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26.07.19 / Der BMW 700 rettete die Bayerischen Motorenwerke / Vor 60 Jahren begann die Produktion des nierenlosen Kleinwagens – Ein Schritt zum Füllen der Lücke zwischen Isetta und »Barockengel«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-19 vom 26. Juli 2019

Der BMW 700 rettete die Bayerischen Motorenwerke
Vor 60 Jahren begann die Produktion des nierenlosen Kleinwagens – Ein Schritt zum Füllen der Lücke zwischen Isetta und »Barockengel«
Markus Bauer

Bei Oldtimertreffen oder -ausfahrten taucht er sehr selten auf. Dem Bewusstsein der Bevölkerung scheint er entschwunden zu sein. Dabei gehört der BMW 700 zu den Fahrzeugen, die mit der Geschichte des bayerischen Autobauers ganz besonders verbunden sind. Denn der Kleinwagen sorgte Ende der 50er Jahre dafür, dass das Unternehmen nicht vom Konkurrenten Daimler-Benz übernommen wurde, sondern letztlich seinen weltweiten Siegeszug antreten konnte. Eine Würdigung des 700er erscheint also überfällig.

Rückblende – Mitte der 50er Jahre: Das Wirtschaftswunder in Deutschland bringt bei der Bevölkerung den Wunsch nach mehr Mobilität. Mit dem eigenen Auto in den Urlaub – nach Österreich oder über den Brenner nach Italien. Doch mit welchem Auto? Es gab den VW Käfer sowie Klein- beziehungsweise Kleinstwagen. In diesem Segment hatten die Bayerischen Motorenwerke anfänglich nichts anzubieten. Die von 1952 bis 1964 gebauten sogenannten Barock­engel, die BMW 501 und 502, gehörten der Oberklasse an, weitere Top-Autos wie der Roadster BMW 507 sowie der als Coupé und als Cabrio zu habende BMW 503 waren rassige Sportwagen. Die auf höhere Ansprüche ausgelegte Modellpolitik brachte BMW zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten. 

Um bei den Klein(st)wägen Flagge zu zeigen – die Mittel für eine Neuentwicklung fehlten – entschloss man sich zu einem Lizenzbau der italienischen Isetta der Firma Iso Rivolta. Die 1955 bis 1962 gebaute Isetta von BMW brachte schließlich Geld, sodass man über den BMW 600, eine von 1957 bis 1959 gebaute Weiterentwicklung der Isetta mit einem Boxer-Motor aus dem BMW-Motorradbau, hinaus einen eigenen Kleinwagen andachte – den BMW 700.

Ende 1957 gab der damals neue BMW-Vorstand den Auftrag, gemeinsam mit einem italienischen Karosseriehersteller einen konventionellen Kleinwagen zu entwickeln. Damit kam der Autodesigner Giovanni Michelotti mit ins Boot, der für die Gestaltung des Kleinwagens verantwortlich war. Im Juli 1958 präsentierte der Wiener BMW-Importeur und Autokonstrukteur Wolfgang Denzel in Starnberg ein Modell des von ihm und Michelotti entwickelten Autos. Drei Monate später fiel der Entschluss für dieses Fahrzeug. Auf dieser Basis entwickelte BMW in Alleinregie zwei Varianten – ein Coupé und eine Limousine – bis zur Serienreife. Die Serienproduktion des BMW 700 begann mit dem Coupé im August 1959.

In den gut sechs Jahren Produktionszeit bis September 1965 entstanden 181411 Exemplare. Neben dem Coupé und der Limousine mit erst 30 und ab 1963 32 PS wurde von 1961 bis 1964 bei der Firma Baur in Stuttgart ein Cabrio mit 40 PS gefertigt, dessen Motor auch der Sport beziehungsweise CS hatte. Ab 1962 bekam die Limousine als BMW 700 LS einen um 16 Zentimeter längeren Radstand. Ab 1964 gab es auch vom Coupé eine verlängerte LS-Version. Sie sah von den Proportionen her mit ihrem langen Heck zwar etwas gewöhnungsbedürftig aus, hatte dafür aber nun 40 PS unter der Heck­haube. Die Verlängerung kam dem zweizylindrigen Boxermotor zugute, der sich wie bei Kleinwagen damals nicht unüblich hinten befand. Da der BMW 700 folglich vorne keine Kühlung brauchte, fehlte die BMW-typische Niere. Der Kofferraum befand sich vorne unter der Haube, dort waren auch das Reserverad und der 32 Liter fassende Tank untergebracht.

In Rallyes sowie Berg- und Rundstreckenrennen waren seriennahe und speziell getrimmte BMW 700 mit bis zu 80 PS und 200 Kilometern in der Stunde Höchstgeschwindigkeit sehr erfolgreich. Zu nennen sind hier der BMW 700 GT, der BMW 700 RS und der Martini-BMW. Mit 60 Jahren errang Hans Stuck 1960 auf einem BMW 700 noch einmal die deutsche Bergmeisterschaft. Vor allem der BMW 700 RS wurde als Fahrzeug für die Entwicklungsarbeit und „Spielzeug“ der Ingenieure genutzt – oft mit zukunftsweisenden Erkenntnissen.

Neben seiner Bedeutung für den Motorsport ist die für das Überleben der Bayerischen Motorenwerke hervorzuheben. Der Verkaufserfolg des sowohl sportlichen als auch erschwinglichen Autos stabilisierte das Unternehmen, brachte es wieder in die Gewinnzone. Er machte schließlich die Realisierung der „Neuen Klasse“ möglich. Mit dem BMW 1500, dem BMW 1600, dem BMW 1800 und dem BMW 2000 hatten die Bayern endlich zwischen dem BMW 700 und dem „Barockengel“ ein Angebot in der Mittelklasse. Der 1961 vorgestellten und ab 1962 gebauten „Neuen Klasse“ folgte 1972 der 5er-BMW, der bis heute gebaut wird, mittlerweile bereits in der siebten Generation.