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26.07.19 / Zwei Herzen und eine schlesische Seele / Deutsches Ehepaar prägte polnisches Nachkriegsglasdesign

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-19 vom 26. Juli 2019

Zwei Herzen und eine schlesische Seele
Deutsches Ehepaar prägte polnisches Nachkriegsglasdesign
Chris W. Wagner

Das Haus der Eheleute Trzewik-Drost im oberschlesischen Carlsruhe [Pokoj] ist voller Kunstobjekte – Bilder, Grafiken und natürlich wohin man schaut: Glasdesign. Jedes Stück hat eine eigene Geschichte. Auch die Geschichte des Städtchens Carlsruhe hat es den Eheleuten angetan.

Während Johannes-Silvester Drost historische Quellen auswertet und damit polnischen Historikern hilft, die deutsche Vergangenheit der Region zu erforschen, hält Erika Trzewik-Drost das Carlsruhe von Früher auf Leinwand fest. „Die Augen wollen nicht mehr so richtig mitmachen und die Gelenke auch nicht mehr. Aber manchmal bestellt doch jemand ein Bild mit Carlsruher Motiv. Die meisten wollen das einstige Schloss daheim in der Stube hängen haben. Es ist ein Andenken vor allem für die Menschen, die von hier vertrieben wurden oder selbst wegwollten“, so die gebürtige Carlsruherin. „Uns wollte man damals nicht gehen lassen, denn mein Vater wurde gleich nach dem Krieg in der russischen Kommandantur beschäftigt. Er war Maler und musste Orts- und Straßentafeln mit den neuen Namen beschriften“, erinnert sich die über 80-jährige Erika.

So malt sie das nicht mehr existente Schloss zu Carlsruhe in allen Jahreszeiten oder den Schloss-park mit dem schlafenden Löwen von Theodor Kalide, der bis in die heutige Zeit überdauert. „Im Winter konnte man im Parkweiher Schlittschuh laufen, im Sommer stand im Park eine Kletterfichte, auf die wir kletterten. Am Löwen haben wir uns oftmals fotografieren lassen. Aber ich kann mich auch an schlimme Zeiten erinnern, als im Krieg schwere Panzer hier durchfuhren. Und an das viele Militär. Zuletzt hat man die deutschen Gefangenen vorbeigeführt und wir haben versucht, ihnen Essen zu geben, aber wir durften nicht näher ran, man hat uns weggejagt“, erinnert sie sich.

Was Heimat bedeutet, lernten die Eheleute recht früh, als sie diese verließen und beruflich ins altpolnische Dombrower-Kohlebecken kamen. 40 Jahre lang entwarfen sie dort in der Glashütte Sombkowitz [Zabkowice] Muster für Pressglas. Johannes-Silvester leitete dort bis zu seiner Pensionierung 2005 die Designabteilung. Die Entwürfe von Erika und Johannes-Silvester gaben den Sombkowitzer Erzeugnissen ihren künstlerischen Charakter und hohen Wiedererkennungswert. „Vor uns haben schon viele mit Pressglas gearbeitet: in Böhmen, Skandinavien, Deutschland. Aber damals hatten wir keinen Kontakt zu den Menschen im Westen. Wir mussten uns vieles selbst erarbeiten. Und als wir dann mit den Entwürfen aus dem Westen konfrontiert wurden, stellten wir fest, unsere waren gar nicht mal so schlecht“, erzählt der aus Klodnitz bei Cosel in Oberschlesien stammende Johannes-Silvester Drost. 

In den 60er und 70er Jahren hat das Ehepaar das polnische Pressglas-Design maßgeblich geprägt. Ihre Entwürfe brachen mit der stereotypen Vorstellung von Pressglas und ihre Namen wurden weltweit in der Glaskunstbranche bekannt. „Ich kam dahinter, dass man die Formen ganz anders gestalten kann, die Flächenstruktur kann nicht nur im geschliffenen Glas, sondern auch im Pressglas beispielsweise an Sandkörner oder Baumrinde erinnern. Das haben wir in unseren Entwürfen umgesetzt. Wir haben neue Methoden, nicht nur für Formen und Dekor, sondern auch neue Arbeitsmethoden entwickelt und dafür ein Patent bekommen“, so Johannes-Silvester, der sich aus einer Bauernfamilie stammend von Kind auf für Kunst begeisterte. Sein Talent zum Zeichnen hat Johannes-Silvester von seinem Vater geerbt, auch seine Sprachenbegabung konnte er in Klodnitz pflegen: „Russisch und Tschechisch habe ich kurz nach dem Krieg im benachbarten Cosel-Hafen gelernt, als die Schifffahrt zwischen Russen und Tschechen aufgeteilt wurde und wir Bauern sie mit Lebensmittel beliefern mussten“. Polnisch lernte Johannes-Silvester in der Schule, später kam Englisch dazu. Auch Erika hatte ihr Zeichentalent vom Vater geerbt. In der polnischen Mittelschule hatte Erika eine Zeichenlehrerin, die ihr auch das Polnische beibrachte und sie zur Kunstakademie nach Breslau begleitete. Dort lernte sie Johannes-Silvester kennen. „Wir hatten ein Treffen und da musste man seinen Lebenslauf erzählen. Und auf einmal höre ich einen Hans Drost aus Klodnitz sprechen. Da habe ich die Ohren gespitzt und dachte, ja das ist auch eine echte schlesische Seele. So haben wir uns langsam kennengelernt, uns gegenseitig geholfen. Das Geld war natürlich knapp, Hans hatte kein Stipendium, als Großbauer hätte er eigentlich nicht studieren dürfen“, so die Carlsruherin.

Unzählige Ausstellungen im In- und Ausland sowie prestigevolle internationale Auszeichnungen haben sie erreicht. Ihre Glas- und Keramik-Entwürfe findet man in Museen weltweit: in New York, Berlin, Lüttich, in Finnland oder Warschau, Krakau und Breslau. In einer Sonderausstellung „Cora, Asteroid und andere“ zeigt nun auch das Museum des Oppelner Landes bis zum 18. August ihr Glas- und Porzellandesign.