27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.08.19 / Als Elvis nur so sprudelte / Bad Nauheim lebt nicht nur vom Andenken an den König des Rock ’n’ Roll – Jugendstil-Freunde aus aller Welt kommen hierher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-19 vom 02. August 2019

Als Elvis nur so sprudelte
Bad Nauheim lebt nicht nur vom Andenken an den König des Rock ’n’ Roll – Jugendstil-Freunde aus aller Welt kommen hierher
Bettina Müller

Im August wird in Bad Nauheim wieder das Festival zu Ehren von Elvis Presley ausgetragen, der hier stationiert war. Darüber hinaus findet man im Hochsommer in der Nähe der Salinen des Kurorts reichlich Abkühlung.

Was sind das für brachiale mauerartige Gebilde in löchrigem pflanzenartigem Schwarz, von unzähligen wuchtigen Pfeilern gestützt? Und dann rieselt da auch noch Wasser raus. Waren die Römer oder die Kelten mal wieder auf Kriegspfaden?

Beide wohl eher rustikale Vertreter der kriegerischen Vergangenheit der Gegend gingen mit Vorliebe aufeinander los und haben in Hessen reichhaltige Spuren hinterlassen, zum Beispiel den römischen Wachturm auf dem Bad Nauheimer Johannisberg, der Teil des UNESCO-Welterbe Limes ist, oder auch die sehr sehenswerte Keltenwelt am Glauberg sowie die Bad Homburger Saalburg, die Nachbildung eines römischen Kastells. 

Ist das kleine Missverständnis erst einmal beiseitegeräumt, kann man sich den Gebilden, korrekt „Gradierbauten“ genannt, beruhigt nähern. Sie sind Hauptbestandteile einer raffinierten Technik, die zum Zweck hat, den ursprünglichen Salzgehalt des Solequellwassers zu erhöhen. Da­für wird das Wasser vom Sprudelbrunnen auf den Gradierbau gepumpt und rieselt dann von den zehn Meter hohen Wänden hinunter, die aus Schwarzdorn bestehen, wobei ein Teil des Wassers verdunstet und der Salzgehalt der Sole wie von Zauberhand deutlich von drei auf bis zu 

22 Prozent steigt. Durch Sieden wird dann das Salz gewonnen. 

Bei hochsommerlichen Temperaturen ist es in unmittelbarer Nähe des Gradierwerks, im Volksmund „Saline“ genannt, sehr angenehm kühl und wird be­sonders von Menschen mit Atemwegserkrankungen als Wohltat empfunden. Die willkommene Abkühlung braucht man definitiv im August beim alljährlichen European Elvis Festival, bei dem Fans aus der ganzen Welt anreisen, um ihrem Idol zu huldigen, das am 16. August 1977 verstarb.

Auch beim diesjährigen 18. Fe­stival vom 16. bis zum 18. August wird die Welt des Rock ’n ’ Roll zelebriert, und dann wird es richtig heiß. Cadillacs fluten Bad Nauheim, ebenso Elvis-Doubles mit Schmalztollen sowie Petticoats und Pferdeschwanz.

Bad Nauheim hat alles richtig gemacht, denn es ist der einzige Ort in Deutschland, wo Elvis längere Zeit einen deutschen Wohnsitz hatte, und das zieht vor allem auch zahlungskräftige US-Besucher an. 1958 kam er mit dem Militär nach Deutschland, ergriff aber schnell aus der benachbarten Friedberger Kaserne die Flucht, mietete für sich, seinen Vater, seine Großmutter und zwei Leibwächter eine ganze Etage in der Villa Grunewald, in der er vom 11. Oktober 1958 bis zum 

3. Februar 1959 lebte, bevor er dann bis zum 2. März 1960 in der Goethestraße wohnte und den Ort schließlich verließ. Für ihn war es auch eine schicksalhafte Zeit, denn er lernte dort seine spätere Ehefrau Priscilla kennen. 

Bei einer Elvis-Führung kann man die Spuren des Idols gut nachvollziehen, angefangen vom Friseur, der ihm immer minutiös seine Tolle formte, über den „Pfälzer Hof“, wohin ihn die Deutsch-Amerikanische Gesellschaft am 23. Januar 1959 eingeladen hatte, bis hin zum noch heute existenten Café Bienenkorb, wo anlässlich seines 24. Geburtstags Elvis’ Ge­burtstagstorte gebacken wurde. Zum „Abschlussgebet“ der Elvis-Jünger geht es dann zur immer reichlich geschmückten Gedenkstele vor der Villa Grunewald.

Nun soll Elvis auch noch in Bronze verewigt werden, man will ihn genau an der Stelle lebensgroß postieren, wo das berühmte Bild am Flüsschen Usa entstand, als Elvis in Uniform lässig am Geländer lehnte. Doch dafür be­nötigt man viel Geld, Spenden sind daher gefragt. Das Ganze soll hochmodern vonstattengehen, 3D-Druck macht es möglich, ein Modell zu erstellen, das dann von einer hessischen Gießerei für die Bronzestatue ausgedruckt und verfeinert wird. Was hätte Elvis wohl dazu gesagt? 

Und was mögen Elvis und Priscilla wohl über den berühmten Bad Nauheimer Sprudelhof ge­dacht haben? Verewigt hat er ihn jedenfalls in seinen Songs nicht, zugegeben: „Muss i denn zum Sprudelhof hinaus“ klingt auch ziemlich blöd. Das ganze Ensemble, übrigens das größte geschlossene Jugendstil-Gesamtkunstwerk in Deutschland, ist meisterhaft ästhetisiert. Der Architekt Wilhelm Jost war unter anderem dafür verantwortlich und schuf in Bad Nauheim Jugendstil in Reinform mit unendlich vielen Details, die sich nicht immer auf den ersten Blick erschließen und für die man unbedingt auch die diversen Badehäuser von innen besichtigen sollte. 

Natürlich dominiert der Kurbetrieb das Stadtleben des heutigen Heilbads, das einst aber in Gefahr geriet, heftig in Verruf zu geraten. 1854 eröffnete man zwischen der Dankeskirche und der Parkstraße eine Spielbank, ein bescheidener Holzbau, der aber manchem braven Bürger schnell ein Dorn im Auge wurde, befürchtete er doch den Verfall der Sitten als Folge des Spielbetriebs. Man ängstigte sich vor dem „lichtscheuen Gesindel“, das nicht nur der Spielsucht frönte, sondern sich auch in den angeschlossenem Tanzsaal und Re­staurant angeblich zweifelhaften Vergnügungen hingab. 

Die Spielbank zog noch kurz um in das neu gebaute Kurhaus, doch 1872 wurden auf kaiserliche Order sämtliche Spielbanken verboten. Die Bürger konnten aufatmen, dabei hatten sie doch „Scherschante Heinrich“, den wackeren Polizeiobersergeanten Ge­org Heinrich Klinkerfuß, der in den turbulenten Zeiten für Ruhe und Ordnung sorgte. Ein Gedenkstein auf dem Alten Friedhof, heute ein Bürgerpark, erinnert an dieses Bad Nauheimer Original. 

Auch wer kein Elvis-Fan ist, hat als Besucher touristisch gesehen die Qual der Wahl, denn Bad Nauheim lockt außerdem mit schönen Geschäften und zahlreichen Restaurants. Sucht man seine Ruhe, so findet man diese in den waldreichen Gebieten des Taunus und der Wetterau in un­mittelbarer Nähe.

Infos zum Elvis-Festival unter: www.european-elvis-festival.de