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09.08.19 / Auch nicht mehr, was es mal war / Der Umgang mit Tod und Bestattung nimmt neue, mitunter skurrile Züge an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-19 vom 09. August 2019

Auch nicht mehr, was es mal war
Der Umgang mit Tod und Bestattung nimmt neue, mitunter skurrile Züge an
Erik Lommatzsch

Sterben ist eine sehr trübe und trostlose Angelegenheit. Mein Rat an Euch ist, dass Ihr Euch gar nicht erst darauf einlasst.“ Den klugen, hier etwas frei übersetzten Worten des englischen Schriftstellers William Somerset Maugham (1874–1965) würden vermutlich die meisten Menschen gern Folge leisten. Bislang ist es allerdings noch niemandem gelungen, dem Sterben und schließlich dem Tod dauerhaft aus dem Weg zu gehen.

Ein Phänomen der jüngsten Zeit ist es jedoch, dass immer mehr Menschen die Begegnung mit dem Unvermeidlichen – im Vergleich mit den seit Jahrhunderten tradierten Formen – anders oder sogar „kreativ“ zu gestalten bemüht sind. Als wesentliche Ursache für das Lösen vom Überkommenen und das Bedürfnis, neue Wege zu erschließen, dürfte der Rückgang des Christlichen zu nennen sein.

Allein die Existenz eines Internetportals mit dem Titel „bestattungsvergleich.de“, auf welchem eine Vielzahl von sachlichen Informationen abrufbar ist, zeigt den veränderten Zugang zu diesen Angelegenheiten. Neben Antworten auf nüchtern-ökonomische Fragen („Was kostet eine Urne?“) ist hier auch zu erfahren, dass sich drei relativ neue Tendenzen hinsichtlich des Umgangs mit dem Toten und natürlich auch mit dem Gedenken ausmachen lassen. 

Da gibt es zunächst die „miniaturistisch-anonymisierende“ Variante. Eine Kennzeichnung des Grabes, eine Gedenktafel oder gar ein Grabstein entfallen. Am verstärkten Wunsch nach dieser Form der Bestattung wird erkennbar, dass langfristige örtliche oder generationenübergreifende Bindungen immer weiter im Schwinden begriffen sind. 

Als zweite Tendenz gelten „naturreligiös-ökologische“ Bestattungen. Der klassische Friedhofsgedanke spielt dabei zumindest bedingt noch eine Rolle. Die sich immer größerer Beliebtheit erfreuenden Baumbestattungen wären hier einzuordnen. Im Gegensatz zur „miniaturistisch-anonymisierenden“ Form ist bewusst ein sichtbarer Gedenkort gewählt. Vor allem aber kommen menschliche Bindungen hier verstärkt zum Tragen, da sich Familien, aber auch Freundeskreise für einen derartigen – gemeinsamen – Ort der letzten Ruhe entscheiden. 

Als dritte Tendenz ist die „ästhetisch-performative“ Form auszumachen. Bekannteste Erscheinungsform dieser Variante ist das Pressen eines Erinnerungsdiamanten aus einem Teil der Asche des verbrannten Leichnams. 

All diese, sich immer weiter ausdifferenzierenden Vorstellungen und Wünsche mögen Geschmackssache sein. Tatsache ist, dass sie immer häufiger neben einer herkömmlichen Erd- oder Urnenbestattung nachgefragt werden.

Auch anderweitig wird die Bestattungsthematik in einer Weise aufgegriffen, die für manch einen die Grenzen des pietätvollen Umgangs deutlich überschreiten dürfte, für andere indes einfach nur gelungene Schwarzhumorigkeit zeigt. Bücher mit Titeln wie „Aus die Maus“ oder „Ich mach mich vom Acker“, welche Sammlungen von ungewöhnlichen Todesanzeigen enthalten, verkaufen sich nicht schlecht. 

Das Bestattungsmuseum am Wiener Zentralfriedhof verfügt über einen „Shop“, in dem für Modellbau-Freunde ein „Bastelfriedhof“ angeboten wird oder für Kinder (!) die „Historische Lego-Leichentram“, deren reales Vorbild einst die Toten der Wiener Krankenhäuser „einsammelte“ und zum Zentralfriedhof am Stadtrand transportierte. Ein ebenfalls im „Shop“ erhältliches T-Shirt mit der Aufschrift „Der letzte Wagen ist immer ein Kombi“ enthält viel Wahrheit, ist aber wohl nicht jedermanns Sache. Die Kunde von einer der skurrilsten Bestattungsvarianten – sofern man hier überhaupt von Bestattung sprechen kann – kommt auch aus der österreichischen Hauptstadt. Eine nicht ganz unvermögende Dame hatte gewünscht, nach ihrem Tod plastiniert zu werden. Ihr so dauerhaft konservierter Körper sollte dann im Foyer des nunmehr von ihren Nachkommen bewohnten Anwesens aufgestellt zu werden – mit einem Tablett in den Händen, damit Gäste der Abendgesellschaften ihre Gläser abstellen können. Dem Vernehmen nach wurde dies, nach Überwindung mannigfacher juristischer Schwierigkeiten, in die Tat umgesetzt.

Hier handelt es sich natürlich um ein Extrem. Jedoch wird deutlich – auch mit Blick auf den früher unüblichen Umgang mit dem Thema „Bestattung“ –, dass der herkömmliche Friedhof oder gar Kirchhof zwar nicht ausgedient hat, aber nur noch eine Möglichkeit der Letzten Ruhe darstellt.