwirken. Es trägt das Motto: „Wie dem auch sei“ (bylo nie bylo), „denn die Reportage ist heute nicht mehr nur eine bloße Wiedergabe von Fakten. Das Interessante ist heute das Ineinanderfließen verschiedener Formen, wenn die Fiktion die Form eines Dokuments erhält und das Dokument wie eine Fiktion wirkt. Für uns ist es dann am interessantesten, wenn der Leser konfus wird und überlegen muss, was wahr ist und was sich der Autor ausgedacht hat. Eben in dieser Unsicherheit liegt die wahre Kraft der Literatur“, so Wlodzimierz Nowak, Ideengeber des Miedzianka-Festes.

Der in Posen lebende polenweit bekannte Journalist und Autor Nowak arbeitet seit 1993 als Publizist bei der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“. Er schreibt literarische Reportagen für die Beilage „Großes Format“ (Duzy Format). Nowak wurde 2008 mit dem Deutsch-Polnischen Journalistenpreis ausgezeichnet und erhielt 2010 zusammen mit der Übersetzerin Joanna Manc den Ehrenpreis des Georg-Dehio-Buchpreises für seine Reportagensammlung „Die Nacht von Wildenhagen“. In Kupferberg sammelt Nowak Erzählungen, Essays und Beiträge, aus denen während des Miedzianka-Fests eine Art improvisiertes, multimediales Feature entsteht.

Einer, der Kupferberg – die mit 600 Einwohnern einmal kleinste Stadt Preußens – polenweit berühmt machte, ist der Journalist und Fotograf Filip Springer. Vor Jahren verliebte er sich in Kupferberg – einen Ort, den es eigentlich nicht mehr gibt. Springer, der für Politmagazine wie „Polityka”, „Polska The Times” oder „Newsweek Polska” arbeitet, unterrichtet an der Posener Hochschule für humanistische Wissenschaften und Journalistik. Vor zehn Jahren begann er Reportagen über Kupferberg zu schreiben. In einer heißt es: „Karl Heinz Friebe steht zwischen Brennesseln und zeigt ruhig mit seinem Schirm: Dort stand das Breuer-Restaurant, dort die Apotheke. Hier, wo wir stehen, war die Stube meiner Großmutter, von hier betrat man den Flur und ging hinaus zu einem wunderschönen Apfelbaum. Kupferberg war einmal sehr schön und grün. Heute ist es nur noch grün“. Diesen Text schrieb Springer bereits 2009 in der „Polityka“. 2011 folgte sein Buch „Kupferberg. Die Geschichte des Verschwindens“ (Miedzianka. Historia znikania). 

Springer, der von Beruf Archäologe ist, archiviert seine ausgegrabenen „Erinnerungs-Protesen” und macht sie in seinem Buch und den Reportagen wieder lebendig. Der Ort, von dem nach dem Ende des Uranerzabbaus Anfang der 70er Jahre quasi nur noch die Kirche überdauert hat, lebt dank ihm zumindest für ein Wochenende im Jahr, beim Miedzianka-Fest, wieder auf. Dann kommen ehemalige Einwohner zurück, die in den 70er Jahren vom polnischen Staat in die Großstadt Hirschberg [Jelenia Gora] umgesiedelt wurden.

Fast schon wäre das Miedzianka-Fest 2019 ausgefallen, da das polnische Ministerium für Kultur und Nationales Erbe die finanzielle Unterstützung strich. Am 11. Juni startete das Institut für Reportage in Posen eine Internet-Sammelaktion. Springer traute seinen Augen nicht, als er nur einen Tag darauf die noch fehlende Summe von 15000 Zloty auf dem Spendenkonto sah, was ein Viertel des Gesamtetats ausmachte.

Kupferberg erreicht man vom zwei Kilometer entfernten Bahnhof Jannowitz [Janowice Wielkie] zu Fuß. Nach Jannowitz gibt es als Endpunkt im touristisch gut ausgebauten Riesengebirge nach wie vor Direktverbindungen aus Warschau und Posen. Mit der Niederschlesischen Eisenbahngesellschaft [Koleje Dolnoslaskie] erreicht man Jannowitz zudem aus Breslau, Hirschberg und Waldenburg.