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26.07.19 / Jeder fremdelt mit jedem / Gegen die CDU läuft in Sachsen nichts, aber ihr fehlt ein potenzieller Koalitionspartner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-19 vom 26. Juli 2019

Jeder fremdelt mit jedem
Gegen die CDU läuft in Sachsen nichts, aber ihr fehlt ein potenzieller Koalitionspartner
Peter Entinger

Am 1. September wählen die Bürger des Freistaats Sachsen einen neuen Landtag. Passiert kein Wunder, kann sich CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer im Amt halten.

Noch sind Sommerferien, doch der Wahlkampf wirft seine Schatten voraus. In fünf Wochen haben die Sachsen die Wahl und derzeit diskutiert der Freistaat vor allem darüber, mit welcher Liste die AfD letztlich antreten darf. Der Landeswahlausschuss hat entschieden, dass die AfD nur mit 18 Listenbewerbern antreten darf, obwohl die Partei insgesamt 61 Kandidaten aufgestellt hatte. Der Landeswahlausschuss erklärte die Plätze 19 bis 61 allerdings für ungültig und begründete dies mit einem Verstoß gegen das Landeswahlgesetz. Die zweite Versammlung zur Besetzung der hinteren Listenplätze sei nicht regulär gewesen. Dagegen hat die Partei Einspruch eingelegt.

Unabhängig vom Ausgang des juristischen Tauziehens dürften sich die Hoffnungen des Spitzenkandidaten Jörg Urban, er könne den CDU-Mann Michael 

Kretschmer als  Ministerpräsidenten ablösen, als frommer Wunsch herausstellen. Denn: Selbst wenn die AfD als stärkste Partei aus der Abstimmung hervorgehen sollte, ein Koalitionspartner, der ihr zur Mehrheit verhilft, dürfte sich nicht finden lassen. Die CDU hat mittlerweile klargestellt, dass sie weder mit der AfD verhandeln, noch mit ihr koalieren werde. Und der FDP-Spitzenkandidat Holger Zastrow, dessen Partei derzeit mit rund sechs Prozent um den Einzug ins Dresdner Parlament kämpft, stellte klar: „Lieber Opposition als mit denen.“

Die CDU, die je nach Umfrage zwischen 26 und 30 Prozent schwankt, hat den Vorteil, dass gegen sie nicht regiert werden kann. Dies liegt vor allem daran, dass die SPD, die Wirtschaftsminister Matin Dulig ins Rennen schickt, Mühe habe wird, zumindest ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen. Während FDP Mann 

Zastrow die Hoffnung nicht aufgegeben hat, „dass es mit SPD, FDP und CDU reichen könnte“, bringen sich die Grünen in Position. Vor fünf Jahren schafften sie mit 5,7 Prozent den Einzug mit Ach und Krach. Beflügelt vom Bundestrend scheint ihnen diesmal ein Ergebnis von weit über zehn Prozent sicher zu sein. „Die Grünen werden in jedem Fall regieren“, sagte ein Funktionär der Sachsen-CDU gegenüber dem „Berliner Tagesspiegel“. Dennoch ist auffallend, dass Ministerpräsident und CDU-Landeschef Kretschmer zu Beginn des Wahlkampfs mit Vorliebe gegen die Öko-Partei keilte. In den vergangenen Wochen verglich er die Grünen mit der AfD. Beide Kräfte ähnelten sich sehr darin, „dass sie nur ihre eigene Position als das Absolute sehen, dass sie nicht fähig sind zu Kompromissen“.

Die Grünen-Chefin Christin Melcher reagierte empört und wies den Vergleich als „unerhört“ zurück. Zugleich streuen die Grünen eifrig Gerüchte, die CDU könnte nach der Wahl doch noch schwach werden, wenn es um eine Zusammenarbeit mit der AfD geht. „Ob die sächsische CDU eine Koalition mit der AfD ausschließt, wissen wir erst nach der Wahl. So oder so hat sie den Aufstieg der AfD mit ermöglicht, der sie nicht mit der notwendigen Entschlossenheit entgegengetreten ist“, sagt Melcher. 

Das Fremdeln zwischen Union und Grünen hängt eng mit der Person des Dresdner Politikwissenschaftlers Werner Patzelt zusammen. Er war früher als Gutachter für die AfD tätig, gilt als vehementer Kritiker von Kanzlerin Merkels Zuwanderungspolitik. Nun ist er Ko-Vorsitzender von Kretschmers Wahlkampfkommission und schielt in dieser Funktion auf unsichere AfD-Wähler. Seiner Partei empfiehlt er, über eine Minderheitsregierung nachzudenken, bei der sich die CDU mit wechselnden Mehrheiten stützen lassen solle. Die CDU solle in dieser Konstellation „mit sämtlichen Kräften im Parlament verhandeln, von Linkspartei bis AfD“, erklärte Patzelt kürzlich. Seine Hoffnung: Die AfD könnte sich in einen radikalen Teil und einen solchen, der politikfähig ist, spalten.

Und noch eine große Unbekannte gibt es im sächsischen Wahlkampf. So ist nicht ausgeschlossen, dass die Freien Wähler nach Bayern in einem weiteren Flächenland den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. In den letzten Umfragen lag die Partei, die im Freistaat schon als „AfD light“ bezeichnet wird, zwischen drei und vier Prozent. Verantwortlich dafür sind vor allem zwei Frauen. Antje Hermenau, früher Fraktionschefin der Grünen im sächsischen Landtag, die ihre Partei entnervt verließ und die sich mittlerweile „fest im konservativen Spektrum“ verortet, und Cathleen Martin, Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft in Sachsen und Spitzenkandidatin ihrer Partei. „Ich habe kein überhöhtes Verhältnis zu Europa. Aber ich habe eine Heimat“, sagt Hermenau und meint Sachsen. Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr erzielte ihr Bündnis ein Drittel aller Sitze.

Nun soll der große Coup folgen. Auf der Landesliste steht Hermenau nicht, sie führt aber den Wahlkampf. Es ist kein Geheimnis, dass sie als künftige Fraktionsgeschäftsführerin vorgesehen ist. „Wir werden es schaffen“, sagt sie siegessicher.