Während andere Staaten ihre durch Geld- und Fachkräftemangel geschuldete bisherige Zusammenlegung der Kultur- und Tourismusbehörden zunehmend hinterfragen und nicht selten aufheben, geht die Volksrepublik China einen umgekehrten Weg. Gerade legte das nationale Ministerium für Kultur und Tourismus ein neues Gesetz vor, dessen explizites Ziel die „Vereinheitlichung der Kultur- und Tourismus-Industrien“ ist. Das Doppelministerium war im April 2018 im Zuge der durch Staatsführer Xi Jinping vorgenommenen Generalreform der Zentralregierung mit dem expliziten Ziel gegründet worden, „Chinas soft-power und kulturellen Einfluss in der Welt zu stärken“.
„Soft Power“ (Weiche Macht) ist ein im Zuge der Wende von 1989/90 vom US-Politologen Joseph Nye – damals Chef-Außenpolitiker des Weißen Hauses und bis heute Leiter der einflussreichen Trilateralen Kommission – geschaffener Begriff, der die kulturelle Attraktivität und den davon ausgehenden Einfluss von Staaten als zentralen Aspekt ihrer politischen Gesamtmacht herausstellt. Die USA nutzen diese Form der Beeinflussung seit jeher intensiv, haben sie aber erst durch Nye zu einem kohärenten Kernaspekt ihrer Außenpolitik verdichtet.
China versucht sich auch in dieser Hinsicht seit etlichen Jahren als Zweites Amerika, ohne dass ihm dies trotz oft gewaltigen Propagandaaufwands in nennenswerter Weise gelungen wäre. Das neue Gesetz sieht vor, dass der Staat „die Schöpfung kultureller Produkte auf Basis touristischer Ressourcen“ fördern soll. Wohl als Erläuterung gedacht scheint die seiner Veröffentlichung beigegebene Forderung des früheren Volkskongress-Funktionärs Schu Bing, dass größere Anstrengungen nötig seien, „den kulturellen Anteil in der Tourismusindustrie zu erhöhen“.
Demnach will man wohl zunächst versuchen, die bislang inhaltlich oftmals eher anspruchslose Tourismusindustrie zu einer Inwertsetzung örtlich vorhandener, aber noch ungenutzter kultureller „Ressourcen“ zu animieren. Dass mit dem Gesetz aber nicht ausschließlich an unmittelbare finanzielle Gewinne und eine Niveauanhebung des inländischen Reiseverkehrs gedacht ist, zeigen auffällige Passagen, die darüber hinaus eine umfassende Unterstützung der Bewerbung von Chinas „Kulturprodukten“ in Übersee fordern.
Es ist demnach zu erwarten, dass die chinesischen Dienststellen versuchen werden, offensiver als bisher emblematische Aspekte der Kultur ihres Landes im Ausland bekannt zu machen und so Ausländer für die Politik der Volksrepublik zu gewinnen. Dies wäre sozusagen der nach der in den letzten Jahren global erfolgten Eröffnung zahlreicher Konfuzius-Kulturinstitute zweite Ansatz einer Breitenwerbung für die chinesische Kultur, deren oft hochinteressante Aspekte im Ausland kaum bekannt sind.
Der Erfolg des ersten Ansatzes blieb freilich überschaubar: Neben einem gewissen Zuspruch für chinesische Sprachkurse erreichen die kulturellen, politischen und wissenschaftlichen Zusatzaktivitäten bestenfalls ein begrenztes Publikum und werden von den weitgehend US-gesteuerten Medien ignoriert. Wenn der neue Ansatz nicht unter dem Strich genauso kläglich enden soll, wird China in großem Umfang qualifizierte Nicht-Chinesen gewinnen müssen, die das Land für die Überwindung der gewaltigen kulturellen und mentalen Unterschiede zu den im Fernen Osten unbegreifbaren weißen Völkern dringend benötigt. T.W.W.