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02.08.19 / Erdogan drängt sein Land aus der NATO / Ablenkung von wirtschaftlichen Problemen und der Wahlniederlage in Istanbul

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-19 vom 02. August 2019

Erdogan drängt sein Land aus der NATO
Ablenkung von wirtschaftlichen Problemen und der Wahlniederlage in Istanbul
Bodo Bost

Mit dem Kauf von Raketen in Russland und den Gasbohrungen vor der zypriotischen Küste verabschiedet sich die Türkei langsam aus der NATO.

Der Beitritt der Türkei zum atlantischen Verteidigungsbündnis im Jahre 1952 hatte vor allem strategische Bedeutung im Kalten Krieg, als man einen Partner an der Südflanke des Bündnisraums dringend brauchte. Dies zeigte sich vor allem in der Kuba Krise 1962. Aber die Sowjetunion ist Geschichte, andere westlich orientierte Länder in der Nachbarschaft, wie Georgien, sind dem Bündnis beigetreten, welche die strategische Rolle der Türkei übernehmen können.

Die Türkei hat unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan einen Schwenk weg vom religiösen Laizismus hin zum fundamentalistischen Islam gemacht, mit dem sie sich selbst aus der westlichen Wertegemeinschaft verabschiedet hat. Heute bräuchte die Türkei die NATO mehr als diese die Türkei. Das hat man während des Syrien-Bürgerkrieges gesehen, als noch radikalere Moslems als Erdogan in die Nähe der türkischen Grenzen kamen und es eine Dis-kussion gab, ob der Bündnisfall auch für einen Bürgerkrieg gilt.

Jetzt dreht sich genau um diese Frage auch der Poker um das russische Raketenabwehrsystem S-400, das die Türkei gegen den Willen der USA und der Allianz erworben hat und das zum Teil in Nordzypern stationiert werden soll. Deshalb wird die Türkei keine US-amerikanischen F-35-Kampfjets erhalten. Eigentlich hätte die Türkei als NATO-Partner über 100 solcher Maschinen erhalten sollen, türkische Piloten übten bereits den Umgang mit dem Flugzeug in den USA. Nun aber fürchtet das Pentagon, es könnten sensible Daten in die Hände russischer Militärs gelangen, die jetzt zur Bedienung der Raketen in der Türkei stationiert werden. Der Rausschmiss der Türkei aus dem F-35-Programm könnte der Beginn des Austritts der Türkei aus dem Verteidigungsbündnis sein.

Als die Türkei 2015 einen russischen Kampfjet abgeschossen hatte, und damit beinahe einen Krieg mit Russland provozierte hätte, hatte das Pentagon die in der Türkei stationierten Patriot-Abwehrraketen eilig abgezogen, aus Furcht vor einer militärischen Eskalation zwischen seinem Partner Ankara und Moskau. Statt einer Eskalation folgte eine überraschende Aussöhnung zwischen den beiden autokratischen Staaten und Erdogan spielt mittlerweile die Putin Karte gegen die NATO aus. Der russische Präsident Wladimir Putin verlangte als Wiedergutmachung einen Waffendeal von Ankara, dies war der Kauf der S-400 Raketen. US-Präsident Donald Trump gibt seinem Vorgänger Barack Obama die Schuld an den jüngsten Streitereien, weil dieser einen Kauf des US-Produkts Patriot an die Türkei verhindert habe.

Ein weiterer brodelnder Konfliktherd ist die Insel Zypern, deren Nordteil die türkische Armee völkerrechtswidrig besetzte und die griechische Bevölkerung vertrieb. Während der Südteil 2004 als eigenständiger Staat Mitglied der EU werden konnte, ist der Nordteil bis heute von Zehntausenden türkischen Soldaten besetzt und wurde durch einen Bevölkerungsaustausch von Festlandtürken majorisiert. Mehrmals sind Pläne einer Wiedervereinigung der Insel wegen der starren Haltung Erdogans gescheitert.

Seit vor 20 Jahren Gas im Mittelmeer gefunden wurde, hat sich der alte Gegensatz zwischen Türken und Griechen wieder verstärkt, nur diesmal mit der EU im Hintergrund. Alle bisherigen Funde liegen an der südlichen Inselküste, vor der Küste der Republik Zypern. Nikosia hat deswegen zusammen mit Ägypten, Israel und Griechenland ein Abkommen zur gemeinsamen Ausbeutung der Vorkommen geschlossen und die Energiekonzerne Eni, Exxon Mobil und Total damit beauftragt. Aus der Sicht Ankaras hingegen soll Nordzypern auch an den Erträgen der Felder beteiligt werden. Die EU verhängte jetzt Sanktionen gegen die Türkei, um 

so gegen die Bohrungen türkischer Schiffe zu protestieren. Ankara zeigte sich unbeeindruckt. Außenminister Mevlüt Cavusoglu drohte sogar wieder mit dem Drehen an der „Migrationsschraube“, das zentrale Argument der Türkei in allen Beziehungen zur EU seit der Grenzöffnung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel 2015. Erdogan könnte die aktuelle Eskalation auch nutzen, um von den wirtschaftlichen Problemen und der jüngsten Wahlniederlage in Istanbul abzulenken.

Der türkische Präsident drängt mit großen Schritten hinaus aus der NATO. Doch dieser Bündnispartner ist ersetzbar. Die Bundeswehr-Maschinen haben nach ihrem Hinauswurf aus der Türkei in dem Nicht-Nato-Land Jordanien eine neue Bleibe gefunden, dessen König ein verlässlicherer Partner als Erdogan ist.