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09.08.19 / Sommer der langen Haare / Mit Woodstock fand die Hippiebewegung vor 50 Jahren ihren Höhepunkt – Mit den Manson-Morden aber auch ihren Tiefpunkt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-19 vom 09. August 2019

Sommer der langen Haare
Mit Woodstock fand die Hippiebewegung vor 50 Jahren ihren Höhepunkt – Mit den Manson-Morden aber auch ihren Tiefpunkt
Harald Tews

Der Sommer von 1969 hat die USA nachhaltig verändert: Die Mondlandung von Apollo 11, die Morde der „Manson-Family“ an der West- sowie das Woodstock-Festival an der Ostküste brannten sich fest in das kollektive Ge­dächtnis der Nation ein.

Im Juli 1969 erschien mit „Easy Rider“ ein Film, der mit vielen Konventionen von Hollywood brach, handelte es sich doch nicht um eine reine Unterhaltungsschnulze vor künstlicher Kulisse, sondern zeigte zwei Hippies auf ihren Harleys in freier Natur. Jack Nicholson, der in dem Film einen Anwalt spielt, merkt dabei an, dass die Gesellschaft vor den Hippies keine Angst hat, sondern nur vor dem, was diese repräsentieren: die Freiheit. „Von Freiheit reden und wirklich frei sein, ist nicht dasselbe“, stellt er fest.

Waren die freiheitsliebenden USA also nicht wirklich frei? Offenbar nicht. Am Ende tötet der Neid in Gestalt zweier Landarbeiter die beiden Hippies wegen ihrer langen Haare.

Am Morgen des 9. August 1969 kam es in der Filmstadt Los Angeles zu einem realen Verbrechen mit eher umgekehrten Vorzeichen: Mitglieder einer Hippiekommune töteten unter Anleitung ihres rassistischen Führers Charles Manson die hochschwangere Frau des polnischen Regisseurs Roman Polanski, Sharon Tate, sowie vier weitere Personen in ihrer Prominenten-Villa. 

Die grenzenlose Freiheit kann eben auch in grenzenlose Gewalt umschlagen. Ein neuer Film von Quentin Tarantino, der am 15. Au­gust in unsere Kinos kommt, erzählt diese Mordgeschichte 

– wenn auch mit abgewandeltem Ausgang (siehe Kasten rechts).

Vom 15. bis 18. August 1969 war die Nation jedoch vier Tage lang versöhnt. Beim Woodstock-Festival traf das Motto von „Peace & Music“ (Frieden und Musik) zu, obwohl ein unerwarteter Massenansturm von 400000 Hippiebesuchern in Batik-Klamotten das Mu­sikfest zum Krisengebiet machte. Es fehlte an ausreichend sanitären Anlagen, an Ärzten und Medikamenten sowie an Nahrung.

Als dann ein Gewittersturm über das Freiluftfest hineinbrach, die Besucher aber ihren Spaß mit Schlammschlachten auf dem matschigen Gelände hatten, wurde die Veranstaltung endgültig zum Mythos. Spätere Freiluft-Konzerte wie das Heavy-Metal-Fest im schleswig-holsteinischen Dorf Wacken, zu dem Anfang August bei seiner 30. Auflage wieder rund 75000 Besucher kamen, schlagen noch heute daraus Profit.

Finanziell war Woodstock an­fangs ein Desaster. Der Initiator des Festivals, der New Yorker Musikproduzent Michael Lang, saß am Ende auf einem Defizit von 1,3 Millionen Dollar. Weil sich viermal so viele Hippies wie erwartet auf dem Weg machten und in ihren zum Teil bunt angemalten Autos in endlosen Staus standen, bekamen die allermeisten von ihnen freien Eintritt. 

Ursprünglich wollte Lang mit dem Festival ein Musikstudio in der nördlich von New York gelegenen Künstlerkolonie Woodstock finanzieren, wo das Musikfest ursprünglich auch ausgetragen werden sollte. Doch die Bürger wehrten sich gegen das Spektakel, und so fand man weit von Woodstock entfernt auf der Wiese eines Milchbauern in Bethel im Bundesstaat New York kurzfristig vier Wochen vor Beginn des Fests ein geeignetes Gelände.

Bei dieser chaotischen Vorplanung und den katastrophalen Bedingungen während des Festivals grenzte es an ein Wunder, dass es unter den 400000 Menschen zu keinen Tragödien kam. Im Ge­genteil: Weil die unter Drogen stehenden, freizügig und nackt in den Seen badenden Massen junger Menschen die Sympathien der Farmer erwarben, wurde Woodstock in Zeiten des Vietnamkrieges zu einem einzigartigen Friedensfest.

Woodstock glich einem irdischen Gegenentwurf zum Apollo-Mondlandeprogramm, das auch die Spaltung der Nation dokumentierte. Dem staatlichen Milliardenprojekt stand ein unternehmerisches Fiasko gegenüber, das trotzdem zum Erfolg führte: Der Protest der Hippie-Bewegung wurde ernstgenommen. Der im selben Jahr ins Amt gewählte Präsident Nixon sorgte für den allmählichen Abzug der US-Truppen aus Vietnam. Und das Apollo-Programm wurde aufgegeben.

Mit Verzögerung wurde Woodstock auch finanziell ein Erfolg. Dank der Vermarktungsrechte fährt Woodstock seit 1980 Gewinne ein. Mit verantwortlich dafür ist die weltweit mit erfolgreichste Filmdokumentation „Woodstock“ von 1970, die mindestens 50 Mil­lionen Dollar Gewinn einfuhr. Regisseur und Kameramann Mi­chael Wadleigh lebt noch heute ganz gut davon. Seit diesem Kinodebüt hat er sich weitgehend aus dem Filmgeschäft zurückgezogen.

Seine dreistündige Dokumentation, in der er 100 Stunden Filmmaterial in revolutionärer Parallelmontage auf der Leinwand verarbeitet hat – einer der für den Filmschnitt Verantwortlichen war der spätere Erfolgsregisseur Martin Scorsese –, lässt ahnen, wa­rum das Festival dem Lebensgefühl der Hippies entsprach. Die Rhythmusgruppe des damals völlig unbekannten Carlos Santana, die spastischen Bewegungen eines Joe Cocker bei seinem Bea­tles-Coversong „With a Little Help from My Friends“ oder die gitarristische Zertrümmerung der US-Nationalhymne durch Jimi Hendrix versetzten alle in Ekstase.

Michael Lang wurde nach seiner Beinahe-Pleite von Woodstock – die Insolvenz konnte nur durch die Finanzspritze des Vaters eines der beiden Investoren abgewendet werden – letztlich doch noch ein erfolgreicher Musikproduzent. Zweimal noch, zum 25. und zum 30. Jubiläum, konnte Lang Woodstock-Revival-Festivals organisieren. Seine ge­plante Neuauflage zum 50. Jahrestag, die vom 16. bis 18. August hätte stattfinden sollte, fällt hingegen flach. Zu viele Sänger und Gruppen sagten kurzfristig ab. 

Vor 50 Jahren sagten auch Stars ab, darunter Bob Dylan. Im Internetzeitalter lässt sich offenbar alles schwieriger organisieren. Die Spontaneität der Hippies, die früher viele Freiheiten ermöglichte, ist dem unter einem technischen Diktat stehendem Lebensgefühl gewichen.





Manson-Morde à la Tarantino

Als Rächer aller Anständigen hat Regisseur Quentin Tarantino schon im Film „In­glourious Basterds“ die gesamte NS-Führung einschließlich Hitler auf einen Schlag in die Luft gejagt. Da war es nur natürlich, dass er sich auch Charles Manson zur Brust nimmt, der in den USA als Inkarnation des Bösen galt.

In dem Film „Once Upon a Time in Hollywood“ (Es war einmal in Hollywood), der am 15. August in die Kinos kommt, läuft bei ihm alles in gewohnt verquerer Weise auf das blutige Finale jener Mordnacht von vor 50 Jahren hinaus, als Mitglieder der Manson-Kommune die schwangere Schauspielerin Sharon Tate und drei ihrer Gäste im Haus des Regisseurs Roman Polanski („Rosemaries Baby“) in Beverly Hills ermordeten.

Dass dann alles ganz anders kommt, als man denkt, mag man Tarantinos Vorliebe für Billigschund Made in Hollywood zuschreiben. Im Film persifliert er Western-, Kung-Fu-, Werbe- und eben auch Actionfilme. In bester Retromanier lässt er Leonardo DiCaprio als schlappen TV-Star der 60er Jahre und Brad Pitt als dessen Stunt-Double und besten Freund antreten. 

Der erste Teil ist eine amüsante und gewaltfreie Referenz an das alte Hollywood, bevor es mit den Mansion-Morden seine Unschuld verlor. Diese Nostalgienummer erinnert an Tarantinos bestes Werk „Pulp Fiction“, dauert mit drei Stunden aber zu lang.H. Tews