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30.08.19 / Kaschmir-Konflikt droht zu eskalieren / Feuergefechte im indisch-pakistanischen Grenzbereich haben bereits zu Toten auf beiden Seiten geführt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-19 vom 30. August 2019

Kaschmir-Konflikt droht zu eskalieren
Feuergefechte im indisch-pakistanischen Grenzbereich haben bereits zu Toten auf beiden Seiten geführt
Florian Stumfall

Seit der Teilung von Britisch-Indien im Jahre 1947 und dem Abzug der Engländer stehen die Republik Indien und die Islamische Republik Pakistan, die damals entstanden, einander feindlich gegenüber. Das liegt zum einen an dem religiösen Gegensatz zwischen dem überwiegend hinduistischen Indien und dem muslimischen Pakistan. Es gibt aber auch territoriale Gründe, so den Streit um Kaschmir. Dieser Zwist zwischen den beiden Atommächten hat sich in jüngster Zeit gefährlich zugespitzt. 

Feuergefechte im Grenzbereich häufen sich, neben der Infanterie wird auch Artillerie eingesetzt. Es hat schon Tote gegeben, Soldaten auf beiden Seiten, und – darf man den pakistanischen Meldungen trauen – auch Zivilisten. Doch derlei wird oftmals gerne verbreitet, um sich den Anschein einer moralischen Berechtigung für die Ausweitung des Konflikts zu geben. 

Die Vorbereitungen dafür sind auf beiden Seiten längst getroffen. Indien hat seine Streitkräfte in seinem Teil Kaschmirs, dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir, in Alarmbereitschaft gesetzt, bis hin zur Luftwaffe. Begründet wird dieses damit, dass man Angriffe von Terrorgruppen erwarte, die von Pakistan unterstützt würden, um Unruhe zu stiften. 

Indien aber belässt es nicht bei militärischem Gerassel. Anfang dieses Monats hat Neu-Delhi dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir seinen Status als Sondergebiet entzogen und sich so die Möglichkeit geschaffen, unmittelbar selbst durchzugreifen. Indiens Premierminister Narendra Modi verteidigt die Maßnahme damit, dass sie „wirtschaftliche Entwicklung und Frieden in das Himalaja-Gebiet“ bringe.

Vorerst zumindest ist jedoch das Gegenteil der Fall. Die Pakistani haben ihrerseits in der zweiten August-Woche die letzte öffentliche Verkehrsverbindung nach Indien unterbrochen. Nachdem zwei Zugverbindungen eingestellt worden waren, der „Thar Express“ und der „Samjahauta Express“, wurde auch noch der Omnibus-Verkehr eingestellt. Direktflüge zwischen den verfeindeten Nachbarn gibt es ohnehin nicht. Die letzte Möglichkeit, die Grenze zu überschreiten, ist derzeit der Kontrollposten Wagah, an der Grand Trunk Road zwischen Amritsar in Indien und der pakistanischen Kapitale Lahore. Das allerdings nimmt mehrere Stunden in Anspruch.

Oberflächlich ist der Kaschmir-Konflikt schnell erklärt. Indien wie Pakistan erheben beide Anspruch auf die gesamte Region, wobei Lahore das religiöse Argument ins Feld führt, dass Kaschmir überwiegend von Moslems bewohnt wird. Was das Problem noch ein wenig komplizierter macht, ist, dass ein kleiner Teil Kaschmirs zu China gehört. Es handelt sich dabei um die Hochlandregion am Westrand von Tibet Aksai Chin. Dieses Gebiet hat Pakistan bereits im letzten Jahrhundert an seinen großen Verbündeten China abgetreten, eine Maßnahme, die Indien nie anerkannt hat, weil es selbst Anspruch darauf erhebt. 

Auf diese Weise ist der Kaschmir-Konflikt kein bilaterales Problem mehr, sondern bezieht China mit ein. Er stellt eine latente Belastung der ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen Peking und Neu-Delhi dar. Aksai Chin gewinnt für China eine besondere Bedeutung dadurch, dass es an zwei der problematischsten chinesischen Regionen grenzt. Es liegt überwiegend auf dem Gebiet von Chinas westlicher Provinz Sinkiang, der Heimat der muslimischen, turkstämmigen Uiguren, die immer wieder deutliche Neigung zum Separatismus erkennen lassen. Au­ßerdem liegt Aksai Chin an der Grenze zu Tibet, wo sich Peking ein ähnliches Problem stellt. 

Es sind also nicht, wie es meistens heißt, zwei Atommächte in den Kaschmir-Konflikt verwickelt, sondern deren zumindest drei. Wenn nicht noch mehr, berück-sichtigt man denn die zumindest bei Bedarf gezeigte politische Nähe Indiens zu den USA und deren Neigung, überall in der Welt zu intervenieren – auch militärisch –, wenn es der Realisierung der eigenen Weltmachtpläne zu nützen scheint.

Die beiden eigentlichen Widersacher Indien und Pakistan verfügen über reichlich nukleare Kurz- und Mittelstreckenwaffen. Um die nuklearen Sprengköpfe ins Ziel zu bringen, stehen sowohl Raketen als auch Bombenflugzeuge zur Verfügung. Angesichts der zum Teil überaus dichten Besiedlung der Regionen könnte selbst ein beschränkter nuklearer Waffengang Millionen Menschen töten. Außerdem könnte das Grundwasser des halben Subkontinents verseucht werden.

Derweil versucht Modi die Position Neu-Delhis im bereits indischen Teil Kaschmirs weiter zu stärken. So hat er einen Artikel der Verfassung außer Kraft gesetzt, gemäß dem ausschließlich Kaschmiri in ihrer Region Land kaufen dürfen. Das könnte dazu führen, dass die Kaschmiri in ihrer Heimat die Mehrheit einbüßen und allmählich völlig in der Republik Indien aufgehen. Eine solche Entwick-lung würde auch den pakistanischen Anspruch auf Kaschmir schwächen, denn jeder Hindu, der sich dort ansiedelt, mindert das religiöse Argument Lahores in seiner Stichhaltigkeit.

Aber auch Pakistan zeigt die Muskeln. Der Vier-Sterne-General und Stabschef der pakistanischen Armee Kamar Javed Bajwa versicherte dieser Tage: „Pakistans Armee wird die Kaschmiri in ihrem Kampf bis zum Ende unterstützen.“ Pakistans Premierminister Imran Khan mahnt hingegen zu Vorsicht und Mäßigung. Er verweist darauf, dass bei einem Krieg „beide Seiten und die ganze Welt unter den Folgen leiden“ würden.