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02.08.19 / Frei gedacht / Wenn der Flüchtlingsdeal platzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-19 vom 02. August 2019

Frei gedacht
Wenn der Flüchtlingsdeal platzt
Eva Herman

Ein unheimliches Schweigen liegt derzeit über den Mainstreammedien. Kaum jemand berichtet über die aktuelle Situation, was den sogenannten Flüchtlingsdeal mit der Türkei angeht. Er soll geplatzt sein, berichten die „Deutschen Wirtschaftsnachrichten und der RBB. Er stehe kurz vor dem Platzen, so andere, meist freie Journalisten. Was das bedeutet? Nichts Gutes, so viel ist klar.

Die türkische Regierung will also den Stecker ziehen beziehungsweise die Schleusen öffnen. Etwa 3,6 Millionen „Flüchtlinge“ sollen in der Türkei angekommen sein. Ankara wirft der EU unter anderem vor, den versprochenen Zahlungen für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht vollständig nachgekommen zu sein (bislang sollen alleine von Deutschland sechs Milliarden Euro geflossen sein). Au-ßerdem sei Ankara erzürnt darüber, dass Brüssel zuvor aufgrund der unterschiedlichen Ansichten zum Thema Energie im östlichen Mittelmeer Sanktionen gegen die Türkei eingeleitet hatte. Diese EU-Sanktionen sollen wegen des provokanten Vorgehens der Türkei in der ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns verhängt werden. Auf der Strecke bleiben könnte dadurch unter anderem ein vereinfachtes Visa-Verfahren für türkische Staatsbürger, die in die EU reisen wollen, heißt es. Dass diese EU-Zwangsmaßnahmen heftige Reaktionen der türkischen Regierung hervorgerufen hatten, war von dieser Seite angekündigt! In Brüssel sollte man die Drohungen nicht auf die leichte Schulter nehmen. So hatte der türkische Innenminister Süleyman Soyla diesbezüglich Klartext geredet und letzte Woche gedroht: „Wenn wir die Schleusen öffnen, überleben Ihre (EU-)Regierungen keine sechs Monate.“

Wie das genau aussehen könnte, das hatte die „Bild“ bereits im August 2016 als mögliches Szenario entwickelt, sollte es eben zum Bruch des Flüchtlingsdeals zwischen der Türkei und der EU kommen. Nun kann man aus Erfahrung mit Fug und Recht behaupten, dass die Springerpresse das Ohr stets ganz dicht am Puls der Machthaber hat, viele Szenarien, die bei „Bild“ im Laufe der letzten Jahre spekuliert wurden, trafen nicht selten haargenau so ein. Das Blatt stellte also 2016 unter der Überschrift „Was, wenn der Flüchtlingsdeal platzt?“, folgende Überlegungen an. Es ist sinnvoll, die wichtigsten Punkte der „Bild“-Ausführungen noch einmal gut durchzulesen, damit man auf das Bevorstehende auch vorbereitet ist. Die Springer-Redakteure gingen damals von einem Zeitraum von insgesamt nur vier Monaten aus, bis die absolute Krise für die Europäische Union zu Weihnachten schließlich erreicht sei:

„Österreich kündigt an, seinen Grenzschutz im Süden und Osten ‚massiv‘ zu verstärken. Ungarns Präsident Viktor Orbán fordert von Brüssel eine ‚Verzehnfachung‘ des Etats für die europäische Grenzschutzagentur Frontex, damit diese die Grenze zur Türkei wirksam sichern könne. Der große Knall: Präsident Erdogan kündigt in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Ansprache an, dass die Türkei ihre Maßnahmen zur Eindämmung der Migration einstellt und auch keine Flüchtlinge mehr zurücknehmen wird. Grund sei das gebrochene EU-Versprechen … Die Türkei kündigt die Auflösung mehrerer Flüchtlingslager im Süden des Landes und ,einige Verlegungen’ an. Gleichzeitig schränkt sie den Schutzstatus für Syrer per Präsidenten-Dekret ein. Erste Berichte über Bus-Konvois Richtung türkisch-bulgarischer Grenze sorgen in Brüssel für Irritationen. Bulgariens Grenze zur Türkei sei aber seit dem EU-Beitritt Bulgariens verstärkt worden und ,sicher’, sagt ein Sprecher der EU-Kommission. Nach Geheimdienst-Informationen haben sich im Drei-Länder-Eck Türkei-

Bulgarien-Griechenland mindestens 15000 Flüchtlinge versammelt. Die ersten Bilder verbreiten sich über Facebook und Twitter: Tausende Flüchtlinge durchbrechen die Zäune an der Land-Grenze der Türkei zu Griechenland. Ihr Ziel ist die überwiegend grüne Grenze zwischen Griechenland und Bulgarien. Und wieder trifft es die EU unvorbereitet, gibt es keinen Aktionsplan, keine abgestimmte Linie. Bulgarien wird von der Entwicklung völlig überrumpelt.“

Weiter wird in „Bild“ für den Fall der Auflösung des Flüchtlingsdeals mit der Türkei spekuliert: „Laut UNHCR haben in 48 Stunden 22000 Flüchtlinge bulgarisches Staatsgebiet erreicht, darunter 

7000 Kinder. Eine Registrierung findet nicht statt. Lokale Hilfsorganisationen beklagen totales Chaos und eine ‚beispiellose Unterversorgung‘. Bulgariens Regierung bittet um internationale Hilfe – und tritt wegen der Versäumnisse beim Grenzschutz und im Krisenmanagement zurück. Die Flüchtlinge werden provisorisch in Zelten untergebracht. Berlin erklärt, die Flüchtlinge seien auf EU-Gebiet und faktisch in einem sicheren Drittstaat. Die von ihnen mehrheitlich gewünschte Weiterreise nach Deutschland sei deshalb ausgeschlossen. Auf einer Krisen-Konferenz der Länder entlang der früheren Balkanroute kommt es zu einem Eklat: Ungarns Präsident Orbán fordert, der Einsatz von Schusswaffen dürfe nicht länger Tabu sein, wenn man ,eine zweite Völkerwanderung verhindern wolle’. In Deutschland sorgen die Bilder frierender Flüchtlinge für eine neue Debatte. Zwei Kinder sterben an Lungenentzündung. Bei einem Flüchtling entdeckt die bulgarische Polizei Sprengstoffspuren. Der Krisenstab im Kanzleramt tagt von nun an wieder täglich. Nach einem Telefonat zwischen der Bundeskanzlerin und dem türkischen Staatspräsidenten erklären beide Seiten, es habe keine Annäherung gegeben. Slowenien, Kroatien und Serbien erklären in einem gemeinsamen Statement: ,Aus leidvoller Erfahrung eines Bürgerkriegs, deren Wunden bis heute nicht völlig verheilt sind, werden unsere Länder unter keinen Umständen Gewalt gegen Flüchtlinge anwenden.’ Keines der Länder wolle am Ende als Sündenbock für ein Blutvergießen dastehen. Bulgariens Übergangsregierung erklärt, aufgrund der geänderten Sicherheitsgarantie werde man Flüchtlinge von nun an nicht mehr an der Weiterreise hindern (…) Die ersten Flüchtlinge überqueren die Grenze zu Serbien. Dort stehen Dutzende Busse für den Weitertransport bereit. (…) Kroatien meldet einen rasch anschwellenden Flüchtlingsansturm. Auch in Slowenien wiederholen sich die Bilder der Menschenschlangen entgegen aller Absichtserklärungen. (…) In einer Umfrage erreicht die AfD 28 Prozent. Der neue AfD-Vorsitzende Alexander Gauland ruft zu Massenprotesten auf (…) Österreich will einen ,Korridor’ einrichten, durch den die Flüchtlinge auch mit Hilfe von Bussen an die Grenze zu Bayern gelangen können. Ein Regierungssprecher: ,Die Maßnahme hat sich 2015 bewährt, Deutschland ist das einzige Land, das Flüchtlinge in dieser Größenordnung aufnehmen kann. Die ersten 5000 Flüchtlinge sind auf dem Weg in Richtung Passau, wo die Polizei mit mehreren Hundertschaften vor Ort ist. Hubschrauber kreisen über der Grenzregion’ …“

Soweit die Ausführungen der „Bild“ 2016 zu einem möglichen Platzen des Türkei-Deals. 

Der befürchtete Tatbestand ist letzte Woche eingetreten. Wird es noch eine friedliche Lösung geben? Soll es die überhaupt geben? Oder wurde mit dem UN-Migrationspakt vor wenigen Monaten die ganz große Wende für Europa eingeleitet? Bedauerlich, dass es so gut wie keine öffentliche Diskussion gibt zu dem bevorstehenden immensen Wandel auf unserem Kontinent.