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26.07.19 / Selbst im Baskenland schwand der Rückhalt / Die ETA wurde vor 60 Jahren gegründet – Am Ende der Radikalisierung stand die Selbstauflösung der Untergrundorganisation

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-19 vom 26. Juli 2019

Selbst im Baskenland schwand der Rückhalt
Die ETA wurde vor 60 Jahren gegründet – Am Ende der Radikalisierung stand die Selbstauflösung der Untergrundorganisation
Wolfgang Kaufmann

Vor 60 Jahren wurde die baskische ETA als nationalistische Widerstandsgruppe gegen die Franco-Diktatur gegründet. Sie mutierte jedoch sehr bald zu einer linksextremen Terrororganisation, die wegen ihrer Gewalttaten schließlich jedweden Rückhalt unter den Basken verlor.

Die Basken sind eine der ältesten Volksgruppen Europas und siedeln schon seit Jahrtausenden im Hinterland der südlichen Bis-kayaküste. Mit dem Königreich von Pamplona gründeten sie im 9. Jahrhundert ihren ersten eigenen Staat, der dann jedoch 1076 zerfiel. Seitdem stand der überwiegende Teil des Baskenlandes unter spanischer Herrschaft. Obwohl die Basken, die sich selbst als Euskaldunes bezeichnen, stets nach Eigenständigkeit strebten, dauerte es bis 1895, ehe ein baskischer Politiker, nämlich der Sozialdemokrat Sabino Arana Goiri, die faktische Unabhängigkeit forderte und eine „Nationalpartei des Baskenlandes“ zur Erreichung dieses Zieles gründete.

Die Eusko Alderdi Jeltzalea – Partido Nacionalista Vasco (EAJ-PNV) setzte auf friedliche und demokratische Mittel. Das stieß aber nicht bei allen Basken auf Zustimmung. Infolgedessen entstanden schon um 1920 herum erste extremistische und gewaltbereite Splittergruppen der EAJ-PNV wie der Studentenverein Aberri. Und 1934 formierte sich ein regelrechter militanter Flügel der Basken-Partei, genannt Jagi-Jagi. Der agierte gemeinsam mit der Aberri im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der republikanischen Gegner des späteren Diktators Francisco Franco. Nach dessen Sieg im Frühjahr 1939 wurde die zwischenzeitlich gebildete, eigenständige Regierung des Baskenlandes aufgelöst und die EAJ-PNV mitsamt ihres bewaffneten Arms verboten.

Also gingen die baskischen Unabhängigkeitskämpfer in den Un-tergrund. Aus dem heraus leisteten sie bis 1957 bewaffneten Widerstand gegen das franquistische Regime. Danach kam es zu einem Kompromiss zwischen dem Diktator und der EAJ-PNV, die daraufhin wieder zugelassen wurde. Hierdurch schlug nun die Stunde linksnationalistischer Gruppierungen der Basken wie der früheren EAJ-PNV-Jugendorganisation Euzko Gaztedi Indarra (EGI, Baskische Jugend-Kraft). Die hatte sich schon 1953 von der Mutterpartei gelöst, weil ihr diese nicht radikal genug auftrat. 

Gemeinsam mit Studenten der Jesuiten-Universität von Bilbao gründeten einige Mitglieder der EGI sowie der Ekin, einer ebenfalls separatistischen und linksnationalistischen Gruppierung, die vor allem aus Studenten und Arbeitern bestand, am 31. Juli 1959 die Untergrundgruppe „Euskadi ta Askatasuna“ (ETA, Baskenland und Freiheit). Die maßgeblichen Akteure dabei waren José Luis Alvarez Enparantza alias „Txillardegi“, Eneko Irigaray, José María Benito del Valle und Julen Madariaga. Sie verfassten aus Anlass des Feiertages des Ignatius von Loyola, einem jesuitischen Heiligen baskischer Herkunft, und des 64. Jahrestages der Gründung der EAJ-PNV einen programmatischen Brief an den prominenten baskischen Exilpolitiker Jesús María Leizaola. Darin kritisierten sie den Versöhnungskurs der EAJ-PNV und kündigten die Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen Franco an.

Die ETA wandte sich gegen die angeblich „rassistische“ Ideologie von Sabino Arana und setzte dieser eine eigene marxistisch-leninistische Agenda entgegen. Der angestrebte unabhängige Baskenstaat sollte dezidiert sozialistischer Natur sein. Das stand unter anderem in dem 1962 verabschiedeten „Manifesto“ der ETA, in dem auch die Anwendung von terroristischer Gewalt im nationalen Befreiungskampf verteidigt wurde. Angesichts dieser Ausrichtung kann nicht verwundern, dass sich die ETA an entsprechenden Untergrundorganisationen in anderen Staaten wie der nordirischen IRA, der algerischen ALN, der palästinensischen PLO, der kolumbianischen FARC oder den italienischen BR orientierte. 

Außerdem kooperierte sie zum Zwecke der Beschaffung von Waffen und Sprengstoffen mit der Mafia und lateinamerikanischen Drogenkartellen. Trotzdem besaß die ETA als Speerspitze des Kampfes gegen den „Faschisten“ Franco anfänglich viele Sympathisanten im In- und Ausland. Das änderte sich erst im Laufe der Zeit aufgrund ihrer immer brutaler werdenden Terroranschläge.

Den Anfang machte am 18. Juli 1961 ein gescheitertes Attentat auf einen Zug mit Franco-Anhängern. Später entfachte die ETA einen regelrechten Guerillakrieg gegen Exponenten des Staates. Der begann am 7. Juni 1968 in Villabona mit der Erschießung des Verkehrspolizisten José Pardines und gipfelte schließlich am 20. Dezember 1973 im geglückten Bombenanschlag auf den spanischen Regierungschef und designierten Franco-Nachfolger Admiral Luis Carrero Blanco.

Mit dem Ende der Franco-Diktatur im Jahre 1975 und dem Übergang zur Demokratie kam es zur Spaltung der ETA. Der größere Teil der Mitgliederschaft akzeptierte die angebotene Amnestie und engagierte sich künftig in der legalen politischen Partei Euskadiko Ezkerra (Linke des Baskenlandes). Dahingegen setzte der fanatische harte Kern den Terror sogar noch nach dem 22. Dezember 1979 fort, also dem Tag, an dem die Basken weitgehende Autonomierechte erhielten. Daraufhin begannen staatlich gelenkte Todesschwadronen (Grupos Antiterroristas de Liberación, GAL) in verdeckten Operationen gegen die verbliebenen rund 200 Kämpfer der ETA vorzugehen. Die wiederum verübten aus Rache ständig neue und zunehmend blindwütigere Anschläge, wie den vom 19. Juni 1987 auf einen Supermarkt in Barcelona, bei dem 21 unschuldige Zivilisten starben. 

Das kostete die ETA viel an gesellschaftlichem Rückhalt. Noch stärker litt ihr Ansehen – und zwar selbst unter Basken und früheren Anhängern – im Juli 1997, als sie den konservativen jungen Lokalpolitiker Miguel Ángel Blanco entführte und erschoss. Nun gingen Millionen Menschen in ganz Spanien auf die Straße und forderten ein Ende des Spuks.

Die nun fast vollkommen isoliert dastehende ETA verkündete ab September 1998 mehrmals „Waffenruhen“, die sie jedoch immer wieder brach. Erst der Waffenstillstand vom 5. September 2010 brachte tatsächlich ein endgültiges Ende des Terrors. Dem waren bis zu diesem Zeitpunkt über 800 Menschen zum Opfer gefallen – darunter auch 342 Zivilisten, die einfach zur falschen Zeit am falschen Ort geweilt hatten. Für deren Ermordung – aber nicht die von Vertretern des spanischen Staates – entschuldigte sich die linksterroristische Gruppierung, bevor sie am 2. Mai 2018 ihre sang- und klanglose Selbstauflösung bekannt gab.