Schenkt man den Politikern und Medien hierzulande Glauben, so wird unsere Freiheit allerorten von terroristischen Gewalttätern herausgefordert. Auch die aktuellen Geschehnisse um die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke veranlasste nicht wenige Journalisten dazu, sich aus den bisherigen knappen Verlautbarungen der Ermittlungsbehörden ein in Deutschland agierendes rechtes Untergrundnetzwerk zusammenzufabulieren.
Fast drängt sich der Eindruck auf, als käme die Existenz eines solchen Terrorphantoms dem politisch-medialen Establishment so kurz vor den richtungsweisenden Wahlen in Mitteldeutschland nicht ungelegen, gilt es doch, den Siegeszug der AfD im Herbst auszubremsen, in dem man sich krampfhaft darum bemüht, eine Verbindung zwischen dem mutmaßlichen Täter und der rechtskonservativen Partei herzustellen.
Doch nicht nur im Inneren, auch außenpolitisch muss der Kampf gegen Terrorismus als Legitimation für allerlei Maßnahmen herhalten. Der größte Teil der laufenden Auslandseinsätze der Bundeswehr wird direkt oder indirekt mit der Terrorbekämpfung begründet. Die USA stecken, 18 Jahre nach den Vorkommnissen am 11. September 2001, ebenfalls noch tief in ihrem Krieg gegen den Terror. Es gibt daher weltweit viele Stimmen, die den Kampf gegen den Terrorismus nur für vorgeschoben halten. Nicht wenige von ihnen behaupten gar, dass einzelne Staaten selbst erst Untergrundstrukturen aufbauen, um deren Existenz dann als Rechtfertigung für eine Vielzahl eigentlich ganz anders motivierter Maßnahmen herzunehmen.
Dieser Gedanke erscheint nur auf den ersten Blick abwegig, denn sieht man sich die Geschichte näher an, so muss man feststellen, dass der Einsatz terroristischer Gewalt fast nie zu dem angestrebten Ziel führt. Bereits 2008 legte der vom amerikanischen Verteidigungsministerium mitfinanzierte Thinktank Rand Corporation eine Studie zum Ausgang terroristischer Aktivitäten und zum Verbleib der sie tragenden Organisationen vor. Danach realisierten sich nur bei rund zehn Prozent der von den Autoren identifizierten 648 Terrorgruppen der jüngeren Vergangenheit deren politischen Pläne. Die meisten Gruppen scheitern vollständig, so wie die deutsche RAF oder die französische Action Directe.
Gerade bei kleinen Gruppen, die politische Ziele weitab des politischen Mainstreams verfolgen, drängt sich die Frage auf, warum sie sich des Mittels der Gewalt bedienen sollten, denn die Aussichten auf Erfolg sind nicht nur äußerst mager, sondern häufig führt der Einsatz von Terror genau zum Gegenteil des eigentlich Gewollten.
Die Bundesrepublik der 60er Jahre mag allgemein noch durch einen Geist der Obrigkeitshörigkeit geprägt gewesen sein, zum Überwachungsstaat wurde sie erst durch den Terror von links. Interessant ist in diesem Zusammenhang das dem amerikanischen Geheimdienst CIA zugeschriebene Konzept der Demagnetisierung. Schon in den 50er Jahren arbeiteten die Amerikaner eng mit italienischen und französischen Geheimdiensten zusammen, um den Einfluss der dortigen kommunistischen Parteien einzugrenzen. Zu diesem Zweck wurden klandestine Gruppen gegründet, die später Anschläge begingen, um sie linken Organisationen in die Schuhe schieben zu können. Auch in Deutschland fingen Linksextremisten erst an zu bomben, als wenige Monate nach der Machtübernahme der Sozialdemokraten Forderungen der Studentenbewegung in die offizielle Politik einflossen und gegenüber Moskau die Zeichen auf Entspannung gestellt wurden. Ob bei der RAF, beim Thüringer Heimatschutz oder bei der radikal-isalmischen Sauerlandgruppe, immer wieder wurden militante Strukturen nicht nur von deutschen Geheimdiensten infiltriert, sondern ihre Mitglieder aktiv zum Einsatz von Gewalt ermuntert und logistisch unterstützt. Andere legal operierende Parteien und Bewegungen aus dem vermeintlich gleichen Lager konnten so in den Dunstkreis des Terrorismus gestellt und schließlich gefügig gemacht werden.