25.04.2024

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19.07.19 / Politik aus nächster Nähe betrachtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-19 vom 19. Juli 2019

Politik aus nächster Nähe betrachtet
Dirk Klose

Eine Erfahrung aus dem politischen Milieu hat Günter Bannas am Ende mitgenommen: „Die härtesten Kämpfe finden innerhalb der Parteien statt und nicht etwa im Konflikt mit dem sogenannten politischen Gegner... Darum gilt in der Politik die paradoxe Steigerung Feind, Todfeind, Parteifreund – auch für jene, die ganz anders sein wollen.“ Der das schreibt, hat Politik über Jahrzehnte aus nächster Nähe beobachten können. Für die „Frankfurter Allgemeine“ war er ab 1981 Korrespondent in Bonn, von 1999 bis zum vergangenen Jahr leitete er deren Hauptstadtbüro in Berlin. 

In beiden Städten gehörte und gehört Bannas zu den angesehensten Schreibern der Zunft, nicht nur unter Kollegen, sondern auch in der Politik. Jetzt hat er seine Bonner und Berliner Jahre noch einmal Revue passieren lassen. Der Titel „Machtverschiebung“ drückt recht deutlich aus, was er beschreibt: Der Wechsel von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin war kein bloßes „business as usual“, sondern die politische Arbeit in Berlin wurde schwieriger, härter und hektischer, unübersichtlicher und konfrontativer. 

Bannas berichtet ohne Nostalgie, aber doch mit Sympathie von den etwas ruhigeren Jahren in Bonn. Der „Betrieb“ war einfach noch überschaubarer. Kamen in Bonn zu einem Pressetermin vielleicht 20 Journalisten, sind es in Berlin an die 100. Der abendliche Redaktionsschluss der Zeitungen bestimmte die zeitlichen Abfolgen. Heute verlangt das Online-Angebot rund um die Uhr ständige Präsenz bei Politikern und natürlich auch bei den Medien. 

Der Autor hat viele Interviews und Hintergrundgespräche mit allen Kanzlern und den wichtigsten Politikern von Regierung und Opposition geführt. Kohl, Lafontaine, Schröder, Müntefering, aber auch Schäuble, Fischer und besonders natürlich Angela Merkel werden in Charakter, politischem Wollen, mit ihren Erfolgen und ihrem Scheitern anschaulich geschildert.

Das immense Wissen des Autors selbst um kleinste Vorgänge und sein treffsicherer Stil machen die Lektüre über den Berliner Politikbetrieb fast durchweg zu einem Vergnügen, auch wenn man nicht alle Meinungen teilt, etwa den „Autoritätsverlust“ der Kanzlerin. Ebenso gefällt, wie Bannas die Mechanismen im Bundestag oder auch die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Politik und Medien beschreibt – Kommunikation ist für beide (über-)lebenswichtig. Schröder war darin ein Meister, auch Merkel ist längst Profi geworden.

Das Buch reicht bis zum Sommer 2018, also bis zum Wechsel im CDU-Vorsitz zu Annegret Kramp-Karrenbauer, auch hier nach außen freundlicher Wettbewerb, innerhalb der Partei aber giftige Kämpfe zwischen ihr und Merz. Wie überhaupt im ganzen Buch politische Kämpfe und Auseinandersetzungen dominieren, fehlen fast gänzlich Strukturfragen aus Wirtschaft und Gesellschaft. Aber das war ja auch die Absicht des Autors, den deutlichen äußeren Wechsel seit dem Umzug nach Berlin zu zeigen.

Ein Einwand aber doch: Wer, gewissermaßen von einem fremden Stern kommend, das Buch liest, könnte zu der Auffassung kommen, das politische Geschehen gleiche einer ständigen Kata-strophenfolge. Die Regierungszeit Merkels erscheint mitunter wie das Wirken ihrer Akteure am Abgrund. 

Tatsächlich war und ist es doch aber anders: Alle von ihr geführten Regierungen, ob mit der SPD oder der FDP, sind bei allem Getöse gut durch die Zeit gekommen und haben, dem Zuspruch der Wähler nach zu urteilen, zu deren Zufriedenheit gearbeitet. Ob das so bleibt, ist natürlich offen.

Günter Bannas: „Machtverschiebung. Wie die Berliner Republik unsere Politik verändert hat“, Propyläen Verlag, Berlin 2019, gebunden, 336 Seiten, 24 Euro