Die weitaus meisten Zeichnungen des im Ersten Weltkrieg gefallenen Malers Franz Marc werden im Germanischen Nationalmuseum von Nürnberg aufbewahrt. Diese 600 Blätter lassen sich normalerweise nicht ausbreiten, da sie sich in 26 Skizzenheften aus den Jahren 1904 bis 1914 befinden. Nun aber eröffnen die zur Restaurierung entbundenen Hefte die in den nächsten Jahrzehnten nicht wiederkehrende Gelegenheit, eine große Auswahl der Seiten auszustellen. Zusätzlich sind Fotos und Briefe zu sehen sowie einige Gemälde und Druckgrafiken, die sich auf die Skizzenblätter beziehen.
Zahlreiche Blätter feiern Ausstellungspremiere. Auch das zeichnerische Motivrepertoire des durch seine Tierbilder bekannten Künstlers überrascht. Er befasste sich mit Bewegungsstudien von Sportlern wie Stabhochspringern und Jockeys. Mehr noch erstaunen die zahlreichen Darstellungen weiblicher Akte. Besonders attraktiv ist die vermutlich als Entwurf zu einem Gemälde angelegte Bleistiftzeichnung „Pferdehalterin“ (1912/13). Die Aktfigur ist von vorn gesehen, das neben ihr stehende Pferd von hinten. Ein Sternenhimmel ist angedeutet: Mensch und Tier in kosmischer Harmonie.
Unter den vielen Tierdarstellungen sticht eine hervor: Die sorgfältig mit Bleistift, Aquarell und Deckfarbe auf eine Doppelseite gezeichnete und gemalte Arbeit heißt „Schleichender Kater in hügeliger Landschaft“ (1908). Als Vorlage für das Ausstellungsplakat diente das Deckfarbenblatt des friedlich schlummernden „Blauen Wolfs auf rotem Oval liegend“ (1912/13). Von solchen gemeinhin für „typisch Marc“ gehaltenen Tierbildern sind in der Ausstellung nur wenige zu sehen. Zwar gab es sie in größerer Zahl, doch Marcs Gattin Maria entnahm sie nach seinem Tod den Skizzenheften, weil sie gut verkäuflich waren.
Gerade den ab 1910 angelegten Heften fehlen viele Seiten. Damals setzte Marcs Erfolg ein und er befreundete sich mit den ihn in seinem Schaffen bestärkenden Künstlern August Macke und Wassily Kandinsky. Macke hat sogar in Marcs Skizzenhefte gezeichnet. Indirekt hat in ihnen auch Kandinsky seine Spuren hinterlassen. Das verrät insbesondere die von Marc mit Bleistift und Kreide angefertigte Zeichnung „Ritter mit Lanze zu Pferde“ (1911). Sie lässt an den auch von Kandinsky gern dargestellten heiligen Georg denken. Der Ritterheilige galt beiden als Symbol des Sieges des Geistes über die Materie. Marc und Kandinsky erwählten ihn zur Programmfigur der berühmt gewordenen beiden Ausstellungen und des Almanachs, die sie als „Redaktion des Blauen Reiters“ mit deutschen und internationalen Künstlern verwirklichten.
Bis 1. September im Germanischen Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, Nürnberg, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr, Eintritt: 8 Euro. www.gnm.de