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19.07.19 / Rumänien wechselt im Zweiten Weltkrieg die Seite / Nach dem Beginn des sowjetischen Großangriffs auf Rumänien putschte dessen König gegen dessen Staatsführer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-19 vom 19. Juli 2019

Rumänien wechselt im Zweiten Weltkrieg die Seite
Nach dem Beginn des sowjetischen Großangriffs auf Rumänien putschte dessen König gegen dessen Staatsführer
Friedrich G. Bohm

Während die Welt im Sommer 1944 gespannt auf die militärischen Ent­wick­lungen in Frankreich blickte, vollzog sich – von vielen bis heute wenig beachtet – im Südosten Europas eine sowjetische Offensive. Der sowjetische Großangriff auf Deutschlands Verbündeten Rumänien, die nach den bessarabischen Städten Jassy und Kischinew benannte Operation Jassy-Kischinew verursachte mit dem königlichen Staatsstreich in Bukarest eine der schlimmsten Katastrophen für die deutsche Wehrmacht.

Am Sonntag, den 20. August 1944 in der Frühe griff die Rote Armee mit stark überlegenen Kräften von Osten und Norden bei Iasi besonders die von rumänischen Truppen belegten Frontabschnitte an. Diese reagierten wegen des ambivalenten rumänischen Verhältnisses zu Deutschland zunächst recht unterschiedlich. Weisungen der verschiedenen Bukarester Akteure taten ein Übriges. Wo Offiziere Anhänger des Königs, Michael I. aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen, waren, zogen diese ihre Verbände schnell zurück, manche Stäbe setzten sich auch ab, ohne ihre Soldaten zu unterrichten. Einige Gefolgsleute des Staatsführers (Conducator al Statului), Ministerpräsidenten und Marschalls Ion Antonescu verhielten sich abwartend, und nur die Soldaten, die der NSDAP-nahen, antisemitischen, gemeinhin als faschistisch oder klerikalfaschistisch bezeichneten Eisernen Garde nahestanden, kämpften vorerst weiter. In die von den rumänischen Verbänden hinterlassenen Lücken rück­ten – manchmal sogar nach Absprache – schnell die Russen vor, sodass diese häufig schon am ersten Tag hinter deutschen Truppen stehend diese einschlossen und vernichteten.

Die ausweglose Situation führte zu einer heillosen Flucht, der die rumänischen Wege und Brücken nicht gewachsen waren. Auch die Landschaft, mit sanften Tälern und Hügeln in Nord-Süd-Verlauf, erschwerte den Rück­zug nach Westen und erleichterte den Sowjets den weiteren Vormarsch von Norden her. Zwei Tage später war die nach der Schlacht von Stalingrad wieder aufgestellte 6. Armee der Wehrmacht erneut völlig zerschlagen. Nur etwa 10000 deutsche Soldaten entkamen unter Zurücklassung allen Geräts Tod und russischer Gefangenschaft. 

In diese Situation platzte am 23. August 1944 der königliche Staatsstreich Michals I. Die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich wurden abgebrochen, Antonescu wurde verhaftet, und die rumänische Armee wechselte die Seite. Dieser Putsch von oben war seit dem Frühjahr 1943 vorbereitet worden. Neben Oppositionellen hatten auch Regierungsmitglieder ihre Fühler zu den Westalliierten und der Sowjetunion ausgestreckt. Obwohl dies der deutschen Abwehr wohl bekannt war und zahlreiche deutsche Offiziere in Rumänien dies ahnten, fehlte ein Gegenkonzept. Die rückwärtigen Dienststellen und die zum Schutz der kriegswichtigen Erdölfelder bei Ploiesti eingesetzten Flugabwehrverbände waren mit knapp 3000 Mann viel zu schwach. 

Ein von Berlin aus befohlener Luftangriff auf den Königspalast und Regierungsgebäude in Bukarest führte zur Kriegserklärung Rumäniens an Deutschland am 25. August und zu großer Empörung unter der rumänischen Bevölkerung. Zu den Hauptleidtragenden dieser Entwicklung gehörten die – alleine oder in kleinen Gruppen – nach Westen flüchtenden deutschen Soldaten, die bis dahin von der Zivilbevölkerung leidlich mit Lebensmitteln oder Schlafplätzen in Scheunen versorgt worden waren. Diese Unterstützung blieb nun nahezu völlig aus, mit Ausnahme der ohnehin schon unter Druck stehenden deutschen Volksgruppe.

Durch den überraschenden und schnellen Vorstoß der Sowjets und die heillose Flucht der Wehrmacht gibt es kaum Aufzeichnungen über die deutschen Verluste. Zu keinem anderen Kriegsschauplatz gibt es so viele Suchanfragen nach Vermissten. Deren Zahl wird auf rund 80000 geschätzt. Es sind wohl über 100000 deutsche Soldaten gefallen. Deutlich mehr gingen in Gefangenschaft. Von denen starben mehr als die Hälfte in den sowjetischen Lagern oder schon auf dem Weg dorthin. Die bis September 1944 gefangenen rumänischen Soldaten verblieben noch lange bei den Sowjets.

Die deutsche Wehrmacht muss­te in der Folge den gesamten Balkan räumen. Die einst geachtete deutsche Volksgruppe wurde zum Paria, Zehntausende wurden zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion abtransportiert. Rumänien musste vier Jahrzehnte unter kommunistischer Herrschaft leben.