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26.07.19 / Wissenschaftliche Betrachtungen über die deutsche Frauenbewegung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-19 vom 26. Juli 2019

Wissenschaftliche Betrachtungen über die deutsche Frauenbewegung
Dagmar Jestrzemski

Nachdem der Rat der Volksbeauftragten im November 1918 das Frauenwahlrecht beschlossen hatte, konnten in Deutschland im Januar 1919 Frauen ab dem Alter von 20 Jahren erstmals wählen. Diese Errungenschaft war nicht allein auf die Novemberrevolution zurückzuführen, sondern vielmehr ein Erfolg der Frauenbewegung, die in Deutschland, Europa und den USA eine bewegte Vorgeschichte im sogenannten „langen 19. Jahrhundert“ (1789 bis 1914) hat. 

Parallel dazu wurde das Frauenrecht in mehreren europäischen Ländern eingeführt. Im Verlag des Hamburger Instituts für Sozialforschung ist aus diesem Anlass ein Sammelband mit elf wissenschaftlichen Aufsätzen erschienen, betitelt „Frauenwahlrecht. Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa“. Unter den Autoren sind die beiden Herausgeberinnen Hedwig Richter und Kerstin Wolff. Unter Bezug-nahme auf die Begriffe „Raum – Körper – Sprechen“ wird die Geschichte der deutschen und europäischen Frauenbewegung in enger Verknüpfung mit der Demokratiegeschichte neu aufgerollt, so der Anspruch. 

Neben den englischen Suffragetten, die wegen ihrer teilweise aggressiven Aktionen eher eine Ausnahme darstellten, beziehen sich die Autoren auf maßgebliche Frauenrechtlerinnen und ihren Wirkungskreis in Politik und Gesellschaft. Die Anfänge der bürgerlichen Bewegung resultierten daraus, dass die in der sozialen Arbeit engagierten Frauen ihre Tätigkeitsfelder als politisch definierten und dementsprechend ihre politischen Rechte einforderten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts forderten die Vorkämpferinnen der Frauenbewegung das allgemeine Wahlrecht für Frauen.  

Offenkundig wenden sich die Autoren mit ihren Beiträgen an Fachkollegen. Der Text des Buchumschlags verspricht jedoch etwas anderes, nämlich eine „Beschreibung der wechselvollen und spannenden Geschichte des Frauenwahlrechts“ und damit ein Angebot für ein größeres Lesepublikum. Die Aufsätze kommen aber überwiegend im Fachjargon daher. Für Laien enthalten sie allzu viele Anspielungen auf ineinandergreifende Einzelaspekte sowie auf Diskurse, mit denen nur Spezialisten etwas anfangen können. So kann Wissenschaftsvermittlung für ein größeres Lesepublikum nicht funktionieren. 

Eine von wenigen Ausnahmen bildet der Aufsatz von Susanne Schütz über die sozialkritische Schriftstellerin Louise Otto-Peters (1819–1895), eine der wichtigsten bürgerlichen Frauenrechtlerinnen des 19. Jahrhunderts und Mitbegründerin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins im Jahr 1865. Bereits 1847 trat Otto-Peters für die politische Partizipation von Frauen ein. 

Leider hat man sich dagegen entschieden, das facettenreiche Thema populärwissenschaftlich aufzuarbeiten, indem der historische Hintergrund auch tatsächlich als Hintergrund dargestellt wird. Somit wäre ein zentraler „Raum“ für mehr personalisierte Geschichten sowie überschaubare Entwicklungen geschaffen worden. Jedoch wäre ein anderes, leserfreundliches Format für den Verlag des Instituts für Sozialforschung vermutlich ein Ausschlusskriterium. Das Institut ist Arbeitgeber zahlreicher Historiker und Sozialforscher, darunter der Herausgeberin Hedwig Richter.

Kerstin Wolff/Hedwig Richter (Hg.): „Frauenwahlrecht. Demokratisierung der Demokratie in Deutschland und Europa“, Verlag Hamburger Edition, Hamburg 2018, gebunden, 295 Seiten, 30 Euro