29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.08.19 / Von Allenstein bis Tokio / Fürs Reisen ist es nie zu spät – ZDF dokumentiert unter dem Titel »Mit 80 Jahren um die Welt« die Reiseabenteuer von sechs Senioren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-19 vom 09. August 2019

Von Allenstein bis Tokio
Fürs Reisen ist es nie zu spät – ZDF dokumentiert unter dem Titel »Mit 80 Jahren um die Welt« die Reiseabenteuer von sechs Senioren
Anne Martin

Es war einer dieser Überraschungserfolge, mit denen kaum einer gerechnet hatte: In der Sommerpause der abendlichen TV-Gesprächsrunde von Markus Lanz schickte das ZDF letztes Jahr einige Hochbetagte auf Reisen. Der Titel der Sendung war an Jules Vernes Roman „In 80 Tagen um die Welt“ angelehnt. Nun hieß es: „Mit 80 Jahren um die Welt“. Und das in viel weniger als 80 Tagen, nämlich in nur einem Monat. 

Das staunende Fernsehpublikum verfolgte Senioren, die den deutschen Reiseboom bisher nur aus der Ferne beobachten durften und nun gleich zu Weltenbummlern wurden. Einziger dunkler Punkt: Der 80-jährige Lothar erlag auf Station in Asien einem Lungenleiden. Ein tragischer Zwischenfall, der die Karawane der Lebenslust in einer kurzen Schrecksekunde verharren ließ. Nach Rücksprache mit Lothars Familie wurden sich aber alle anderen Teilnehmer schnell einig: Wir machen weiter!

Genau so sah es das ZDF: Mitten in der Urlaubssaison startet nun die zweite Staffel, diesmal zur allerbesten Sendezeit („Mit 80 Jahren um die Welt“, ab Dienstag, 13. August, jeweils 20.15 Uhr) und noch präziser vorbereitet. Die Kandidaten wurden in Seniorenchören, in Altentagesstätten und im bereits vorhandenen Bewerberpool gesucht.

Alle Bewerber mussten um die 80 Jahre alt sein, topfit und Neulinge in Sachen Reisen, außerdem sollten sie einen Herzenswunsch haben. Denn die Reihe verbindet das große Staunen mit Eindrücken aus fremden Ländern und rührenden Überraschungsmomenten. 

Der Gesundheitszustand der Teilnehmer wurde mit Belastungstests geprüft, der Hausarzt musste eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen, außerdem standen der Reisegruppe rund um die Uhr ein Rettungssanitäter sowie ein Arzt zur Seite. 

Im deutschen Hochsommer kann der Zuschauer nun erleben, wie Landwirt Ernst (80) aus Thüringen im Hochland von Peru ein Alpaka herzt, wie die fesche Marianne (81), die zu Hause in Velbert täglich auf ihrem Trimm-Rad trainiert, in Tokio modisch auftrumpft oder wie Ruth (80) in Kanada ihre Familienangehörigen sucht. 

Was die erste Staffel sogar bei jungen Zuschauern zum Überraschungserfolg machte, wiederholt sich auch in der zweiten: Alle Teilnehmer sind meilenweit entfernt vom Typ des routinierten Touristen, der alles schon gesehen und fotografiert hat, der das reich bestückte Büfett genauso selbstverständlich hinnimmt wie die Animation am Abend. 

Bei diesen Weltreisenden wird noch gestaunt. Da wird die Dankbarkeit, noch einmal ins bunte Leben geschickt zu werden, unablässig geäußert. Da ist keine Strapaze zu viel und keine geröstete Made in exotischen Menüs zu obskur. Da werden die Angebote mitgenommen, als gäbe es kein Morgen. Ein Tandemflug mit dem Gleitschirm? Klar doch, kein Problem! „Fast alle wollten mitmachen,“ staunt der verantwortliche ZDF-Redakteur Thorsten Haas. Ungewohntes Essen? Probieren geht über studieren, und Dankbarkeit, wie erwähnt, ist erste Bürgerpflicht. 

Die Reiseziele sind mit den stillen Träumen der Protagonisten abgestimmt. Im turbulenten Kuba darf Theo (79) aus dem Münsterland, der sich viele Jahre um seine pflegebedürftige Frau kümmerte, die karibischen Rhythmen genießen und Zigarren drehen. Schäfer Ernst, dessen Vater im Krieg verschollen ist und der schon als Sechsjähriger 50 Schafe hüten musste, setzt sich in Peru auf die Spur eines Berufskollegen. Auf 4000 Metern Höhe tauft er ein junges Alpaka auf den Namen seiner Enkelin und ist bester Dinge, während die viel jüngeren Kameraleute angesichts der Höhe mit Kopfschmerzen zu kämpfen haben. 

Die reisefreudige Ruth erlebt im fernen Kanada, dass nicht alle Träume wahr werden. Die fast gleichaltrige Rheinländerin Marianne, die während des Zweiten Weltkrieges ins ostpreußische Allenstein evakuiert wurde und schon mit sechs Jahren ihre Mutter verlor, präsentiert in Tokio auf dem Laufsteg japanische Designerkleidung. Der 81-jährige Berliner Nauke, der nach dem Krieg überwiegend bei den Großeltern und in Heimen aufwuchs, darf in Kambodscha an einer Ausgrabung teilnehmen. Die 80-jährige Gisela, die sich in ihrem Leben viel um Waisenkinder kümmerte, wird in Thailand ein SOS-Kinderdorf besuchen. 

Einmal mehr wird deutlich, wie wenig über die Generation der heute 80-Jährigen bekannt ist. Sie alle tragen noch die Traumata des Zweiten Weltkrieges in sich, sie alle haben gelernt, ihr Schicksal klaglos zu meistern und sei es noch so schwer. Der Trend zur Selbstverwirklichung sowie wohl auch die Neuerungen der digitalen Welt zogen an dieser Generation weitgehend unbemerkt vorbei. Dass Hoteltüren mit einem Chip zu öffnen sind und vieles andere mehr – alles Neuland.

Die Herausforderung der Produktion bestand darin, die Generation dieser alt gewordenen Kriegskinder zu beobachten, ohne sie als gestrig oder gar senil vorzuführen. Das gelingt, nicht zuletzt dank der einfühlsamen Begleitung durch den Moderator Steven Gätjen. 

Wenn man so will, trägt diese „Reality-Show“ sogar zu einer späten Entschädigung dieser Generation bei, die in jungen Jahren auf so vieles verzichten muss­te. Endlich nehmen sie sich die Freiheit, das lebenslang fest geschnürte Pflichtkorsett zu lockern. In Tokio etwa läuft die Truppe durch die Straßen, probiert unterschiedliche Hüte aus und amüsiert sich königlich. 

Das Fernsehteam wiederum hat aus logistischen Fehlern gelernt: Für die Bustouren, bei denen sich oftmals der Start verzögerte, weil der eine Senior seinen Pass vergessen hatte, der andere seine Tabletten, wurde ein Betreuer abgestellt. Und die Flüge, wo nach der Landung lange gewartet wurde, bis zuletzt das Gepäck der technischen Crew vom Band rollte, wurden besser geplant – die Crew flog nun vor, die betagten Reisenden konnten ohne Verzögerung ins Hotel. 

Zarte Bande wie in der ersten Staffel wurden diesmal nicht ge­knüpft. Dafür entdeckten die beiden kinderlosen Teilnehmerinnen Marianne und Gisela viele Ge­meinsamkeiten und sind bis heute eng befreundet. „Wir sind wie Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden“, befanden die beiden. Reisen bildet eben – und verbindet.