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16.08.19 / Stalinhörig im Kampf gegen die Sozialfaschisten / Vor 75 Jahren ermordete das NS-Regime den KPD-Politiker Ernst Thälmann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-19 vom 16. August 2019

Stalinhörig im Kampf gegen die Sozialfaschisten
Vor 75 Jahren ermordete das NS-Regime den KPD-Politiker Ernst Thälmann
Erik Lommatzsch

Die KPD der Weimarer Republik, deren Vorsitzender er ab 1925 war, ist untrennbar mit seinem Namen verbunden. Ernst Thälmann war ehrgeizig, sein politischer Horizont gilt jedoch als begrenzt. Bereits früh begann die Stilisierung des von Stalin gestützten Funktionärs. Das NS-Regime inhaftierte ihn über elf Jahre und ermordete ihn 1944 im KZ Buchenwald.

Ernst Thälmann wurde am 16. April 1886 in Hamburg geboren. Sein Vater betrieb eine Schankwirtschaft für Kutscher. Wegen Hehlerei verbüßten die Eltern 1892/93 eine Zuchthausstrafe, ein Umstand, auf den politische Gegner Thälmanns noch fast 40 Jahre später lauthals hinwiesen. Zunächst in einer Pflegefamilie betreut, wurde er von seinen Eltern, die später einen Kolonialwarenladen betrieben, frühzeitig zur Mitarbeit herangezogen. Einen Beruf erlernte er nicht. Das elterliche Geschäft verließ er im Streit und arbeitete hauptsächlich im Hamburger Hafen, er war Transportarbeiter und Kutscher. Seine Zeit als Seemann und die Betätigung als Landarbeiter bei New York blieben Episoden.

Thälmann engagierte sich frühzeitig in Partei und Gewerkschaft. Seit 1903 war er SPD-Mitglied, 1904 trat er dem Transportarbeiterverband bei. 1909 wurde er ehrenamtlicher Gewerkschaftsfunktionär, innerhalb seiner Partei stand er auf dem linken Flügel. Die Polizei führte aufgrund seines politischen Engagements bereits 1906 Akten über ihn. Seit 1915 diente er als Soldat an der Westfront, wegen seines ständigen Aufbegehrens blieb eine Beförderung jedoch aus. Kurz vor Kriegs­ende 1918 desertierte er, indem er nach einem Urlaub nicht wieder zurückkehrte. 

Seiner Position folgend, fand er sich in den Reihen der neuformierten USPD. Schnell gelangte er in eine Führungsposition. Mit der großen Mehrheit der Hamburger USPD drängte er auf einen Anschluss an die Kommunistische Internationale (Komintern), was ein Zusammengehen mit der KPD bedeutete. Die so entstandene Vereinigung firmierte kurzzeitig unter dem Namen VKPD, später verkürzte man wieder auf KPD. Bereits 1921 war Thälmann Vorsitzender der Ortsgruppe Hamburg. Für die Partei arbeitete er nun hauptamtlich. Im selben Jahr nahm er am III. Weltkongress der Komintern teil, er reiste zum ersten Mal nach Moskau.

Selbst innerhalb der KPD war Thälmann links orientiert. Beim Hamburger Aufstand im Oktober 1923, der den bewaffneten Umsturz in Deutschland auslösen sollte, spielte er zwar eine Rolle, jedoch nicht in dem Maße, wie es später die entsprechend geneigte Geschichtsschreibung darstellte. Sowohl innerhalb der KPD als auch in der Komintern, wo man ihn in das Exekutivkomitee sowie in das Präsidium berief, setzte sich sein Aufstieg rasant fort. Thälmann wurde wohl auch als „proletarisches Aushängeschild“ zwischen den intellektuellen KPD-Spitzen benötigt.

Nachdem zwar ebenfalls linke, aber nicht so stalintreue Führer wie Thälmann verdrängt wurden, übernahm dieser im September 1925, mit Unterstützung aus Mos­kau, den Parteivorsitz. Es erfolgte der weitere Umbau der KPD zur „Partei neuen Typus“. Hermann Weber, Nestor der DDR- und Kommunismusforschung, urteilte, es sei Thälmanns „persönliche Tragödie“ gewesen, „dass er von der Komintern und Stalin in eine Funktion gebracht wurde, der er geistig und politisch nicht gewachsen war“; dennoch sei er „zum Theoretiker des deutschen Kommunismus stilisiert“ worden. Er habe „zum Radikalismus und zur Selbstüberschätzung“ geneigt. Für den sowjetischen Machthaber war Thälmann der richtige Mann am richtigen Platz. Er schätzte dessen Loyalität. Als ihn 1928 die eigenen Leute seiner Funktion enthoben, weil ein Parteifreund Gelder unterschlagen hatte und Thälmann dies kaschieren wollte, sorgten Stalin und die Komintern dafür, dass er wieder den Vorsitz übernahm.

Der Hamburgischen Bürgerschaft gehörte er seit 1919 an, dem Reichstag seit 1924. Thälmann war unter der Arbeiterschaft durchaus populär. Für das Amt des Reichspräsidenten kandidierte er 1925 und 1932. Spekulation bleibt, ob 1925 im Falle des Rückzugs seiner Kandidatur im zweiten Wahlgang seine Wähler ihre Stimme dem Zentrumskandidaten Wilhelm Marx gegeben hätten. Damit wäre dieser und nicht Paul von Hindenburg Reichspräsident geworden, was wiederum der deutschen Geschichte eine andere Richtung hätte geben können.

Derartige Verzichtsüberlegungen dürften Thälmann, der oft genug von der Revolution sprach und der bis zum Verbot 1929 auch den Roten Frontkämpferbund anführte, allerdings fremd gewesen sein. Die KPD konzentrierte sich vielmehr auf die Bekämpfung der Weimarer Republik. Als Hauptfeind sah sie mitnichten die Ende der 1920er Jahre erstarkende NSDAP an. Vielmehr folgte sie der Moskauer Linie. Gegner waren vor allem die Sozialdemokraten, welche als Sozialfaschisten verunglimpft wurden. 

Im März 1933, wenige Wochen nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“, erfolgte die Festnahme Thälmanns. In der Haft erwies er sich als standhaft. Von einem ursprünglich gegen ihn geplanten Hochverratsprozess sah das NS-Regime ab, wohl aus Angst, aufgrund mangelnder Beweise eine ähnlich schlechte Figur zu machen wie beim Reichstagsbrandprozess. In den Folgejahren blieb Thälmann sogenannter Schutzhäftling der Gestapo. Seine willkürliche Festsetzung wurde auch international wahrgenommen. Von Moskauer Seite erhoffte er sich, vor allem nach den verbesserten Beziehungen zum Deutschen Reich mittels des Hitler-Stalin-Pakts von 1939, Unterstützung bezüglich seiner Freilassung. Die Sowjets enttäuschten ihren treuen Gefolgsmann allerdings. Die Nationalsozialisten beschlossen erst im Sommer 1944, ihren prominenten Häftling zu beseitigen. Am 18. August wurde er im KZ Buchenwald erschossen. Laut offizieller Darstellung hieß es, er sei bei einem – wenige Tage später erfolgten – Luftangriff ums Leben gekommen.

Nicht nur der Märtyrer-Tod, auch der konsequente Lebensweg Thälmanns boten sich für eine Mythisierung durch die DDR geradezu an. In einer hier erschienenen Biografie findet sich der Satz: „Der Geist Ernst Thälmanns ist in der Deutschen Demokratischen Republik lebendig.“ Die Heldenfigur eines an den notwendigen Stellen biografisch bereinigten Ernst Thälmann war in der DDR nahezu allgegenwärtig. Unzählige Straßen, Ausbildungsstätten und andere Einrichtungen wurden nach ihm benannt, eine Vielzahl von Denkmälern errichtet. Die Pionierorganisation trug seit 1952 seinen Namen. Thälmanns Frau Rosa war Volkskammerabgeordnete. Seine Tochter Irma Gabel-Thälmann widmete sich der Vermittlung des um Legenden angereicherten Bildes, nicht zuletzt durch das Büchlein „Erinnerungen an meinen Vater“.