18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.07.19 / Seltsame Koalition

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-19 vom 19. Juli 2019

Seltsame Koalition
Theo Maass

Berlins rot-rot-grüner Senat hat bei der Aufnahme seiner Amtsgeschäfte verkündet, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu fördern und den motorisierten Individualverkehr einzuschränken. Bisher ist Verkehrssenatorin Regine Günther jedoch mehr als Mobilitätsverhindererin in Erscheinung getreten. Nun hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller mit der von ihm geforderten 365-Euro-Jahreskarte erstmals konkret etwas in dieser Richtung unternommen. 

Bisher kostete die BVG-Jahreskarte 761 Euro. Vorbild sei Wien, wie er in einem Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ erklärte: „Ich hoffe sehr, dass wir das in der Berliner Politik auch wirklich gemeinsam  beraten können. Dazu muss es gar keine politische Auseinandersetzung geben, weil ich davon ausgehe, dass alle akzeptieren, dass alle Verkehrsteilnehmer, also auch der Individualverkehr, ihre Berechtigung haben. Aber dass wir gemeinsam mehr tun müssen für eine lebenswerte Stadt mit einem guten ÖPNV. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es darum einen Streit gibt.“

Lediglich die Berliner CDU konnte neben der regierenden SPD dem Vorschlag etwas abgewinnen. „Wir finden das Wiener Modell interessant“, erklärte Oliver Friederici, der verkehrspolitische Sprecher der Spree-Union. Eine seltsame „Koalition“ von Linkspartei, Grünen, AfD, FDP und Springer-Presse bekundete ihr Missfallen. Bei Grünen und Linkspartei ist die Ablehnung rasch erklärt. Beide wollen etwas vollkommen anderes, auch wenn es sich vielleicht ähnlich anhört. Das nennt sich „solidarisches, umlagefinanziertes Modell“ und läuft darauf hinaus, dass alle Bewohner Berlins eine Umlage zahlen und dafür „Hinz und Kunz“ kostenlos Bahn und Bus benutzen können. 

Andere Pläne sehen vor, allen Autofahrern eine solche Umlage aufzuerlegen. FDP und AfD begründen ihre Ablehnung damit, dass zunächst das ÖPNV-Angebot verbessert werden solle.  Beide glauben ernsthaft, Autofahrer würden gern noch höhere Fahrkartenpreise bezahlen, wenn die Bahnen pünktlicher und sauberer wären. Die Frage des Preises halten sie für nachrangig. Warum die Springer-Presse die vielfältige Kritik befeuert, ist schwer verständlich. 

Bei FDP und AfD ist fern von sachlichen Erwägungen die Haltung zu hinterfragen. Zum einen ist der SPD-Vorschlag durchaus geeignet, die Zahl der ÖPNV-Nutzer zu vermehren. Abseits davon bot sich hier die einmalige Möglichkeit, auf sachpolitischer Ebene die Koalitionäre auseinanderzutreiben. Eine solch einmalige Chance wird wohl so rasch nicht wiederkommen. In der Baupolitik hält Rot-Rot-Grün trotz desaströser Ergebnisse eisern zusammen.