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26.07.19 / Ein echter Winnetou / Besuch aus dem Wilden Westen – Ein Sioux in Karl Mays Heimat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-19 vom 26. Juli 2019

Ein echter Winnetou
Besuch aus dem Wilden Westen – Ein Sioux in Karl Mays Heimat
Wolfgang Kaufmann

Auf den Friedhöfen der sächsischen Landeshauptstadt Dresden findet sich so manche ungewöhnliche Grabstelle – darunter auch die einzige letzte Ruhestätte eines Indianerhäuptlings auf deutschem Boden. Diese liegt in der Reihe Zwölf des Feldes F auf dem Neuen Katholischen Friedhof im Stadtteil Fried­richstadt. Der Grabstein trägt die Inschrift „Sioux Häuptling Edward Two-Two 1851–1914“ sowie den Spruch „Zum Paradies mögen Engel dich geleiten“ in der Sprache des Verstorbenen.

Hier bestattet zu werden, war der erklärte Wille des Lakota-Sioux, welcher 1876 in der legendären Schlacht am Little Bighorn gegen die 7. US-Kavallerie unter George Armstrong Custer mitgekämpft hatte und dann später sein Dasein als Hilfspolizist im Reservat Pine Ridge fristen musste. Dort entdeckten ihn die „Talentesucher“ des Hamburger Zoos Hagenbeck, der nach dem Vorbild von William Frederick Cody, ge­nannt Buffalo Bill, Wild-West-Shows unter Beteiligung echter Indianer veranstaltete. Also trat Two-Two 1910 in Hamburg als Attraktion aus dem Wilden Westen auf und kehrte 1913 mit seiner Familie nach Europa zurück. Wobei er diesmal vom Dresdner Zirkus Sarrasani für dessen „Völkerschauen“ verpflichtet wurde.

In Sachsen schlug dem Sioux mit der markanten wettergegerbten Erscheinung besondere Begeisterung entgegen, denn die ganze Region befand sich noch im Winnetou-Fieber, nachdem Karl May, der populäre Erfinder dieser Figur, erst ein Jahr zuvor in Radebeul gestorben war. Der warme Empfang bewegte Two-Two, dessen eigentlicher Stammesname Nupalla lautete, ganz ungemein, da er im heimischen Reservat kaum Wertschätzung erfahren hatte. Hinzu kam das Elbsandsteingebirge unweit von Dresden, das den Häuptling sehr an die Landschaft zu Hause erinnerte.

Allerdings erkrankte Edward Two-Two während eines Sarra­sani-Gastspiels in Essen infolge des großen Tour-Stresses und starb schließlich am Abend des 27. Juli 1914. Zuvor hatte er noch dem eilends herbeigerufenen US-Konsul seinen letzten Willen in die mitgebrachte Reiseschreibmaschine diktiert. Und der lautete, in Dresden und nicht in den USA bestattet zu werden, wie es der Vertrag für die Indianerdarsteller eigentlich vorsah.

Die Todesanzeige in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ erschien am gleichen Tag wie der Aufruf zur deutschen Mobilmachung, welche den Ersten Weltkrieg ankündigte. Two-Twos An­gehörigen gelang es aber noch im letzten Moment, über England in die USA zurückzukehren.

Aufgrund der Wirren der darauffolgenden Jahre wurde der Grabstein erst 1926 aufgestellt – vermutlich auf Betreiben Sarrasanis. 2000 sollte die in Vergessenheit geratene Grabstätte eingeebnet werden, blieb aber dank des Engagements des Dresdners Hartmut Rietschel erhalten. Deshalb konnte zum 100. Todestag von Two-Two im Jahr 2014 auch eine indianische Gedenkzeremonie stattfinden.