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16.08.19 / Unser Freund, der Baum / Neuerdings liegt »Waldbaden« groß im Trend – Immer mehr Menschen finden zur Heilkraft inmitten der Natur zurück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-19 vom 16. August 2019

Unser Freund, der Baum
Neuerdings liegt »Waldbaden« groß im Trend – Immer mehr Menschen finden zur Heilkraft inmitten der Natur zurück
Stephanie Sieckmann

Forschung rund um Bäume und den Wald hat Hochkonjunktur. Während einige Wissenschaftler sich mit der Frage beschäftigen, wie der Wald dem Menschen im Hinblick auf seine Gesundheit dienlich sein kann, setzen andere Forscher alles daran, den ältesten Baum der Welt zu entdecken. 

Der Wald und seine Bäume sind die modernen Helden unseres selbstinszenierten Klima-Krimis. Immer neue Studien berechnen, wie viele Bäume gepflanzt werden müssen, damit wir überleben, damit sich die Welt auf ein verträgliches Maß abkühlt, damit die Umweltverschmutzung in Schach gehalten werden kann. Irgendwie scheint in dieser Zeit jedes Problem durch den Baum, besser gesagt durch den Wald, zu lösen zu sein. Irgendwie entsteht zu­nehmend der Eindruck, dass – abgesehen vom Wald – einzig  Megahelden wie James Bond das Klima und damit das Leben auf der Erde noch retten können.

Eine Beispielrechnung: Ein vergleichsweise kleiner Baum mit rund 20 Metern Höhe produziert in etwa 10000 Liter Sauerstoff an einem Tag. Ein Mensch benötigt am Tag zwischen 500 bis 2000 Liter Sauerstoff, je nachdem wie groß und alt er ist und was er macht. Mit der von einem Baum produzierten Sauerstoffmenge kommen dann entsprechend fünf bis zehn Menschen aus. Das klingt schon mal gut. 

Mit einem Blick auf die Kohlendioxid-Belastung der Luft ist auch diese – sehr stark vereinfachte – Rechnung interessant: Ein Baum arbeitet mit seiner Photosynthese an einem guten Klima, indem er aus rund einer Tonne CO2, die er der Luft entnimmt, einen Kubikmeter Holz produziert. Schon mit diesen beiden einfachen Gleichungen ist klar – Bäume sind die Großmeister des Klimaproblems. 

Das Holz der Bäume ist als natürliches Produkt begehrt, was bekanntermaßen zu starker Ab­holzung und Reduzierung der Wälder geführt hat. Werden Bäume nicht gefällt, können sie sehr alt werden. Und damit auch größer. In Europa gelten Bäume als sehr alt, wenn sie 300 Jahre und älter sind. Dabei gibt es immer wieder Exemplare, die diese Grenze weit überschreiten. So soll die Muttereiche in Hechingen rund 1300 Jahre auf dem Buckel oder besser gesagt auf dem Stamm haben. Ähnliches wird von der Sankt-Wolfgangs-Eiche im Landkreis Regensburg behauptet. In Deutschland sind es vor allem Linden, die zu den besonders alten Bäumen zählen. 

Viele Orte und Dörfer hatten früher im Zentrum eine Dorflinde. Unter diesem Baum wurden Hochzeiten gefeiert und Urteile gesprochen. Eine ziemlich sichere Methode für einen Baum, der Axt zu entkommen. So gibt es heute zahlreiche Linden im hohen Alter. Die Linde in Schluttenbach bringt es auf 1080 Jahre, der Edingalinde im Landkreis Fürstenfeldbruck werden ebenfalls rund 1000 Jahre Lebensalter zugeschrieben. 

Das gleiche gilt für die Kunigundenlinde im Landkreis Würzburg und die Tassilolinde im Landkreis Weilheim-Schongau sowie die Dorflinde in Aua (Hessen). Bei den Linden hält die Riesenlinde von Heede (Emsland) einen ganz besonderen Rekord: bei etwa 17 Metern Kronendurchmesser und 35 Metern Höhe gilt sie als größte Linde Europas. Die Öko-Bilanz dieser bemerkenswerten Bäume mit Best-Maßen fällt natürlich weitaus höher und beeindruckender aus als die oben genannten 10000 Liter Sauerstoff pro Tag und Baum.

Wie der Wald den Menschen positiv beeinflussen kann, erforschen seit 2012 Wissenschaftler an japanischen Universitäten in einem eigenen Forschungszweig, der Waldmedizin. Beim sogenannten Waldbaden geht es nicht prinzipiell um einen Spaziergang oder das Wandern. Es geht um den Aufenthalt im Wald. Dabei darf auch gemütlich geschlendert oder gesessen werden. 

Das Waldbaden, japanisch „Shinrin-yoku“, ist inzwischen in Japan eine anerkannte Stress-Management-Methode. Neben der Entschleunigung, die der Aufenthalt in der Natur des Waldes bringt, punktet das Waldbad nach Meinung von Experten wie dem Umwelt-Immunologen Qing Li, Präsident der Japanischen Gesellschaft für Waldmedizin, vor allem mit dem Einatmen von sogenannten Phytonzyden, die die Bäume in die Luft abgeben. Diese Stoffe, die von den Bäumen gebildet werden, um sich gegen Erreger zu wehren, stärken das menschliche Immunsystem nachweislich wie Studien zeigen. Durch das Einatmen der Stoffe bildet der menschliche Körper vermehrt Killerzellen. Schon ein Tag im Wald zeigt eine deutliche Veränderung. Je länger und regelmäßiger der Aufenthalt im Wald ist, desto länger hält die Wirkung an.

Andere Untersuchungen belegen, dass bereits ein Aufenthalt von 20 bis 30 Minuten täglich den Cortisolspiegel senkt. Cortisol wird als Stresshormon bezeichnet und soll bei chronischem Stress unter anderem bei der Entstehung von Übergewicht, Herz-Kreislauf-Störungen mitverantwortlich sein. Gemessen wird der Cortisolspiegel im Speichel. 

Besonders viele ätherische Öle und damit Heilkräfte sollen Na­delbäume aufweisen. Ein Waldbad in der Schweiz im 1000-jährigen Zirbelkieferwald im Aletschgebiet liegt damit auf der Hitliste der Wald-Jungbrunnen ganz weit vorne. 1000 Jahre – das klingt bereits beeindruckend alt. Weitaus älter sind aber einige Bäume in den USA. Einer Kiefer mit dem Namen Methusalem werden 4723 Jahre zugeschrieben, darüber hinaus soll in den USA eine weitere Kiefer im Alter von 5062 Jahren existieren. 

Nordamerika scheint ein guter Standort für alte Bäume zu sein. Im Jahr 2017 haben Forscher im US-Bundesstaat North Carolina in einem Gebiet mit vielen hundert 1000 Jahre alten Zypressen  eine ganze Gruppe noch älterer Bäume finden können. Im Sumpf-Gebiet des Black River hat David Stahle von der University of Arkansas mit seinem Team eine Gruppe von 50 Sumpf-Zypressen entdeckt, die alle älter als 2000 Jahre sein sollen. Die Proben, die das Forscher-Team entnahm, zeigten, dass einer der Bäume sogar 2624 Jahre alt ist. 

Rechnet man die Lebensleistung dieses Baumes aus, kommt man auf schwindelerregende Summen. Ungeachtet von Höhe und Umfang des Baumes, bringt es die uralte Sumpf-Zypresse bei rund 3,65 Millionen Litern Sauerstoff (Minimum) pro Jahr in 2624 Jahren auf fast 9,6 Milliarden Liter Sauerstoff, die sie produziert hat. Dabei hat sie bis zu 262 Tonnen Staub pro Jahr (rund 700 Kilogramm pro Tag) aus der Luft gefiltert. Ganz nebenbei hat dieser Baum pro Tag bis zu 500 Liter Wasser verdunstet, und damit die Kühlleistung von zehn bis 15 Klima-Anlagen erzielt. Bei 90 Mil­liarden Bäumen, die in Deutschland stehen, müsste man sich hier wie im Kühlfach fühlen. Diesen Sommer war das Gegenteil der Fall, auch weil viele Bäume jung aufgeforstet und andere vom Borkenkäfer befallen und daher krank sind.