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26.07.19 / Aufschlussreiche Analyse des Zweiten Weltkriegs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-19 vom 26. Juli 2019

Aufschlussreiche Analyse des Zweiten Weltkriegs
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Über den Zweiten Weltkrieg gibt es überaus viele Bücher, wobei manche Geschehnisse noch heute mit einem geheimen Schleier verdeckt werden oder unbeantwortet bleiben beziehungsweise umstritten sind. In seinem neuen Buch „Feuersturm“ versucht Andrew Roberts, der als Großbritanniens bester Militärhistoriker gilt und Professor am Department of War Studies des King‘s College in London ist, einige jener Probleme vom rein militärischen Standpunkt zu untersuchen. 

Nach seinen Forschungen war der Sieg der Alliierten „keineswegs unvermeidlich“. Ebenso sei „unbestritten“, dass die deutschen Soldaten „die besten Kämpfer des Zweiten Weltkrieges waren“. Umso bohrender sind seine Fragen, etwa, weshalb die britische Armee im Mai 1940 in Dünkirchen nicht insgesamt vernichtet oder gefangen genommen wurde. In diesem Falle lässt sich kaum sagen, welche Zugeständnisse dann London hätte machen müssen und ob Churchill sich als Premierminister hätte halten können, wenn er die Fortsetzung des Krieges verlangt hätte. Bei der Luftschlacht über England wurde der deutsche Angriffsschwerpunkt von den Flugplätzen auf Städte verlegt, was der RAF die überlebensnotwendige Atempause gab – die erforderlichen Langstreckenbomber dafür hatten die Deutschen viel zu spät entwickelt. 

Ebenfalls stellt der Autor die bis heute hart umstrittene Frage, weshalb die Alliierten nicht die Eisenbahnlinie zum KZ Auschwitz bombardierten. Seit Anfang 1944 wäre dies durchaus möglich gewesen, und über die dortigen Zustände sei man wohl informiert gewesen. Entgegen der allgemeinen Ansicht, die Wehrmacht habe unmittelbar vor der Invasion in der Normandie das vereinbarte Stichwort der BBC am 5. Juni, 22.15 Uhr, an die Résistance nicht erkannt, weist er nach, dass der Kommandeur der 15. Armee dagegen sehr wohl informiert war 

– „aber niemand warnte die 7. Armee in der Normandie“. 

Die Hoffnungen der Attentäter vom 20. Juli 1944 auf einen Friedensschluss mit Großbritannien waren eine Fehleinschätzung, denn nach der Forderung Roosevelts 1943 nach bedingungsloser Kapitulation konnte London nicht mehr allein handeln. Hätte indes Stalin den Eindruck gewonnen, dass England Kontakte zu deutschen Wehrmachtsgenerälen unterhielt, (die weiterhin gegen die Sowjetunion kämpfen wollten), hätte dieser nach Ansicht des Verfassers durchaus versucht sein können, „sich um eine erneute Einigung mit Hitler zu bemühen“. 

Soweit ersichtlich, analysiert der Autor als erster Militärhistoriker den verfehlten Einsatz des von General Rommel geführten Afrikakorps. Denn statt eines Krieges mit der UdSSR hätte Hitler mit einem massiven Vorstoß in Nordafrika das Britische Empire wesentlich leichter vernichten können. Im Oktober 1942 standen die lediglich zwölf Divisionen Rommels nur noch rund 100 Ki­lometer vor Alexandria. Ein Bruchteil der gegen Russland eingesetzten Streitmacht hätte genügt, um die Briten aus Ägypten und insbesondere aus dem Irak und Iran zu vertreiben. Die Eroberung Kairos hätte die Vertreibung der britischen Navy aus ihrem wichtigsten Mittelmeer-Stützpunkt Alexandria sowie zudem die Sperrung des Suez-Kanals für den alliierten Schiffsverkehr bewirkt. Das Entscheidende aber wäre die Ein­vernahme der fast unverteidigten Ölfelder des Nahen Ostens gewesen, denn damit hätten die Deutschen „Großbritannien von seiner Ölversorgung abgeschnitten“. Zugleich aber hätte sie „die sowjetische Kaukasusregion vom Süden her bedroht“. Die Heeresgruppe Süd hätte dabei vom Irak nur wenige 100 Kilometer nach dort zurückzulegen gehabt, anstatt, wie dann 1941–1942 geschehen, sich über 1600 Kilometer weit vorankämpfen zu müssen. 

Mit dem deutschen Griff auf Baku  wäre die Rote Armee von ihrer Erdölversorgung abgeschnitten und nicht in der Lage gewesen, den Krieg erfolgreich weiterzuführen. 

Eine andere, zweifellos für alle Leser sehr interessante Feststellung des Autors ist, dass „zum un­glaublichen Glück“ der Alliierten die Achsenmächte ihre Kriegsan­strengungen niemals koordinier­ten und nicht einmal Informatio­nen über unentbehrliche Waffensysteme austauschten. Eine enge militärische Absprache hätte für einen gleichzeitigen Angriff auf Russland sorgen müssen. Das für seine Kriegsmaschinerie so dringend benötigte Öl hätte Japan dann von dort beziehen können statt von Niederländisch-Indien. 

Doch Hitler habe Tokio nicht am Unternehmen „Barbarossa“ teilnehmen lassen wollen, wie man ihn auch nicht über den Angriff auf Pearl Harbor und den Kriegseintritt mit den USA informierte. Jeder wollte wohl der Allergrößte sein und blickte etwas herablassend auf die anderen. 

Andrew Roberts: „Feuersturm. Eine Geschichte des Zweiten Weltkriegs“, C.H. Beck Verlag, München 2019, gebunden, 896 Seiten, 39,95 Euro