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19.07.19 / Polonaise im Schnellkurs / Ein Zwergenorchester erinnert an ein fast reindeutsches Nachkriegs-Musikensemble

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-19 vom 19. Juli 2019

Polonaise im Schnellkurs
Ein Zwergenorchester erinnert an ein fast reindeutsches Nachkriegs-Musikensemble
Chris W. Wagner

Man stolpert fast über die Bronze-Gnome in Breslau. Mittlerweile sind es 400 und sie sind längst schon das neue Markenzeichen der Schlesischen Metropole. Dieses Jahr erst kamen zwei neue hinzu, den einen stiftete der in den Ruhestand gegangene Oberbürgermeister Rafal Dtukiewicz dem Breslauer Integrationskindergarten und nannte ihn Integracjanek. Einen weiteren bekam Marek Krajewski für seine auch in Deutschland bekannten Breslaukrimis, die im deutschen Vorkriegs-Breslau spielen. 

Gleich ein ganzes Zwergenorchester fand im vergangenen Jahr vor dem Nationalforum für Musik Platz, dem 2015 eröffneten Konzerthaus. Der Leiter des Nationalforums und Träger des Kulturpreises Schlesien 2018, Andrzej Kosendiak, interessierte daran vor allem die Anordnung der Musiker und der Instrumente. Das Ensemble ist mit einer kleinen Tafel versehen, auf der das Datum des ersten Konzertes in der Nachkriegsgeschichte Breslaus verewigt wurde. „Dieses Datum ist sehr symbolisch: Am 29. Juni 1945, also eineinhalb Monate nach der Kapitulation der ‚Festung Breslau’ war die Musik wieder in der Stadt zu Gast. Als Breslau noch in Trümmern lag und die Brände noch nicht gelöscht waren, fanden sich in der Stadt Menschen, die trotzdem normal leben wollten. Und dieses Leben konnten sie sich ohne Musik nicht vorstellen. Unter den Musikern waren nur fünf Polen. Den Rest bildeten einheimische Deutsche“, berichtet Stadtführerin Malgorzata Urlich-Kornacka. Die Germanistin, Slawistin und Autorin führt besonders gerne Deutsche durch ihre Wahlheimatstadt. Immer wieder trifft sie dabei auf Menschen, von denen sie noch etwas über das Vorkriegs-Breslau erfahren kann. 

Das erste Nachkriegskonzert unter der Leitung des Geigenspielers und Dirigenten Stefan Syryllo  fand im erhalten gebliebenen Gebäude des damaligen Stadttheaters, der heutigen Breslauer Oper, statt. Das war der Anfang der Breslauer Nachkriegsphilharmonie. „Das musikalische Leben im Nachkriegsbreslau begann bravourös und freudig zugleich. Bravourös, weil es mit der Polonaise A-Dur von Chopin begann und freudig, weil der russische Kommandant unter so einem Eindruck des Konzerts stand, dass er den Musikern danach hundert Liter Wein schenkte“, berichtet Urlich-Kornacka. Auch das Ballettensemble bildeten Deutsche. Diese muss-ten in kürzester Zeit Polonaise, Mazurkas und andere polnische Nationaltänze erlernen. Der Chor und die Kostüme wurden aus dem oberschlesischen Beuthen [Bytom] geholt. Die verworrene Nachkriegszeit wollte der Bildhauer Piotr Makala in seinem Zwergenorchester unbedingt wiedergeben und brachte die Noten der freundlich lächelnden 21 Zwerge mächtig durcheinander. „Die Schönheit selbst in Trümmern zu sehen – ich würde mir heutzutage so viel Enthusiasmus wünschen, wie sie die damaligen Einwohner hatten“, sagte Andrzej Kosendiak, dessen Eltern aus Lemberg nach Breslau kamen und ihre Zukunft auf den Ruinen aufbauten. 

Ähnlich interessante Geschichten erzählen viele der Breslauer Zwerge. Aufstellen kann sie jeder, der einige Tausend Zloty für die Figuren aufbringen kann und die Genehmigung der Besitzer des Platzes, wo so ein Gnom angebracht werden soll, einholt. Die ersten Zwerge wurden noch zur kommunistischen Zeit als Graffiti an Hausfassaden gemalt. Die Zwerge erschienen erstmals dort, wo die Kommunisten antikommunistische Slogans übermalt hatten und damit quasi leere Felder entstanden. Nach der politischen Wende wurde es erst einmal still um die Zwerge, bis sie 2003 ihr zweites Leben erhielten. Initiator für die Wiedergeburt war Stadtpräsident Dutkiewicz, der auf einer Gedenktafel die Fassaden-Zwerggeschichte verewigen ließ. Begleitet wurde diese Erinnerung ab 2005 durch die ersten plastischen Zwerge von zirka 30 Zentimetern Höhe im Stadtbild. Zwei der Zwerge fanden sogar ihren Weg in Breslaus Partnerstadt Dresden. 2014 schenkte Dutkiewicz einen Zwerg, der die Wappen beider Städte trägt, seiner Dresdner Amtskollegin Helma Orosz. Dieser ziert nun den Dresdner Hietzigbrunnen. Mitte Juni 2019 wurde an der Treppe zum Ratskeller am Neuen Rathaus in Dresden ein weiterer Breslauer Zwerg aufgestellt.