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02.08.19 / Napoleon, Kaiser von eigenen Gnaden / Bonaparte verwüstete Europa und schuf doch dauerhafte Werte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-19 vom 02. August 2019

Napoleon, Kaiser von eigenen Gnaden
Bonaparte verwüstete Europa und schuf doch dauerhafte Werte
Klaus J. Groth

War er ein Genie oder „Satans ältester Sohn“, wie der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt den Kaiser der Franzosen nannte? Napoleon Bonaparte gehört zu den umstrittensten Figuren der europäischen Geschichte. Vor 250 Jahren, am 15. August 1769, wurde er in Ajaccio auf der damals noch nicht französischen Insel Korsika geboren.

Der Legende nach kam Napoleon Bonaparte auf einem Teppich zur Welt, der eine Schlachtszene aus der Ilias mit dem heldenhaften Menelaos zeigte. Der ungewöhnliche Geburtsort wurde als Zeichen für den sagenhaften Aufstieg des Korsen zum Kaiser gedeutet. Wahr ist, dass Bonaparte die Heroen der Antike verehrte, nicht belegt dagegen, dass die kinderreiche Familie aus niederem Adel überhaupt solch einen Teppich besaß. 

Bonaparte wurde an der Kadettenschule von Brienne zum Soldaten erzogen. Bereits mit 16 Jahren erhielt er das Offizierspatent. Beim Ausbruch der Französischen Revolution war er 20 Jahre alt. Der Sturm auf die Bastille stürzte Frankreich ins Chaos. Das war Bonapartes Chance. Der Korse machte in der Revolutionsarmee Karriere. Unter dem Vorwand, die Ideen der Revolution in die Nachbarländer zu exportieren, tatsächlich, um die fruchtbaren Regionen und reichen Städte zu annektieren, schickten die Jakobiner ihre Armee 1796 nach Italien. Befehlshaber war Bonaparte. Obwohl sein Heer zusammengewürfelt und schlecht ausgerüstet war, nahm er Italien im Handstreich. 1798 brach er zur Ägyptischen Expedition auf, welche die Handelswege der Engländer aus ihren Kolonien nach Europa blockieren sollte. Bei Abukir musste er eine Niederlage einstecken. Admiral Horatio Nelson versenkte die französische Flotte. Bonaparte erreichte aber die Abspaltung Ägyptens vom Osmanischen Reich. Der Feldzug machte ihn ungeheuer populär. Seine Berichte von den Pyramiden und Mumien der Pharaonen waren in den Salons Gesprächsthema.

 Bonaparte kam zum richtigen Zeitpunkt in Paris an. Nach der Schreckensherrschaft der Jakobiner war es dem regierenden Direktorium nicht gelungen, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Die Versorgung mit Lebensmitteln war katastrophal. Ein Retter musste her, einer, dem das Volk vertraute, der die Armee hinter sich hatte und der keine politischen Ambitionen erkennen ließ: Bonaparte. Nach einem Putsch wurde er Erster Konsul. Alle Macht lag nun in seinen Händen. 

Bonaparte wollte mehr. Der neue starke Mann Frankreichs griff nach der Kaiserwürde. Durch einen „Volksentscheid“ ließ er sie sich antragen. Am 2. Dezember 1804 fand die Krönung in Notre Dame statt. Bonaparte hatte den widerstrebenden Papst nach Paris beordert. Die Gäste in Notre Dame hielten den Atem an, als Bonaparte Pius VII. düpierte und sich die Krone selbst aufsetzte. Danach krönte er seine Frau Joséphine zur Kaiserin, von der er sich fünf Jahre später scheiden ließ. 

Die Krönung verschlechterte die internationalen Beziehungen. Der russische Zar schloss ein Bündnis mit Großbritannien; Österreich, Schweden und Neapel traten bei. Sie wollten Frankreich in die Grenzen von 1792 zurückdrängen. Preußen hielt sich zurück. Hingegen schlugen sich Bayern, Württemberg und Baden auf die Seite Napoleons. Der marschierte gegen Österreich und siegte 1805 bei Elchingen, wenig später nahm er Wien. In der Schlacht bei Austerlitz schlug er am 2. Dezember 1805 die russischen und österreichischen Truppen vernichtend. Seine Position auf dem Kontinent schien absolut gefestigt. 

Der selbsternannte Kaiser der Französischen Republik wurde zum Schreckgespenst für Landesfürsten und gekrönte Häupter in Europa. Seine Kriegstaktik des schnellen Durchmarsches und der spontanen Änderung der Angriffsspläne war dem behäbigen Tross seiner Gegner überlegen. 

In Preußen sah man das mit Sorgen. Heimlich schloss Preußen ein Bündnis mit Russland und forderte 1806 Napoleon auf, seine Truppen hinter den Rhein zu verlegen. Bonaparte verstand das als Kriegserklärung. Im Oktober 1806 marschierte er mit seinen Truppen vom Main über Thüringen nach Berlin.

In der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt besiegte Napoleon Preußen. In Potsdam besuchte er die Garnisonkirche und stand lange am Sarkophag Friedrich des Großen. Sein Ausspruch „Würde dieser noch leben, stände ich nicht hier“ ist überliefert. 

Die Kleinstaaten fielen wie Kartenhäuser. Nur noch England fehlte. Die Kontinentalsperre sollte das Albion in die Knie zwingen. Zar Alexander I. durchbrach die im Tilsiter Frieden vereinbarte Handelsblockade. 1811, als Napoleons zweite Frau, die österreichische Prinzessin Marie Louise, ihm den ersehnten Thronfolger gebar, rüstete er zum Krieg gegen Russland. Der Feldzug wurde ein Desaster. Die bewährte Taktik der Eilmärsche führte in der Weite des russischen Reichs ins Leere. Hunger, Kälte und Krankheiten dezimierten die Grande Armée aufs Schrecklichste. In zerlumpter Uniform kehrte der geschlagene Kaiser nach Paris zurück.

Napoleon hatte den Nimbus des Unbesiegbaren verloren. In der Völkerschlacht von Leipzig  wurde er vom 16. bis 19. Oktober 1813 von einer Koalition aus Russland, Österreich, Preußen und Schweden besiegt und am 11. April 1814 wurde ihm das Fürstentum Elba übertragen. Nach 100 Tagen kehrte er von dort nach Frankreich zurück. Die Schlacht bei Belle-Alliance (Waterloo) am 18. Juni 1815 brachte das Ende. Napoleon wurde auf die Insel St. Helena ins Exil geschickt, wo er am 5. Mai 1821 starb.

Die Herrschaft Napoleons wird vor allem durch seine aggressive Expansionspolitik bestimmt, die Europa verwüstete. Seine Leistungen im Inneren zeigen ihn als 

Macher mit fortschrittlichen Ideen. Er veranlasste Reformen in der Wirtschaft, der Justiz und der Bildung. Der Code Civil, auch „Code Napoleon“ genannt, nahm Ideen der Revolution nach Gleichheit der Bürger auf. Er wurde zum Vorbild für alle europäischen bürgerlichen Gesetzbücher. 

Zu den großen Bewunderern Napoleons gehörte Johann Wolfgang von Goethe. Bei einem Treffen der Giganten in Erfurt erlebte der Dichter die andere Seite des skrupellosen Kriegsherrn. Man sprach über Jean-Jacques Rousseau und Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“. Goethes abschließendes Urteil: „Was für ein Kerl.“ Nach einer Umfrage hält ein Drittel der Franzosen Napoleon für den größten französischen Staatsmann.