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16.08.19 / Große Gesten mit wenig Gegenliebe / Warschauer Politzirkus fremdelt weiter mit der speziellen oberschlesischen Melange

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-19 vom 16. August 2019

Große Gesten mit wenig Gegenliebe
Warschauer Politzirkus fremdelt weiter mit der speziellen oberschlesischen Melange
Chris W. Wagner

Polens Regierung feiert den 100. Jahrestag des ersten sogenannten „Schlesischen” Aufstandes in Oberschlesien. Am 14. August wird eine Messe im Kattowitzer Dom gelesen, eine Gedenktafel in Myslowitz [Myslowice] enthüllt und ein Konzert mit einer Theatervorführung zu den Ereignissen vor 100 Jahren aus polnischer Sicht veranstaltet.

Die Bewegung für die Autonomie Schlesiens (Ruch Autonomii Slaska, RAS) hat bereits gefeiert. Zum Gedenken an das 99. Jubiläum der einstigen oberschlesischen Autonomie fand am 13. Juli der jährliche Autonomiemarsch statt, dem zwei Tage später der Tag der oberschlesischen Flagge folgte. Am Tag der Flagge wurden unter anderem in Königshütte [Chorzow], Rybnik, Kattowitz, Ruda [Ruda Slaska], Myslowitz, Deutsch Piekar [Piekary Slaskie] und Pless [Pszczyna] die blau-gelben oberschlesische Flaggen an den Rathäusern gehisst.

Der Autonomiemarsch der RAS erinnert an die Gründung der autonomen Woiwodschaft Schlesien, die Teile Oberschlesiens zusammenfasste, die nach 1920 von Österreich-Ungarn und 1922 vom Deutschen Reich an Polen abgetreten wurden. Diese bestand freilich nur von 1922 bis 1939 mit der Hauptstadt Kattowitz. „Wir wollen fröhlich durch die Stadt ziehen, auch wenn wir in letzter Zeit kaum Grund zum Feiern hatten. Denn die Regierung entzog uns fast 40 Millionen Zloty (etwa 

9,25 Millionen Euro) Subventionen, das polnische Parlament erkannte die (ober-)schlesische Sprache als Regionalsprache nicht an, und der Minister für Infrastruktur kündigte an – was uns besonders aufregt – einen Bahnknoten außerhalb Oberschlesiens im kleinpolnischen Olkusz zu bauen“, sagt Jerzy Gorzelik, Oberhaupt der RAS. Er thematisierte auch die bevorstehende Parlamentswahl im Oktober. „Dass Oberschlesien vor der Wahl steht, erkennt man daran, dass Hausierer in untadelig geschnittenen Anzügen und schicken Krawatten an unsere Türen klopfen. Sie ergehen sich in Allgemeinplätzen darüber, wie wir waren, wie wir sind und selbstverständlich geben sie Versprechungen ab, dass in oberschlesischen Städten die Kohle bis ans Ende der Welt gefördert wird“, so Gorzelik. Als dann am 21. Juli Polens Premierminister Mateusz Morawiecki und der PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski nach Laurahütte [Siemianowice Slaskie] reisten, hat man Vertretern der RAS, die mit einem Transparent mit der Aufschrift „Freies Polen, aber nicht für Schlesier“ erschienen waren, des Platzes verwiesen. „Für die Warschauer Eliten sind wir ein hirnloses Elektorat, das längst vergessen hat, dass man uns doch als ‚verkappte deutsche Option‘ oder unaufgeklärtes Volk, deren Väter in der Wehrmacht dienten, stigmatisiert hat“, schrieb Gorzelik in seinem Facebookprofil.

Bis zum Herbst vergangenen Jahres regierte RAS im Kattowitzer Landtag acht Jahre lang mit. Für die Parlamentswahl im Oktober will die RAS ihre Kräfte bündeln und ihre Kandidaten auf den Listen der Bürgerkoalition (Koalition der Bürgerplattform und der Partei Nowoczesna) aufstellen. Schlesische Wahleinigung (Slas-kie Porozumienie Wyborcze, SPW) nennt sich die aus der RAS, der durch RAS-Aktivisten geprägten Regionalpartei (Partia Regionalna), der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft „Versöhnung und Zukunft“ zusammengesetzte SPW. „Die Bürgerplattform verkörpert am ehesten, wofür wir seit Jahren stehen: Die Stärkung der Selbstverwaltung und die Dezentralisierung des Landes“, begründete Henryk Mercik, stellvertretender RAS-Vorsitzender und Vorsitzender der Regionalpartei die Annäherung an die Bürgerkoalition. Auf den Listen der Bürgerkoalition sollen für den Wahlkreis Gleiwitz-Beuthen Leszek Jodlinski, der geschasste erste Leiter des Schlesischen Museums zu Kattowitz, oder für den Wahlkreis Kattowitz Dietmar Brehmer, Gründer und Vorsitzender der Oberschlesischen Caritativen Gesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft „Versöhnung und Zukunft“ kandidieren. Brehmers Caritative Gesellschaft gehört zu den ersten Nichtregierungsorganisationen und nicht kirchlichen Wohltätigkeitsgesellschaften polenweit. Die Gesellschaft sammelt Kleidung, führt eine Bedürftigenküche und bietet Obdachlosen Übernachtungsmöglichkeiten. Jährlich verzeichnet man dort 127000 Mahlzeiten und 56000 Übernachtungen. Brehmer setzte sich in der Wendezeit für eine Kriegsrente für in der Heimat verbliebene Angehörige der deutschen Wehrmacht ein. Er gründete die erste deutschsprachige Zeitung der deutschen Volksgruppe in Oberschlesien „Hoffnung“ und die erste deutschsprachige Radiosendung bei Radio Kattowitz.

Im östlichen Oberschlesien sind die deutschen und nationalschlesisch optierenden Gruppen damit weiter zusammengewachsen.