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19.07.19 / Hölzerner Wallfahrtsort / Die Stabkirche Wang im Riesengebirge – Preußens König machte 40000 Taler locker, um sie aus Norwegen zu holen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-19 vom 19. Juli 2019

Hölzerner Wallfahrtsort
Die Stabkirche Wang im Riesengebirge – Preußens König machte 40000 Taler locker, um sie aus Norwegen zu holen
Martin Stolzenau

Zu Füßen der Schneekoppe liegt im Riesengebirge eine norwegische Stabholzkirche. Ein preußischer König und eine Gräfin ließen sie vor 175 Jahren vom hohen Norden dorthin versetzen.

Stabkirchen wurden ab dem 11. Jahrhundert parallel zur er­folg­reichen Christianisierung als einfache Saalkirchen, Mittelmast- sowie Mehrmastkirchen mit einer Hochsäulenkonstruktion im Inneren erbaut. Sie gelten als Relikte des Mittelalters in der Tradition der Holzbautechnik der Wikinger. Von den rund 750 ursprünglich in Norwegen verbreiteten Stabkirchen mit vielen heidnischen Schmuckelementen wie Odindarstellungen und Drachenköpfen blieben bis heute noch 30 historische Objekte erhalten. Davon 28 im Land der Nordmänner.

Zwei Stabkirchen gelangten nach Abbau und Verkauf ins Ausland. Größere Bekanntheit erlangte dabei die Kirche aus dem südnorwegischen Ort Vang – bei den Preußen „Wang“ gechrieben–, zumal sich für ihre Versetzung nach Deutschland drei prominente Persönlichkeiten engagierten. Das waren Johann Christian Clausen Dahl, der bedeutendste norwegische Landschaftsmaler, der  in Dresden als Kunstprofessor fungierte, König Fried­rich Wilhelm IV. von Preußen und Friederike Gräfin von Reden, die Frau des preußischen Ministers für das Berg- und Hüttenwesen. 

Dahl wollte, als er von den Neubauplänen in Vang erfuhr, die ab­gebaute Altkirche nach Deutschland holen und kaufte sie 1840 für wenig Geld. Doch die Überführungskosten überstiegen seine Möglichkeiten. Deshalb bot er die norwegische Besonderheit dem Preußenkönig an, der wegen seiner Kirchenverbundenheit und seines Kunstsinns bekannt war.

Friedrich Wilhelm IV. übernahm die Überführungskosten, bestimmte als neuen Standort des norwegischen Kirchenoriginals die Pfaueninsel in Berlin-Wannsee, einem damaligen Refugium der Hohenzollern und seit 1990 Weltkulturerbe, und erzählte von diesem Vorhaben auch Freunden. Dazu gehörte jener Kreis des preußischen Hochadels, der im Hirschberger Tal nahe der Schneekoppe in Schlesien Schlösser unterhielt, sich regelmäßig traf und auch einige Hohenzollern einschloss. 

Der König selbst schätzte die Hirschberger Talidylle sehr und fand im benachbarten Schloss in der Gräfin von Reden eine Gesinnungsfreundin. Die Gräfin war von der königlichen Absicht der Überführung der Stabkirche be­geistert. Doch als Standort favorisierte sie eine andere Umgebung als die idyllische Pfaueninsel. Die immer noch attraktive, überaus kirchenverbundene und kunstsinnige Gräfin zog in der Folge alle Register der Einflussnahme, um die Stabkirche nach Brückenberg zu holen.

Friederike von Reden war eine 1774 geborene Freiin Riedesel zu Eisenbach und Tochter eines Generals, der als Kommandeur der braunschweigischen Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auf englischer Seite gekämpft hatte. Als Ehefrau des um 22 Jahre älteren preußischen Oberberghauptmanns Friedrich Wilhelm von Reden lebte die Generalstochter ab 1802 hauptsächlich auf den Familiengütern in Schlesien. Ihr Stammsitz lag im Hirschberger Tal mit prominenter Nachbarschaft. Die reichte von den Fürstenhäusern Reuß, Schaffgotsch sowie Radziwill über den Generalfeldmarschall von Gneisenau bis zu verschiedenen Hohenzollern. Alle besaßen Schlösser in dieser reizvollen Landschaft.

Nach dem frühen Tod ihres Mannes 1815, der zuletzt als preußischer Minister fungiert hatte, widmete sich die Reden-Witwe einem breiten Aufgabenspektrum. Das reichte von der Entwicklung der Buchwalder Bibelgesellschaft zum sozialen Hilfswerk für Schlesien mit besonderen Hilfsleistungen für die schlesischen Weberfamilien über den Aufbau des Exulantendorfes Zillerthal-Erdmannsdorf zur Ansiedlung von rund 

500 protestantischen Glaubens- flüchtlingen aus dem Tiroler Zillertal bis zur Gewinnung der Stabkirche aus Vang als Gotteshaus für die Riesengebirgsdörfer unterhalb der nahen Schneekoppe. Bei alledem nutzte sie ihre freundschaftlichen Kontakte zum Prinzen und dann – ab 1840 – König Fried­rich Wilhelm IV. 

Mit Erfolg. Sie machte dem König klar, dass die Stabkirche zwar den Reiz der Pfaueninsel erhöhen würde, aber in den benachbarten Dörfern für die Gläubigen notwendiger war. 

Die schon von Bergen in Norwegen über Stettin in Pommern nach Berlin verschifften Kirchenteile wurden nun auf Weisung des Königs in das Hirschberger Tal gebracht. Mehr noch. Friedrich Wilhelm IV. stellte für das Projekt 40000 Taler zur Verfügung. Die Gräfin überzeugte die Familie von Schaffgotsch zur Bereitstellung eines Grundstücks für die Kirche, überwachte die Überführung und dann den Wiederaufbau unter Leitung des Baumeisters Hamann.

Am 28. Juli 1844 fand in Anwesenheit des Königs die Weihe der Stabkirche am neuen Standort statt. Dazu gesellten sich dann noch ein fester Turm, ein Pfarrhaus und ein Schulgebäude für die Kinder der Gläubigen. Diese Zusatzbauten musste August Stüler, der Stararchitekt Friedrich Wilhelms IV., errichten. 

Als die wegen ihrer sozialen Wohltaten „Mutter des Hirschberger Tals“ genannte Gräfin 1854 starb, ließ der König nahe der Stabkirche für sie ein Denkmal errichten. Heute gehört für alle Reisegruppen nach Schlesien und ins Hirschberger Tal auch ein Besuch der Stabkirche von Brückenberg, das heute ein Ortsteil von Krummhübel ist, zum Programm. Sie gedieh inzwischen zum sprichwörtlichen Wallfahrtsort.