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30.08.19 / »112 Prozent« – Die Feuerwehr wirbt um Nachwuchs / Kommunale Personalengpässe – Das Bewusstsein für die Problematik muss gestärkt werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-19 vom 30. August 2019

»112 Prozent« – Die Feuerwehr wirbt um Nachwuchs
Kommunale Personalengpässe – Das Bewusstsein für die Problematik muss gestärkt werden
Christiane Rinser-Schrut

Freiwillige Feuerwehren machen in der Bundesrepublik den größten Anteil an Feuerwehr-Einsatzkräften aus. 2016 gab es 22853 Freiwillige Feuerwehren im Deutschland und nur 105 Berufsfeuerwehren; Werkfeuerwehren, also Feuerwehrkräfte, die für die Industrie oder eine Firma zuständig sind, gab es 752. Die Mitgliederzahlen nehmen jedoch ab.

„Generell ist es so, dass die Feuerwehren aktuell an den Altersgrenzen oben die Mitglieder der geburtenstarken Jahrgänge verlieren. Der Nachwuchs, vornehmlich aus der Jugendfeuerwehr, ist jedoch im Vergleich zu früher wesentlich höherem Druck ausgesetzt – sozialer und demografischer Wandel, Flexibilität in Beruf und Beziehung, Wohnortwechsel, kurzfristiges Engagement, Turbo-Abitur, verkürzte Studienzeiten, Ganztagsschule – all dies spielt hier eine Rolle“, äußerte die Pressereferentin des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), Silvia Darmstädter.

Die Ausbildungskampagne der Berufsfeuerwehr in Hamburg ist im März 2019 gestartet. Pro Jahr werden 100 Ausbildungsplätze besetzt und konnten für dieses Jahr auch besetzt werden. Für 2020 werden wieder Azubis gesucht. Jenny Schütt aus dem Personalauswahlzentrum der Feuerwehr Hamburg blickt der Zukunft gelassen entgegen. „Bislang konnten wir alle unsere freien Stellen besetzen. Ein Erfolg der Nachwuchskampagne kann jedoch erst ab Oktober messbar sein, da sich erfahrungsgemäß die meisten Anwärter zum Fristende bewerben.“ Dieses ist der 30. September 2019. Erst dann könne evaluiert werden, ob die Kampagne mehr und auch höherqualifizierte Bewerber akquirieren konnte, so Schütt.

„Feuerwehr wird unterschätzt“, äußerte der Vizepräsident des DFV, Frank Hachemer. „Jeder ist ein potenzieller Kunde der Feuerwehr, sie ist vor Ort und in den Freiwilligen Feuerwehren sind ,Überzeugungstäter’.“ 

Vielerorts werden die Wehren sinkender Mitgliederzahlen erst dann bewusst, wenn es zu spät ist. Da helfe nur Klinkenputzen, so Hachemer. Teure Plakatkampagnen können nicht mehr als ein Grundrauschen sein, die direkte Ansprache sei das Mittel der Wahl. „Menschen wie Du und ich sind in der Feuerwehr. Noch sind die Feuerwehren anfassbar und flächendeckend präsent“, sagte Hachemer weiter. „Wenn gar nichts mehr hilft, hilft manchmal die Information, dass fast jede Person ab 18 Jahren von der Gemeinde verpflichtet werden kann, seinen Dienst bei der Feuerwehr zu leisten. Nur leider haben diese Pflichtfeuerwehren eine ganz andere Qualität als die Freiwilligen Feuerwehren.“ Die Grundlage hierfür bilden die Landesfeuerwehrgesetze.

Die Aufgaben der Feuerwehren sind vielfältig. Natürlich gehört das Löschen von Bränden und Explosionen dazu, aber auch technische Hilfeleistungen, die Beseitigung von Wespen- und Hornissennestern bei Gefahr, sie helfen Tieren und transportieren als Rettungsdienst Kranke. Doch vor allem werden sie aktiv bei der Notfallrettung. Und bei den Freiwilligen Feuerwehren geschieht das alles neben dem eigentlichen Beruf. 

Eine Idee des DFV ist es, Asylbewerber für die Feuerwehr zu gewinnen. Frank Feistel, stellvertretender Ortsbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr in Osnabrück, gibt zu bedenken, dass diese Idee kaum umsetzbar ist, da allein die Sprachbarriere eine Ausbildung unmöglich mache, die zudem zwei Jahre dauere. In zwei Jahren könne der Bewerber andernorts sein. Die Hauptnachwuchsquelle sei und bleibe die Jugendfeuerwehr, so Feistel. Jedoch beklagt er die mangelnde Fitness der Anwärter. Regelmäßig müssen Leistungsnachweise erbracht werden. Grade im Bereich Atemschutz fallen deutlich mehr Jugendliche durch die Untersuchung. Freiwillige Feuerwehr sei ein Hobby, so Feistel, das sehr viel Zeit binde. Eine leistungsfähige Feuerwehr trainiert im niedersächsischen Osnabrück zwei bis drei Stunden pro Woche, dazu gibt es Wochenendseminare und eine dreiwöchige Teilnahme an einer Feuerwehrschule. 

Ein weiteres Problem, so der stellvertretende Ortsbrandmeister Feistel, stelle die Besetzung der Führungspositionen dar. Zum einen steige der Verwaltungsaufwand und koste entsprechend viel Zeit, zum anderen wachse die Verantwortung. Die Unternehmerische Verantwortung trägt der Ortsbrandmeister, dessen Amtszeit sechs Jahre beträgt. 

Auf die Frage, weshalb er trotz seiner zeitaufwendigen Selbstständigkeit immer noch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr sei, antwortete Feistel: „Es ist ein sehr interessantes und durchaus abwechslungsreiches Hobby.“ 

„Eine Aufwandsentschädigung gibt es für das Gros der Freiwiligen Feuerwehrleute nicht“, so Hachemer, auch wenn einige Bundesländer eine geringe Aufwandsentschädigung an das Führungspersonal zahle. Die neueste Idee des Geschäftsführers des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, ist es, Ehrenamtliche die freie Nutzung von Öffentlichen Personenbeförderungsmitteln zu ermöglichen. Ob diese Anerkennung umgesetzt wird, bleibt offen, und auch, ob diese Aktion den Freiwilligen Feuerwehren mehr Zulauf verschafft.