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23.08.19 / Talentierter Schwindler / Eine steile Verbrecherkarriere beförderte einen Hochstapler aus Brandenburg vor 100 Jahren in ein New Yorker Gefängnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-19 vom 23. August 2019

Talentierter Schwindler
Eine steile Verbrecherkarriere beförderte einen Hochstapler aus Brandenburg vor 100 Jahren in ein New Yorker Gefängnis
Bettina Müller

Vor 150 Jahren wurde ein gewisser Max Schiemangk im brandenburgischen Staupitz geboren. Er endete als internationaler Hochstapler im berüchtigten New Yorker Gefängnis „Sing Sing“.

Schick sah er aus, dieser Max Schiemangk. Ein wahrer Gentleman, korrekt gekleidet, den zackigen Schnäuzer minutiös gestutzt. Kaum einer hätte ihn für einen Hochstapler, einen gefährlichen noch dazu, gehalten. Doch Schiemangk hatte es faustdick hinter den Ohren.

Der am 31. August 1869 in Staupitz bei Finsterwalde geborene Sohn eines Stellmachermeisters fiel schon in der Schule durch Unangepasstheit auf. Lieber träumte der junge Mann von einer schmucken Militäruniform, weil ihm das Lernen so gar nicht lag. Doch schnell war es vorbei mit der Karriere, 1889 entließ man ihn wegen „moralischer Unbrauchbarkeit“ aus dem Militär, nachdem er wegen Betrügereien fünf Tage im Gefängnis gesessen hatte. 

Schiemangk sah nun ein, dass er so in Deutschland beruflich nicht weiterkommen würde, und machte sich daher auf in das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Zunächst nistete er sich in dem zirka 130 Kilometer nördlich von New York liegenden Ort Poughkeepsie ein, heiratete dort und bekam mit seiner ahnungslosen Ehefrau einen Sohn. 

Naturgemäß sind die Aufenthaltsorte von gewieften Hochstap­lern schwierig zu ermitteln, sie sind ungemein flexibel und kreativ im Erfinden von falschen Na­men, und so ist es auch unmöglich, alle Stationen Schiemangks genau zu verfolgen. Erwiesen ist jedoch durch seine späteren Aussagen vor dem Berliner Landgericht I, dass er noch im selben Jahr als Pionier in die US-Armee eintrat. Sechs Jahre später reiste Schiemangk, nun plötzlich „di Schimangk“, vorübergehend zu­rück in die alte Heimat, wo er sich gleich nach seiner Ankunft in Hamburg mächtig daneben be­nahm und wegen Zechprellerei festgenommen wurde. 

Hurtig ging es bald aber wieder zurück in die USA, mit eigenen militärischen Erfindungen tingelte er durch das Land, sodass die US-Botschaft in Berlin mehrmals Anfragen erhielt, was es denn mit dem mysteriösen „Hauptmann“ Schiemangk auf sich habe. 

Am besten konnte er seinen narzisstischen Hang zu Uniformen, die ihm gar nicht zustanden, in Preußen ausleben, und er hoffte in seinem Wahn sogar, bald in Berlin dem Kaiser vorgestellt zu werden. Seine Betrügereien setzte er hemmungslos fort, was ihm wieder einen Gefängnisaufenthalt von dreieinhalb Jahren bescherte. 

Seine Lügen wurden immer abenteuerlicher, seine Geschichten immer flamboyanter, wusste er eigentlich selber noch, wer er wirklich war? 1902 entließ man ihn mal wieder aus dem Gefängnis, woraufhin er sich mit einer reichen Kapitänstochter verlobte, obwohl er seit einem Jahr bereits mit einer gewissen Mary verheiratet war, seine erste Ehefrau hatte die Ehe annullieren lassen. Noch bevor das junge Paar in den Hafen der Ehe einsteuern konnte, schöpfte der Brautvater Verdacht und hetzte dem Betrüger die Polizei auf den Hals. Lapidar bemerkte Schiemangk bei seiner Verhaftung nur: „Der Krug geht solange zum Wasser, bis er bricht.“ 

Im Jahr 1907 versuchte er es auf eine andere Tour, suchte einen Berliner Heiratsvermittler auf und verkündete dem erstaunten Mann, dass er eine Frau mit mindestens einer Million Mark Vermögen suche, was er dann auch in einem Schreiben festhielt, das ihn als veritablen Tausendsassa auswies: „Comte du Passy, Maximilian, Oberstleutnant im Generalkonsulat der Vereinigten Staaten, New York, Fort Hamilton, 1869 zu Mexiko geboren, war aktiver Offizier, hat ein Gut, 55000 Mark wert, 14000 Mark Einkommen, spricht Englisch, Deutsch, Spanisch, Arabisch, Türkisch, Russisch, ist sehr musikalisch und Erfinder auf militärischem Gebiete.“ 

1911 schaffte es der immer stärker nach Reichtum und Anerkennung gierende Schiemangk, dass insgesamt 17 Staatsanwaltschaften in Deutschland und im Ausland mit Hochdruck nach dem talentierten Schwindler suchten. Berliner Gerichtsärzte bescheinigten ihm eine auf „krankhafter Grundlage beruhende phantastische Lügenhaftigkeit“.

In Heilbronn schwindelte er einer jungen Frau vor, er sei ein Graf mit Schloss in Stadtnähe. „Graf de Passy“ und seine Verlobte mieteten sich in Berlin in einem vornehmen Hotel ein, doch auch diesmal machte der Brautvater der temporären Harmonie ein Ende. Der angebliche „Graf“ ging daraufhin wieder stiften, schaffte es bis nach Frankfurt am Main, wo man ihn festnahm und in das Heilbronner Gefängnis brachte. Mithilfe eines Komplizen entkam er jedoch mit Fußfesseln und in Frauenkleidern, nur um dann am 28. April 1911 als „Ingenieur Wendt“ im Spreewald festgenommen zu werden.

Nur wenige Monate später heiratete der notgedrungen Vielreisende – er war ja dauernd auf der Flucht – in New York Leila Allendorf und war weiterhin wahlweise als „Graf Max Rochus von Lynar” oder „Graf de Passy-Chiman“ unterwegs. Drei Monate später ehelichte er in Albion auch noch Rose O’Brien, was ihm 1915 schließlich zum Verhängnis wurde. Beide Ehefrauen identifizierten ihn bei einer Gegenüberstellung, und so ging es für Schiemangk schnurstracks zum ersten Mal in das New Yorker Gefängnis „Sing Sing“. 

Erst 1919 schienen seine Kräfte etwas nachzulassen, er war älter geworden, aber überhaupt nicht weiser, und musste wegen Urkundenfälschung wieder in das vertraute „Sing Sing“, ebenso 1926 wegen Tragens einer gefährlichen Waffe und zuletzt noch einmal 1930. Auch zehn Jahre später behauptete der unheilbare Lügner, ein Erfinder zu sein und für die Regierung zu arbeiten. Die Erfindung gab es zwar tatsächlich, aber keine Anstellung bei der Regierung. 

Am 26. März 1941 verstarb der notorische Hochstapler in Queens, New York, an Leberkrebs. Vielleicht hatten ihn auch seine Lügen zerfressen, denn noch im Tod wahrte der eigentlich wohl an einer schweren Persönlichkeitsstörung, einem ge­spaltenen „Ich“, leidende Mann den schönen, aber trügerischen Schein: „Marcel de Passy de Dechimang“ heißt es auf seiner Sterbeurkunde.