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02.08.19 / Ein »vollkommen normaler« Vorgang? / Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz gerät durch die Schredder-Affäre unter Druck

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-19 vom 02. August 2019

Ein »vollkommen normaler« Vorgang?
Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz gerät durch die Schredder-Affäre unter Druck
Michael Link

Eine Affäre um einen dubiosen Schredder-Vorgang brachte die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und deren Ex-Kanzler Sebastian Kurz ins Kreuzfeuer der Kritik.

So hat der ehemalige Leiter der Social Media-Abteilung des Kanzleramts, Arno M., unter falschem Namen fünf Festplatten mit vermeintlich brisantem Inhalt schreddern lassen. Dabei hat M. fünf Tage nach dem Bekanntwerden der Ibiza-Affäre, welche die Koalitionsregierung aus ÖVP und Freiheitlichen (FPÖ) zu Fall gebracht hatte, fünf Festplatten aus dem Bundeskanzleramt geschmuggelt. Kurz vor diesem Zeitpunkt war bekannt geworden, dass die Sozialdemokraten (SPÖ) und FPÖ vier Tage später einen Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz einbringen würden.

Unter dem Namen Walter Maisinger hat Arno M. bei der niederösterreichischen Firma Reisswolf den Auftrag zum Zerstörungsprozess gegeben, worin ÖVP-Chef Kurz „einen vollkommen normalen Vorgang“ sieht. Reisswolf-Chef Siegfried Schmedler sieht das anders, wie er gegenüber der Wiener Stadtzeitung „Falter“ angab: Demnach habe sich M. laut Mitarbeitern „extrem nervös“ verhalten. Dieser habe sogar darauf bestanden, persönlich das Schreddern zu überwachen und es danach noch zwei Mal zu wiederholen. Schließlich nahm er den Schredder-Müll wieder an sich. Schmedler habe in der 25-jährigen Geschichte des Unternehmens noch nicht erlebt, dass jemand „unter falschem Namen und mit solchem Aufwand Festplatten vernichten hat lassen“. Ebenso wenig, dass jemand wie in diesem Fall die Rechnung über rund 76 Euro nicht bezahlt und wochenlang auch nicht auf Mahnungen reagiert habe.

Über die angegebene Telefonnummer sei man schließlich auf Maisingers richtigen Namen Arno M. gekommen. Schmedler erstattete Anzeige. Laut eigenem Bekunden ist der Geschäftsführer dann an die zuständige Staatsanwältin in der Ibiza-Affäre vermittelt worden. In der Zwischenzeit habe ein Reisswolf-Mitarbeiter Arno M. im Fernsehen bei der Abschlussrede von Sebastian Kurz an dessen Seite erkannt.

Naturgemäß angriffslustig zeigte sich auch die SPÖ. „Der Ex-Kanzler soll damit aufhören, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen und jetzt die Wahrheit sagen“, forderte Wahlkampfmanager Christian Deutsch gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Allein aufgrund des Zeitpunktes sei es nicht glaubwürdig, dass es sich um eine normale Aktenvernichtung im Zuge des Regierungswechsels gehandelt habe, befand Deutsch.

Indessen wird eine Sondersitzung des Nationalrats zur Schredder-Affäre immer wahrscheinlicher. Einen entsprechenden Antrag bereitet die Liste JETZT vor. Allerdings wird für ein Zustandekommen aufgrund der Sommerpause des Parlaments ein Drittel der Abgeordneten benötigt. JETZT-Spitzenkandidat Peter Pilz will daher mit Abgeordneten der SPÖ und FPÖ reden.

Pilz vermutet, dass der Auftrag zur Zerstörung der Festplatten aus dem Büro des damaligen Ministers Gernot Blümel gekommen ist. Dessen Referent soll Arno M. angewiesen haben, die Festplatten vernichten zu lassen. „Bei diesen Festplatten handelt es sich um Eigentum der Republik Österreich“, betonte Pilz. Niemand sei zur Entfernung oder Zerstörung dieser Festplatten befugt gewesen.

Deshalb könnte die Schredder-Affäre strafrechtlich relevant sein. Laut Gesetz sind Akten und Dokumente offiziellen Schriftverkehrs bei einem Regierungswechsel, der in diesem Fall zum Zeitpunkt der Festplatten-Vernichtung kurz bevorstand, im Staatsarchiv zu deponieren. Die heimliche Aktenvernichtung stellt einen Verstoß gegen das Archivgesetz dar.

Werner Kogler, Bundessprecher der Grünen, fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss rund um die Schredder-Affäre. Ein derartiger Ausschuss vor der Nationalratswahl am 29. September ist allerdings unwahrscheinlich. Jedoch würden die Grünen, die auf einen Wiedereinzug in das Parlament im Herbst hoffen, schon jetzt diesbezügliche Vorbereitungen treffen. Neben dem Inhalt der geschredderten Festplatten soll der Ausschuss auch klären, ob ein Zusammenhang mit dem Ibiza-Video besteht.

Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ und „Spiegel Online“ hatten am 17. Mai das Ibiza-Video veröffentlicht, das ein Treffen des damaligen FPÖ-Chefs und Vizekanzlers Heinz-Christian Strache sowie des freiheitlichen Nationalratsabgeordneten Johann Gudenus mit der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen in einer Villa auf der spanischen Insel Ibiza zeigt. Daraufhin wurde ihnen eine Bereitschaft zur Korruption, Umgehung der Gesetze zur Parteienfinanzierung sowie zur verdeckten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängige Medien vorgeworfen. Diese Vorwürfe führten zum umgehenden Rücktritt Straches und Gudenus.